| ...An den Putzplätzen herrschte emsiges Treiben, als das Mädchen kurz darauf dort ankam. Aufgeregte Kinderstimmen plapperten wild durcheinander, Pferde prusteten und stampften ungeduldig mit den Vorderhufen. Alle versuchten, ihr Pferd so schön wie möglich herauszuputzen, keiner nahm auch nur die geringste Notiz von Linda, die leise an die quirlige Gruppe herangetreten war und nun unwillkürlich lächeln musste.
Sicher war es für viele dieser Knirpse der allererste Ausritt, und Belinda konnte sich noch gut erinnern, was dieses besondere Erlebnis für sie selbst bedeutet hatte. Zuerst ein flaues Gefühl im Magen und schlotternde Knie und schließlich auch ein gewisses Unbehagen, das sich unweigerlich einstellte, wenn man an all die Gefahren dachte, die draußen im Gelände auf einen lauern konnten. Auch bestens ausgebildete Pferde blieben eben von ihrer Natur her mehr oder weniger schreckhafte Fluchttiere, die bei vermeintlicher Gefahr mit Buckeln oder Durchgehen reagieren konnten.
Doch über all diesen negativen Empfindungen thront der unauslöschliche Gedanke, dass man etwas ganz Einzigartiges zu erwarten hat. Wenn es dann endlich soweit ist, nimmt man allen Mut zusammen und schwingt sich freudestrahlend auf sein Pferd, um bereits nach wenigen Minuten festzustellen, dass alle Angst wie weggeblasen ist. Man spürt die Wärme und die Kraft des großen, starken Lebewesens unter sich, fühlt sich auf eigentümliche Weise behütet und beschützt und meint beinahe, unbesiegbar zu sein. Ein unbeschreiblich schönes und erhabenes Gefühl!
So jedenfalls hatte Linda es erlebt, und so sollte es idealerweise auch sein. In manchen Reitschulen allerdings wurden bereits Anfänger auf Ausritten mitgenommen, deren reiterliches Können und somit auch ihr Vertrauen ins Pferd noch nicht genügend gefestigt sind. Nur besonders mutige Naturelle können ein solches Abenteuer genießen, alle anderen leiden unter ständiger Angst und Anspannung. Solche unüberlegten Experimente enden dann oft mit einem Sturz solcher Reiter, was im schlimmsten Fall sogar ein lebenslanges psychisches Trauma hinterlassen kann � selbst dann, wenn es zu keinen nennenswerten körperlichen Verletzungen gekommen ist.
Bettina Wegner war da viel umsichtiger. Sie legte größten Wert auf gründliche Reitausbildung, und nur absolut sattelfeste Reiter durften sie ins Gelände begleiten. Heftige Widersprüche und Tränen von Schülern, die ihre Reitkünste überschätzten, räumte sie rasch aus dem Weg, indem sie ihnen in der Reithalle oder Reitbahn Aufgaben stellte, denen sie nicht gewachsen waren, die aber für das Gelingen eines Ausrittes eine grundlegende Bedeutung hatten.
Auf diese Weise konnte sich jeder selbst von den eigenen Fähigkeiten überzeugen, und die meisten erkannten sehr schnell, dass ihnen noch einige Stunden Unterricht nicht schaden könnten. Die absolut Unbelehrbaren wechselten daraufhin die Reitschule, was Frau Wegner allerdings wenig störte, oder gaben verärgert das Reiten gänzlich auf, doch dies war dann eigentlich gut so, denn Menschen, die ihre eigenen Fehler und Schwächen nicht erkennen und daran arbeiten wollen, eignen sich für diesen Sport sowieso nicht.
"So, seid ihr alle fertig?", ertönte Bettinas resolute Stimme aus vorderster Front. "Kontrolliert noch einmal, ob der Sattelgurt richtig und fest genug sitzt und ob alle Schnallen am Zaumzeug geschlossen sind! Wenn alles passt, könnt ihr aufsteigen!"
Linda erschrak. Ganz in Gedanken versunken hatte sie gar nicht bemerkt, wie die Kinder bereits ihre Pferde sattelten und zäumten. Nun musste sie sich aber beeilen, wenn sie noch mit ihrer Reitlehrerin sprechen wollte, bevor diese das Kommando zum Aufbruch gab.... | | |