Dieses Kapitel heißt ja "Das Pferd in der Barockzeit", und ich erwähnte schon eingangs, dass Dossenbach sich zunächst über die Pferderassen verbreitet.
| Entstanden war der Typ schon zum Maurenzeit in Andalusien, hauptsächlich aus Berbern, doch auch unter dem Einfluss alter spanischer und arabischer Pferde. Schon früh verbreitete es sich nach Portugal, wo daraus der Altér-Real entstand, und nach Neapel. Als es in der Barockzeit unter den Adligen Europas Mode wurde, einander mit prunkvollen Paraden und prächtigen Zirkusspielen zu übertrumpfen, zogen diese Pferde in fast allen Marställen ein. Verschiedene Hofgestüte züchteten auf der Basis von Andalusiern und Neapolitanern eigene Rassen wie den zeitweise nach Farben gezogenen Frederiksborger Dänemarks, den besonders kräftigen, als Kutschpferd geeigneten, als Schimmel und Rappe gezüchteten Kladruber im Gebiet der heutigen Tschechoslowakei und den berühmten Lipizzanerhengste in Karst im heutigen Jugoslawien.
Von diesen einst so begehrten Barockpferden ist fast nichts mehr geblieben. Der Andalusier zeigt heute meist starken Arabereinfluß. Die meisten Frederiksborger sind im Typ moderne Sportpferde. Kladruber und Altér-Real werden nur noch in geringer Zahl gezüchtet, und lediglich die Zucht des Lipizzaners hat in Österreich, Jugoslawien, Ungarns und Rumänien noch beachtliche Bestände.
a.a.O., Seite 148 | | |
Damals wie heute hat sich die Pferdezucht nach dem Bedarf gerichtet, man kann auch sagen nach der Mode oder nach dem Markt. Sollte die Barockereiterei einen ähnlichen Aufschwung erleben wie die Westernreiterei, werden sicherlich neue Anstrengungen gemacht werden, das sogenannte Barockpferd zurückzuzüchten.
Auf der erwähnten Seite » Studien zur Geschichte der Reitkunst in Renaissance und Barock habe ich noch eine sehr interessante Passage gefunden, die unsere beiden letzten Ausgaben in willkommener Weise ergänzt - wenn wir dem Autor glauben können, und ich vermute das können wir, denn er hat alle diese alten Texte vermutlich selber studiert - zumindest bietet er sie auf seiner Homepage an:
| Es wäre ein Fehler, den Beginn der Reitkunst mit dem Erscheinen von Grisones Ordini di cavalcare 1550 gleichzusetzen. Wie er selbst sagt, berichtet er über etwas Bestehendes, und sieht sich nicht als Neuerer. Texte, die etwas über Pferdeausbildung und Reitweisen aussagen, gibt es leider vor dem 16.Jahrhundert nicht. [...] Äußerungen über Pferde finden sich dagegen in unzähligen Sekundär-Quellen. Immer werden ihr Adel, ihre Schönheit und Klugheit in hohen Tönen gepriesen. Wenn diese Darstellungen auch idealisiert erscheinen mögen, ist doch anzunehmen, dass die Menschen sie verehrt und geliebt haben. Wie zu allen Zeiten werden nur grausame und dumme Menschen sie mit Grobheit und Dummheit behandelt haben, wenn dies auch in den meisten Darstellungen über die Geschichte der Reiterei pauschal behauptet wird. Auskunft über einige Details können ikonografische Quellen geben, die aber mit Vorsicht zu interpretieren sind, da Künstler im Mittelalter nicht die Realität abbilden wollten. Erst im 15.Jahrhundert, als man anfing, sich für die Naturwissenschaften zu interessieren, begannen auch die Maler ihre Umwelt genauer darzustellen. Auch die Ansicht, dass Pferde in erster Linie für den Reiterkampf ausgebildet wurden ist wenig stichhaltig angesichts der Erkenntnisse der Historiker über das Kriegswesen im Mittelalter. Pferde spielten dabei nur eine untergeordnete Rolle als Transportmittel. Feldschlachten waren wegen ihres ungewissen Ausgangs selten, meistens wurden Kriege durch Belagerung entschieden. Gekämpft wurde zu Fuß, da die Reiter den mit langen Spießen bewaffneten Fußtruppen unterlegen waren. Spätestens mit dem Auftreten der englischen Langbogen-Schützen und der Verbreitung der Armbrust im 14. Jahrhundert waren Reiter hoffnungslos verloren.
[...] Die Verwendung im Krieg war wie auch in Renaissance und Barock nur eine Art des Einsatzes von Pferden. In der Landwirtschaft wurden sie nur wenig benutzt, häufig dagegen zum Personentransport, zu Sportzwecken ( Turnieren ), bei festlichen Umzügen und bei Pferdeballetten. » Reiten im Mittelalter | | |
Soso, dann waren also die ganzen Übungen gar nicht für den kriegerischen Nahkampf gedacht? Müssen wir nun unser gesamtes Geschichtsverständnis korrigieren? Auch in dieser Hinsicht geht es wohl um eine Entmystifizierung. Glaubt man Scheele, so hatte die Barockereiterei wesentlich mehr mit Musik und Tanz zu tun als mit dem Krieg. Da die barocken Herrscher lieber tanzten als persönlich Krieg zu führen, leuchtet das erst einmal ein. So machen auch die Kostüme der Barockreiter als Tanzkleidung wesentlich mehr Sinn. Überhaupt handelt es sich ja bei der Barockereiterei mehr um Schaubilder als um Sport.
Zu dem Gemälde des französischen Königs bemerkt Dossenbach:
| Daß der König beim Schulreiten ein Gepardenfell anstelle eines Sattels verwendete, ist allerdings kaum anzunehmen.
a.a.O., Seite 148 | | |
Eben! Das ist alles nur Propaganda. Das ist alles gar nicht echt.
Quellen / Verweise
Abbildungen
› Gerd Hebrang
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