| | | Gestütsleiterin Julie Day | | | |
| | | | Jedenfalls solange Sicherheit gewährleistet ist | | | |
| Ich habe mich immer gewundert, warum die Leute so scharf sind auf Krimis. Sowohl in der Literatur als auch im Film steht Mord und Totschlag hoch im Kurs. Könnte es sein, dass man darin Gefühle auslebt, die sonst nicht zu leben sind? Da fällt mir folgende Passage aus einem Spiegel-Interview mit dem Strafverteidiger Ferdinand von Schirach ein: | Schirach schreibt so souverän, klar und einfach, als hätte er nie etwas anderes gemacht und als hätte er sich immer ferngehalten vom seltsamen Deutsch der Juristenakten. Er macht nicht viel, knapp und konkret bleibt er, er ist ein großartiger Erzähler, weil er sich auf die Menschen verlässt, auf deren Schicksale. Er erzählt beispielsweise von dieser schönen jungen Frau, die eines Tages ihrem Bruder, den sie eigentlich sehr liebt, ein Barbiturat einflößt und ihn in der Badewanne ertränkt. Oder von dem Arzt, einem älteren, unbescholtenen Herrn, der im Garten arbeitet und Unkraut jätet, als ihn seine Frau ruft und mit ihm schimpft. Er könnte es hinnehmen, wie er es immer hingenommen hat, doch diesmal bittet er sie in den Keller, hebt eine Axt, rammt die Klinge in den Kopf, trennt den Kopf, die Arme, die Beine vom Körper. Dann geht er zum Telefon und wählt die Nummer der Polizei. Wie in einer Bildergeschichte erzählt Schirach von der jungen Frau und dem alten Mann: wie die junge Frau in der Badewanne wartet, bis ihr Bruder eingeschlafen ist, dann "küsste sie seinen Nacken und ließ ihn unter Wasser gleiten". Wie der alte Mann Mühe hat, die Axt aus dem Schädel seiner Frau "zu hebeln, er stellte seinen Fuß auf ihren Hals". Schirachs Geschichten sind geschriebenes Kino in Kurzformat, und der grausige Befund seiner Geschichten lautet: Jeder, einfach jeder kann zum Schwerverbrecher werden. » Karrieren: An der Seite des Verbrechers | | | Es sind die Gefühle, die die Menschen so handeln lassen. Also etwas, das unsere Naturwissenschaftler und Mediziner bisher noch nicht haben dingfest machen können, und sie haben doch allerhand herausgefunden! Wo sitzen diese Gefühle? Im Gehirn? Das glauben die Neurologen. Im Herzen? Das glaubte » Aristoteles, weil das Herz schneller zu schlagen beginnt, wenn sich Gefühle regen. Oder sitzen die Gefühle dort, wo alle Körperfunktionen geregelt werden, » Kleinhirn? Wo blitzschnell Schalter umgelegt werden, wenn Gefahr droht? Ein Kleinhirn besitzen die meisten Tiere. Wenn dort die Gefühle gesteuert werden, müssten Tiere ebensolche Gefühle haben wie wir. Haben Tiere Gefühle? Viele Menschen, die ich kenne, bejahen diese Frage unbedingt, aber wie ist es mit den Menschen, die grausam zu Tieren sind? Leugnen die, dass Tiere Gefühle haben? Nun gut, vielleicht sind sie auch grausam zu Menschen, und Menschen haben mit Sicherheit Gefühle. Wer als Kind Fröschen die Beine ausreißen kann, hat vielleicht als Erwachsener keine Probleme, seine Kinder zu verprügeln oder seine Mitarbeiter zu schikanieren. Ich habe mich immer gefragt, wie man zu Menschen grausam sein kann, aber das passiert ja immerzu. Müssen wir uns also wundern, wenn die Leute zu Tieren grausam sind? Kiki Kaltwasser meint, dass es gar keine Problempferde gibt, dass Problempferde zu Problempferden gemacht werden. Sie redet auch nicht über Gefühle, sondern über Regeln und Zusammenhänge, nicht passende Sättel beispielsweise, Verspannungen in der Muskulatur und was dergleichen Äußerlichkeiten sind, die es Pferden schwer machen können, auf die Wünsche der Menschen einzugehen. Das ist sicher alles richtig, aber meiner Ansicht nach viel zu wenig. Nehmen wir beispielsweise den gefährlichen Hengst Om El Assadik aus dem Luxusgestüt in Schardscha - der hat sicherlich einen wunderbar passenden Sattel und bestimmt keine Muskelverspannungen. Solche Dinge hat man dort mit absoluter Sicherheit als Erstes untersucht. Trotzdem konnte man mit dem Pferd nicht umgehen.
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