| | Aufmerksamkeit, Wachsamkeit, Vorsicht | | | |
| | | | Sieht erstmal nicht so aus. | | | |
| | Nun ist dieser Hengst kein Teufel, wie ich im vorigen Abschnitt getitelt habe, sondern erst einmal ein ganz normales Pferd, das in erster Linie seinen Instinkten verpflichtet ist. Wenn dieser Hengst auf einen Platz geführt wird, den er vermutlich mit Erinnerungen und Gefühlen verbindet, die ihm nicht ganz angenehm sind, und er dort auch noch von einem deutschen Kamerateam empfangen wird, muss man sich nicht wundern, wenn er die Ohren spitzt. Daran ist also nichts weiter dran. Die Koseszenen in der Box sehen auch nicht gerade so aus, als wäre er vollkommen unzugänglich. Im Gegenteil streckt er seinen Kopf der Gestütsleiterin durchaus zutraulich entgegen. Und er lässt sich von Neuhauser, den er ja höchstens erst ganz kurz kennt, ohne weiteres mit durchhängendem Zügel auf den Platz führen. Man darf nicht vergessen, dass der Weg durch das Gestüt führt und unzählige Stuten den Hengst begierlich begaffen. Nach einer Runde auf dem Platz geht es allerdings los. Der Hengst steigt, Neuhauser kommt in Not. Das sieht gar nicht gut aus. Und beim Versuch, den Hengst zu satteln oder gar zu besteigen, wird das Geschehen vollends unberechenbar und die Stimmung schlägt in Panik um. Die Szenen, die in der ZDF/ARTE-Dokumentation: Das Geheimnis der Pferdesprache und in der DVD HJN-Reiten gezeigt werden, zeigen, dass die Gestütsmitarbeiter Angst vor dem Hengst haben. Das ist verständlich, müssen sie doch um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten. Aber warum können sie nicht fragen, warum dieser Hengst sich so verhält? Für Hans-Jürgen Neuhauser war die Sache offenbar sofort klar. Ich wiederhole noch einmal, was ich schon in der letzten Woche zitiert habe: | HJN: Der weiß, wenn ein Mann mit etwas in der Hand kommt macht's Aua! Und bevor sie ihm weh tun, tut er dir weh. Das heißt du kannst weder mit der Longe wedeln, noch mit einer Longiergerte, Longierpeitsche hingehen, der attackiert dich und du kommst dann nicht mehr raus. DVD HJN-Reiten, Gesamttext | | | Wie kommt der da drauf? Und warum sehen die andern das nicht? Er erkennt, dass der Hengst Angst hat. Dass seine Aggressivität reine Notwehr ist. Diese Angst muss nicht unbedingt damit zusammenhängen, dass man ihn irgendwann mal verprügelt hat; es reicht, wenn man mit ihm so umgegangen ist, dass es für ihn sehr unangenehm war. Und ist es nicht immer dann unangenehm, wenn jemand mit einem etwas macht, ohne Rücksicht auf einen zu nehmen, ohne zu fragen, wie es ihm geht, und was das mit ihm macht, was er mit ihm macht? Nennt man das nicht eigentlich eine Vergewaltigung? Und weiß man nicht schon lange, dass eine Vergewaltigung immer mit einer gewaltigen Traumatisierung einhergeht? Wenn Sie das Buch von Kiki Kaltwasser kaufen sollten, schauen Sie sich bitte sorgfältig die zahlreichen Fotos von der Rennbahn an: Es sind allesamt Negativbeispiele. Frau Kaltwasser wohnt in » Iffezheim; dort gibt es die berühmten » Galopprennen. Die Aufnahmen sind vermutlich dort gemacht. Da gehen die Fachleute mit den Pferden genauso um wie die Fachleute im arabischen Gestüt, voller Angst und mit entsprechender aggressiver Energie. Und die Pferde sind außer sich. Man braucht keine Brille, um zu sehen, dass diese armen Geschöpfe missbraucht werden. Dass man sich um deren Gefühle und Bedürfnisse keinen Deut schert. Dass es nur darum geht, sie zum Funktionieren zu bringen. Vielleicht, weil man sich anders nicht zu helfen weiß. Ganz bestimmt sogar, denn normalerweise wäre eine solche Vorgehensweise viel zu aufwändig und anstrengend. Und unprofessionell. Ein Profi zeichnet sich ja dadurch aus, dass alles wie von selbst zu gehen scheint, ohne Anstrengung, wie durch Zauberkraft. Das Gegenteil ist hier der Fall. Also ein Ausweis der Unfähigkeit.
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