| | Die Muttertiere schonte er. Den Widerstand der Hengste brach er mit Gewalt. Nach 1000 Jahren Zuckerbrot und Peitsche ist Kamerad Pferd geboren. Die Geschichte kann losgehen. Aus Stern, Horst: Bemerkungen über Pferde | | | |
| | Wenn Pferde nun aus anderen Gründen unabhängig von sexuell motivierten Rangkämpfen so gewinngeil wären, etwa weil sie vom Fluchtinstinkt ergriffen ihr Äußerstes gäben, wäre nicht einzusehen, daß diese etwa im Galoppsport regelmäßig mit der Gerte bearbeitet werden, denn dann bedürften sie dieser schmerzhaften Stimulation nicht. Diese Praxis muß besonders verwundern, weil Untersuchungen vorliegen, die beweisen, daß durch die Prügelei die Leistung nicht verbessert, sondern verschlechtert wird. Die Aufklärung ist einfach: Der Jockey kann nämlich auf diese Weise und nur so den Besitzern und Wettern gegenüber nachweisen, daß er sein Äußerstes getan hat und sein schlechtes Abschneiden also ausschließlich dem Pferd zu verdanken ist. Das Pferd kriegt es also ab, obwohl es nichts dazu kann und nichts davon hat.
In diesem Sinne hat » Horst Stern in seinem Buch » Bemerkungen über Pferde dem Galoppsport ebenfalls einige Bemerkungen gewidmet. Im besonderen wettert er gegen die Vermenschlichung, die man den Gewinnern unterschiebt, indem ihnen ein Siegeswille attestiert wird. Demgegenüber stellt Stern fest, daß die Ohren der Pferde im Galopprennen immer nach hinten gerichtet sind und deshalb als Ausdruck der Panik auf der Flucht gewertet werden müssen - alles andere ist Unfug. Die Wertvorstellungen der Menschen sind Tieren völlig fremd und müssen es auch immer bleiben. Der Mißbrauch der Pferde durch den Menschen ist nur durch diese zu verantworten und kann nicht entschuldigt werden. Das galt vor 40 Jahren genauso wie heute - getan hat sich wenig.
Wenn auch die Jockeys sich damit herausreden mögen, daß die Prügelei als Argument gegenüber den Menschen notwendig sei, so sind sie es doch, die das tun. Genauso wie in der Folterszene bei den Militärs oder in der Pornoindustrie oder in jeder beliebigen Diktatur und bekanntermaßen auch in Demokratien braucht man immer Menschen, die bereit sind, so etwas zu tun. Auch in unserem Lande gab es bekanntlich in der Vergangenheit eine überwältigende Bereitschaft, aktiv an Greueltaten teilzunehmen, und auch in der Gegenwart flammt immer wieder einmal die Diskussion auf, ob man nicht unter gewissen Umständen zum Mittel der Folterung nicht nur greifen dürfe, sondern müsse - selbstverständlich im Namen höherer Ziele. Wieder einmal stellt sich die Frage, ob der Zweck das Mittel heiligen darf.
Aber zunächst muß man sich den Motivationen des Menschen zuwenden - warum tun die Menschen alle diese schrecklichen Sachen, Tiere quälen, selbst wenn sie es nicht wollen, warum empfinden sie Lust und Vergnügen beim Quälen von Tieren und Menschen? Damit diese Frage nicht so abgehoben und fremd im Raum steht: Warum setzen die Reiter weltweit ganz selbstverständlich Gebisse, Sporen, Gerte und Peitsche ein und fügen damit bewußt den von ihnen geliebten Pferden Schmerzen zu?
Aber es sind ja nicht nur Tiere, die gequält werden, und es werden nicht nur solche Menschen gequält, die sich quälen lassen wollen. Wenn überhaupt keine Bereitschaft zu einem quälerischen Handeln bestehen würde, erübrigte sich die ganze Diskussion. Von den politisch oder strafrechtlich motivierten Folterungen wollen wir gar nicht reden - die zur persönlichen Lustgewinnung der Quälgeister vollbrachten Untaten reichen völlig aus. Ich habe im Editorial › Planung schon unter dem Stichwort "Prügelstrafe" den als Philosophen gehandelten Erzvater der Sadisten erwähnt, der als Verfechter und Prophet der absoluten persönlichen Freiheit ernstgenommen wird, diese jedoch nur dazu mißbrauchen konnte, andere für sich leiden und sterben zu lassen.
Ob das der eingeschränkten Lustfähigkeit des Marquis » de Sade überhaupt auf die Füße geholfen hat, ist mir bisher noch nicht klar geworden, aber seine Phantasien haben ihrerseits wiederum viele andere, die unsere Kultur nachdrücklich beeinflußt haben und beeinflussen, begeistert und angeregt, entsprechende Bilder und Handlungen als Buch, im Film oder als Videospiel zu inszenieren, und diese Produkte werden bekanntlich vom Markt sehr nachgefragt. Krimis, Horrorfilme, Splatter etc. - alles das steht hoch im Kurs, ein Ende der Eskalation ist gar nicht abzusehen. Womit wir wieder bei der Nachfrage sind, die die Produktion ankurbelt. Es gibt offenbar unglaublich viele Menschen, die auf solche Sachen wahnsinnig heiß sind. Hier werden also elementare Bedürfnisse ausgelebt und befriedigt. Wer seinem Pferd im Maul reißt, ihm die Sporen in die Rippen haut oder ihm mit der Gerte eins überbrät, tut solches nicht, weil es ihm geboten ist, weil er nach sorgfältiger Überlegung zu dem Schluß gekommen ist, daß dies für das Pferd das Beste und deshalb notwendig ist, sondern er macht das, weil ihm danach ist. Er fühlt sich gut dabei und hat gar keinen Anlaß, an sich selbst zu zweifeln.
Deshalb bin ich im Gegensatz zu Nevzorov sehr skeptisch, ob sich an den bestehenden Verhältnissen sehr schnell etwas ändern wird. Aufklärung ist sicher notwendig, kann aber bestimmt nur ganz wenig bewirken. Nichtsdestotrotz stimme ich ihm im Prinzip zu. Die Menschheit hat sich tatsächlich, wenn auch entsetzlich langsam und mit fürchterlichen Rückschlägen, in Richtung auf mehr Humanität, Menschlichkeit, Mitfühlen mit der belebten und sogar der unbelebten Natur, insbesondere den doch noch relativ verwandten Säugetieren entwickelt. Hoffnung besteht also.
Gleichzeitig aber ist auch die Instrumentalisierung fortgeschritten. Schweine, Rinder, Geflügel, Fische werden weithin lediglich als Rohprodukte unserer Nahrung angesehen. Noch in meiner Jugend hatten die Kühe des Bauern individuelle Namen und wurden auch damit angesprochen. Für die Schweine und das Geflügel galt das nicht, nur für die Pferde gilt es heute immer noch. Die Produktionsbedingungen in fleischproduzierenden Betrieben sind bekanntermaßen fürchterlich grausam. Die wünschenswerte wirtschaftliche Entwicklung der Entwicklungsländer und die bereits galoppierende Entwicklung bevölkerungsreicher Länder wie Indien und China verstärken die Nachfrage nach Fleisch ganz ungemein. Die Folgen für die Tiere und für die Erde insgesamt sind unabsehbar. Bekanntlich braucht man ein Vielfaches an pflanzlicher Nahrung für Tiere, um daraus Fleisch herzustellen. Die angemessene Behandlung der Pferde ist in diesem Zusammenhang wahrlich zu vernachlässigen.
In der nächsten Ausgabe möchte ich einerseits untersuchen, wie sich ein solcher Bewußtseinswandel in einem Individuum vollziehen kann, und mich andererseits der Frage widmen, was eigentlich wirklich hinter den sportlichen Ambitionen steht.
Quellen / Verweise
Abbildungen
› Werner Popken und wie angegeben
| |