Barbara Siebert erkennt die erz�hlerische Meisterschaft ebenfalls an, lenkt den Blick jedoch auf die hippologischen Sachverhalte, um zu belegen, wie unm�glich die Szene aus dieser Sicht ist:
| Auf diese Art angerufen (die sehr an das "Geheimnis" erinnert), wei� der Hengst, was zu tun ist; er "antwortet" mit einem tiefen, grunzenden Ton, der als Ausdruck der Begeisterung interpretiert wird, knirschte in den Stahl des Gebisses, nimmt Anlauf und springt, derweil der Reiter oben auf seinem R�cken sehr merkw�rdige Bewegungen ausf�hrt, die unterst�tzend wirken sollen, aber allen Gesetzen der Physik v�llig widersprechen:
Straff die Z�gel, legte ich mich weit nach vorn nieder. ...
Das brave, unvergleichliche Tier setzte an und scho� hoch empor. Einen halben Augenblick lang befand ich mich �ber der grauenhaften Tiefe. Ich lie� die Z�gel schie�en und warf mich nach hinten, so gef�hrlich und unsinnig dies auch erscheinen mag [allerdings!]. Ich mu�te das thun, um das Vorderteil des Pferdes zu entlasten und nicht abgeworfen zu werden. H�tte ich mich nicht nach hinten geworfen, so w�re ich verloren gewesen; denn trotz der Unvergleichlichkeit des Rappen und trotz der Kraft, mit welcher er sich �ber den Abgrund schnellte, gelang der Sprung nicht vollst�ndig. Rih fa�te nur mit den Vorderhufen das Gestein.
Unvergleichlicher Rappe hin oder her: allein schafft er diesen Sprung nicht, die Unterst�tzung seines (heldenhaften) Reiters muss zu Hilfe kommen. Hier wird die Unkenntnis des Autors �berdeutlich: Im Sprung, �ber dem Abgrund will Kara Ben Nemsi die Z�gel loslassen und sich nach hinten werfen, damit also dem Pferd mit seinem Gewicht (helfend!) "in den R�cken fallen". Die Situation zeigt sich also wie folgt:
Rih rennt in vollem Lauf auf die Spalte zu, bekommt den (verbalen) Hinweis auf Springen, springt auf Zuruf hoch und dr�ckt ab, schafft es jedoch nicht ganz, aber klammert sich mit den Vorderhufen (wie ein Affe) am Gestein der gegen�berliegenden Kante fest. Sein Reiter "hilft" weiter:
"'ali, 'ali!" schrie ich abermals und warf mich nach vorn, dem Pferd den Lasso, welchen ich noch in der einen Hand hielt, nach hinten unter den Bauch und zwischen die Beine schlagend. Dadurch wurde die Hinterhand entlastet [!].
Nicht genug damit, dass Rih wie ein Klammeraffe mit den Vorderbeinen am Felsen h�ngt, jetzt wirft sich sein Reiter wieder nach vorne, w�hrend er ihn gleichzeitig (!) mit dem geflochtenen Riemen zwischen die Hinterbeine schl�gt, um die Hinterhand zu entlasten! Wenn die Darstellung dieses Geschehens nicht so l�cherlich w�re, k�nnte der Gedanke an den Tierschutzverein aufkommen!
Die Reaktion des Hengstes auf den Schlag l�sst nicht lange auf sich warten:
Rih hatte noch nie einen Schlag von mir erhalten. Als er den Lassohieb an dem empfindlichsten Teil seines K�rpers f�hlte, warf er die Hinterhufe hoch an den Bauch herauf, kr�mmte sich zusammen, da� der Sattelgurt zerplatzte und - - fa�te nun auch hinten Fu�. Ein gewaltiger Sprung - ich st�rzte mit dem Sattel herab, und das Pferd scho� noch eine Strecke vorw�rts, um dann stehen zu bleiben.
Geschafft! Trotz kleiner Verluste (Sattelgurt) sind Heldenross und -reiter auf der anderen Seite angekommen. Gl�cklicherweise hatte auch der Sattel sich noch kurze Zeit der Erdanziehungskraft widersetzen k�nnen - nicht auszudenken, wenn er in dem Moment, als der Gurt riss, wie ein normaler Reitsattel reagiert h�tte und in die Schlucht gest�rzt w�re! Der ganze Vorgang - einschlie�lich aller "Aktivit�ten" der beiden wie Abspringen, Vor- und Zur�ckwerfen, Ausholen und Zuschlagen, Kr�mmen und Springen - hatte nur eine, nur zwei Sekunden gedauert. Da setzt schon der Schut zum Sprung an; dessen englischer Vollbl�ter erreichte die diesseitige Kante nicht einmal, Ross und Schurke st�rzen in die Tiefe.
Die �berlegenheit und der daraus resultierende Sieg des Guten �ber den B�sen lie�en sich zwar sicherlich realistischer darstellen, aber keinesfalls ergreifender.
Das Herz des Lesers "rast" nach diesem Sprung, die Erleichterung �ber das Gelingen der reiterlichen Meisterleistung Kara Ben Nemsis l�st die Spannung.
Die symboltr�chtige F�higkeit Rihs, als einziges Pferd mit seinem Reiter den t�dlichen Abgrund zu �berwinden, liegt klar auf der Hand. "Es war, als ob er sehr genau wisse, da� w i r e i n a n d e r d a s L e b e n g e r e t t e t h a t t e n."
� Barbara Siebert: �Ich sa� so ruhig im Sattel wie auf einem Stuhl� | | |
Kara Ben Nemsi schl�gt sein Pferd! Das ist so au�ergew�hnlich, da� Avenarius diese Handlung bei der Analyse der Passage ber�cksichtigt. Aber an dieser Stelle mu� ich leider Schlu� machen, der Artikel ist schon reichlich lang geworden. Eigentlich hatte ich gehofft, das Thema Karl May in dieser Woche abschlie�en zu k�nnen. Nun sehe ich, da� mir das nicht gelingt; ich habe noch nicht einmal alle Fragen beantworten k�nnen, die ich eingangs gestellt habe.
Damit ich Ihre Geduld aber nicht �berm��ig strapazieren mu� und die laufende Serie weitergehen kann, schalten wir in der n�chsten Woche neue Lektionen in der Reitlehre von Gudrun Schultz-Mehl ein. Danach komme ich auf Karl May zur�ck und glaube, da� ich noch Interessantes zutage f�rdern werde; so wie in dieser Ausgabe mit dem interessanten Text von Avenarius, auf den ich zuf�llig gesto�en bin - durch seinen Kommentar zur �u�erung von Marcel Reich-Ranicki. Wie ich die gefunden habe, kann ich gar nicht mehr rekonstruieren.
Quellen / Verweise
- � Silkirtis Nichols
- � Carl-Heinz D�mken
- � D�mken, Carl-Heinz: Ich duze alle Pferde. Ein Pferdebuch.
- Karl May: Gesammelte Reiseerz�hlungen Bd. XX: Satan und Ischariot I. Freiburg 1897, S. 254f.; Reprint Bamberg 1983
- � Barbara Siebert: "Ich sa� so ruhig im Sattel wie auf einem Stuhl"
- � Hochstapelei
- � Arno Schmidt
- � Arrh! No!! Schmidt!!!
- � Philosophie und Philosophieren mit Kindern im Religionsunterricht
- � Hans Wollschl�ger
- � Karl-May-Gesellschaft e.V.
- � James Joyce
- � Ulysses
- � Ver�ffentlichungen zu Karl May
- � "Tiere sehen dich an" oder Das Potential Mengele
- � Arno Schmidt und Karl May
- � Zweitausendeins. Anders seit 1969
- � Suchergebnisse f�r: May,_Karl
- � Marcel Reich-Ranicki
- � Frankfurter Allgemeine
- � Man mu� zugeben: ein erstaunlicher Erz�hler
- � Alexander Avenarius
- � Sind Texte von MRR Trivial-Literaturkritik?
- � Bratislava
- � Slowakei
- � Karl May, der unverstandene Triviale
- � Karl-May-Verlag
- Karl May: Mein Leben und Streben (1908-10), Kap. 5, S. 147f, Kap. 8, S. 234, nach Avenarius, S. 29
- � Der "ganze Karl May": Eine "fr�hliche Wissenschaft"
- � Karl-May-Gesellschaft
- � Karl May, das Strafrecht und die Literatur
- � Claus Roxin
- � Wie w�rden Sie entscheiden?
- � Karl May, das Strafrecht und die Literatur
- � Avenarius� Book of Quotations: Karl May
- › Mit Pferden auf Du und Du, �ber die Seelenverwandtschaft
› Ausgabe 440 · Teil 1 - › Die Sehnsucht nach Pferden, Karl May und die Wundertiere
› Ausgabe 441 · Teil 2 - › Karl May als Pferdefl�sterer, Superman-Phantasien im Sattel
› Ausgabe 444 · Teil 3 - › Hochstapler unter sich, (Chief) Buffalo Child Long Lance - wer?
› Ausgabe 445 · Teil 4
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