Die Bläser haben längst Formation angenommen und geben angesichts des Ansturms ihr Bestes. Das 1. Feld ist stets genauso schnell wieder weg, wie es gekommen ist.
Auf den Zuschauerwagen kann ich beobachten, dass nun die letzten Kameras startklar sind. Das 1. Feld haben diese Zuschauer zwar dank der japanischen Technik verpaßt - aber egal, in der Ferne naht ja das 2. Feld.
Wer hier reitet, könnte auch im 1. Feld dabei sein, geht - oder reitet bzw. springt - aber lieber auf Nummer sicher. Man muss sich nichts beweisen. Hier reiten mehr Frauen als Männer mit. Die meisten Sprünge werden anstandslos genommen.
Nur manchmal ist es den Pferden einfach nicht klar zu machen, warum sie unbedingt springen sollen, statt einfach um die Hindernisse herumzulaufen. Auch hier lassen die Bläser wieder ihre Hörner erschallen. Sie spielen nur etwas länger als beim 1. Feld, weil das 2. Feld mehr Reiter hat und sich länger streckt.
Nun tritt für einen längeren Moment Ruhe ein, weil das 3. Feld auf sich warten lässt. Aber nach einer ganzen Weile erscheinen auch sie am Horizont, traben stolz auf uns zu und ignorieren elegant alle Hindernisse. Den Bläsern geht beim 3. Feld allerdings regelmäßig das Repertoire aus, so dass sie die Stücke immer wieder von Neuem zu spielen beginnen.
Bei alldem steht mein Filmteam grundsätzlich an der falschen Stelle und kämpft gegen das Gegenlicht der tiefstehenden Herbstsonne und gegen meine zwölfjährige Beifahrerin an, die - um selbst besser sehen zu können - ebenso grundsätzlich im Weg steht.
Dieser Rhythmus wird nur durch die beiden Pausenstopps unterbrochen. Hier gibt es Bratwürste, Kaffee, Limo oder einen Schnaps. Hier vertreten sich die Reiter ihre Beine und tauschen erste Erfahrungsberichte aus. Es ist die Stunde der Mädchen, die die Pferde jetzt warm halten, indem sie die Tiere im Schritt bewegen.
Für den Einritt in einen der Pausenstopps muss die Straße von der Feuerwehr wieder einmal für einen etwas längeren Zeitraum gesperrt werden. Keine Hauptstraße, sondern eine kleine Landstraße, auf der sich nur einige ortsansässige Sonntagsausflügler befinden.
Wer mit seinem Auto nicht warten will, nimmt kurzerhand eine andere Strecke. Für die meisten Autofahrer ist die Kolonne der Reiter aber eine willkommene Attraktion. Wer hier vorbeikommt, kennt sich meistens.
Nur ein Wagen fällt auf. Es ist das Kabriolett einer Frau, deren Pferd im selben Stall steht wie die Traber des Feuerwehrhauptmanns. Die Frau will nicht warten.
Sie ruft dem Feuerwehrhauptmann entgegen, dass sie doch nur in den Stall fahren wolle. Er entgegnet ihr mit fester Stimme, dass sie dieses im Moment eben gerade nicht könne. Die Frau erkennt die Autorität ihres Stallnachbarn jedoch in keiner Weise an, lässt die Pferdestärken ihres Wagens spielen und kriecht Zentimeter um Zentimeter auf den Uniformträger zu.
Der Mann bleibt standhaft. Aus der Entfernung sieht es so aus, als würden sich Stoßstange und Schienenbeine bereits berühren. Seine Beine müssen aus Stahlbeton sein. Ich bewundere diesen Mann. Angesichts der Bedrohung wächst der Feuerwehrhauptmann förmlich über sich hinaus. Er schwingt seine Kelle vor dem Wagen und die Motorhaube des Kabrios gerät in ernsthaft Gefahr. Glücklicherweise bleibt das Auto unversehrt, weil zwischenzeitlich auch das letzte Pony im Zickzack auf die Weide des Pausenplatzes zuckelt.
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