| | Ein Bild aus glücklichen Tagen: Cara und Finn | | | |
| Mein Vater war natürlich entsetzt und bekam die Diagnose erläutert: Colitis X, eine vom Verlauf der gut bekannter Durchfallerkrankung, für die es zur Zeit weder Theorie noch Therapie gibt; sie führt im Regelfall in wenigen Stunden zum Tode. Daher das schnelle Urteil.
Zur Sicherheit rief er einen erfahrenen Kollegen hinzu, der ebenfalls binnen zehn Minuten zur Stelle war. Auch er stellte ohne lange Untersuchung die gleiche Diagnose mit den gleichen Aussichten auf Besserung.
Daraufhin rief mein Vater Zuhause an: "Merle, Cara ist totkrank. Die Chancen stehen sehr schlecht. Möchtest du noch vorbeikommen?" Ich dachte in dem Moment, mein Herz bleibt stehen. Ich fuhr natürlich sofort mit meiner Muttter und Schwester zum Stall.
Cara war schweißgebadet und zitterte. Sie sah aus, als würde sie im nächsten Moment sterben. Ich konnte diese plötzliche Veränderung einfach nicht verstehen. Noch vor ein paar Stunden war ich bei ihr gewesen und hatte keinerlei ungewöhnliches Verhalten oder Aussehen bemerkt.
In diesem Zustand konnte man Cara gar nicht transportieren. Die Ärzte versuchten, ihr eine Infusion zu verabreichen, um sie transportfähig zu machen. Zweimal ein Liter wurden über eine Kanüle in ein Blutgefäß am Hals eingerichtet; wir waren alle froh, daß das funktionierte. Sie ließ sich sogar verladen.
Gegen 19 Uhr wurde sie in die Tierklinik gebracht. Dort wartete bereits der Chefarzt; er war über Hunderte von Kilometern berühmt, man brachte die Pferde von weit her zu ihm - er sollte wissen, was mit Cara los war.
Leider bestätigte er sofort die Diagnose seiner Kollegen und meinte lediglich, er hätte wohl schon einmal von Fällen gehört, in denen Pferde Colitis X überlebt hätten. Selbst erlebt hätte er es allerdings noch nie. Wir sollten uns bloß keine falschen Hoffnungen machen.
Bei Colitis X handele es sich um eine nicht erklärbare, oft vor Turnieren oder ähnlichen Ereignissen und immer plötzlich auftretende Krankheit. Sie stellten Cara in einen engen Ständer aus Eisenrohren und Holz, damit sie nicht zu einer Seite wegkippen konnte, und legten wieder eine Infusion an, diesmal mit einem 10-Liter-Kanister.
Wir konnten nicht weiter helfen und mußten sie über Nacht ihrem Schicksal überlassen. Als mein Vater am nächsten Morgen in der Klinik anrief, erwartete er nur noch die Nachricht von ihrem Tod. Der Chefarzt war am Apparat; er war die ganze Nacht bei ihr gewesen: "Sie lebt noch! Ich kann es selbst kaum glauben, aber sie hat wohl das Schlimmste überstanden." Manchmal geschehen doch Wunder! In der Nacht hatte er noch einen zweiten Kanister angelegt.
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