Carl Spitzweg, Deutschland Die Post um 1880,Öl auf Karton, 33x22 cm, Essen-Bredeney, Gesellschaft Kruppsche Gemäldesammlung, Villa Hügel
Durch eine enge Gasse kommt eine zweispännige Postkutsche auf einen kleinen Platz gefahren, anscheinend in scharfem Trab, die beiden Schimmel scheinen in verschiedene Richtungen zu drängen, das Federvieh im Vordergrund flieht, eine Mutter kommt rechts vorne aus dem Haus und ruft nach ihren Kindern, die Wäscherinnen am Brunnen blicken neugierig auf, der Wagen scheint zu schwanken und paßt gerade so eben in die enge Gasse. Natürlich fehlt auch der gelangweilte Wachtposten nicht, ein paar Pfützen zieren die Straße, es hat wohl stark geregnet, jetzt aber ist der Himmel wieder blau, man sieht ein kleines Fleckchen, der späte Sommertag neigt sich, und ursprünglich müssen die Farben wohl sehr kontrastreich gewesen sein, aber nun ist die ganze bunte Szene von einem bräunlichen Schleier überzogen.
Carl Spitzweg, 1808 - 1885 Zweiter von drei Söhnen eines sehr erfolgreichen Kaufmanns, sollte er nach den Plänen des Vaters Apotheker werden. Die schulische Laufbahn endete mit einem Abbruch und der geplanten Apothekerlehre, der sich ein Studium der Pharmazie anschloß. Zwischenzeitlich verstarb der Vater und Carl entschloß sich, Künstler zu werden. Eine akademische Ausbildung hat er nie erhalten. Er ist bekannt als Maler von Sonderlingen, umgab sich mit Sonderlingen und war auch selber einer. Im Alter war er sehr anerkannt und berühmt.
Kommentar · 09.02.2002 Von Werner Stürenburg
| | | | Der ewige Hochzeiter, Ausschn. um 1855/58, Öl auf Leinwand 48,2 x 27,5 cm, Privatbesitz | | | | Ein Bild kann immer nur zu den Augen sprechen, aber hier wird deutlich, daß die Szene eigentlich einen furchtbaren Krach produzieren muß.
Man kann zwar nicht genau erkennen, wie die Straße beschaffen ist, aber man darf wohl annehmen, daß sie mit groben Pflastersteinen belegt ist. Die Räder werden mit Eisen beschlagen sein, und bei dem Tempo muß es einfach laut sein.
Die Städte waren vermutlich in der guten alten Zeit auch nicht leiser als heute, vielleicht sogar lauter. So ein Postillion hatte ein Horn und benutzte das auch.
Heute ist die Hupe außer in Gefahrenfällen verboten. Auf dem Lande hört man selten einmal ein Martinshorn, während man in der Stadt zu jeder Tages- und Nachtzeit davon belästigt werden kann.
Wie man sehr schön sehen kann, war alles ganz eng, die Nachbarn konnten sich gut in die Fenster schauen und das Leben war vermutlich wesentlich öffentlicher als heute. Jeder wußte alles von allen. Heute beklagen sich die Leute darüber, daß sie ihre unmittelbaren Nachbarn nicht kennen. Man kann in seiner Wohnung sterben und niemand merkt es, weil einen keiner kennt. Auch auf dem Lande, und in der Stadt sowieso.
Spitzweg schildert sehr häufig genau diese fehlende Privatheit, z.B. bei Liebeshändeln: der Heiratsantrag des ewigen Hochzeiters findet in aller Öffentlichkeit statt, die vielen neugierigen Nachbarn werden sorgfältig notiert.
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