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Editorial zu Ausgabe 479

 
W. Popken im Fenster
Selbstportrait 08/2004
 
 
01.06.2008

Spendenschecks

In dieser Woche habe ich zum erstenmal einen symbolischen Vorgang fotografiert, den ich schon oft als Foto gesehen habe: die Übergabe dreier Schecks, riesengroßer Schecks, damit auch auf der Abbildung in der Zeitung noch gut lesbar ist, worum es sich handelt. Solche Fotos werden regelmäßig gemacht, wenn jemand etwas spendet und diese Spende, sofern sie jedenfalls aus schnödem Mammon besteht, publikumswirksam überreicht werden soll.

Ich war so beschäftigt, daß ich erst später bemerkte, daß es sich um drei verschiedene Beträge handelte, als wenn es sich um einen ersten, zweiten und dritten Preis handeln würde. Die Beschenkten markierten spontane Freude, die Kollegen gingen alle in die Knie, um ihre Fotos zu machen, und ich überlegte mir, was damit wohl bezweckt werden sollte - soll der Zeitungsleser von unten auf die prominenten Herrschaften aufblicken?



Porträtfotos

Dabei kam es doch auf etwas ganz anderes an: sechs Individuen so abzulichten, daß jeder Einzelne möglichst vorteilhaft zur Geltung kommt. Da sich alle ständig bewegten und mal der eine hierhin, der andere dahin schaute, wieder ein anderer ein glückliches Empfängerlächeln aufgesetzt hatte, während der nächste diese Maske schon längst nicht mehr halten konnte, bemühte ich mich lediglich, so viele Fotos wie möglich zu schießen in der Hoffnung, daß wenigstens eines einigermaßen brauchbar sein möge.

Als Hintergrund hatte man einen riesigen Rhododendronbusch gewählt - schließlich kam ein Kollege auf die Idee, daß man ein Pferd ins Spiel bringen müsse, wo es sich doch um das Ergebnis einer Pferdeveranstaltung handelte, und schlug die beiden auf der benachbarten Wiese grasenden Pferde vor. Also bewegten wir uns ein paar Meter weiter, wo die Hausfrau die beiden als Mutter und Sohn vorstellte. Die Wiese war mit einer einfachen Litze gesichert. War nun Strom drauf? Ulrich Meyer zu Bexten diskutierte kurz mit seiner Frau, die versicherte, daß der Zaun ohne Spannung sei. Wenn das die Versicherung wüßte!



Gruppenbild mit Pferd · © 2008  
Gruppenbild mit Pferd
Mit Pferd

Auf der Wiese gestaltete sich das Porträtfoto noch schwieriger. Standen alle Beteiligten vorher eng beisammen, ergab sich nun in der Mitte eine Lücke, nämlich dort, wo das Pferd stand, der vierjährige Sohn. Die Mutter graste derweil abseits ruhig weiter. Dabei stellte sich das Pferd als durchaus gutmütig und kooperativ heraus - es gab keinerlei Anlaß, Berührungsängste zu entwickeln.

In diesem Durcheinander war es noch schwieriger, ein vernünftiges Foto zustande zu bringen. Einem Kollegen fiel dann auf, daß das Pferd nicht richtig guckte! Es verriet durch das Spiel seiner Ohren, daß ihm die Sache doch nicht so ganz geheuer war. Aber das war die Gelegenheit, seine Erfahrung beim Porträtieren von Pferden unter Beweis zu stellen.

Er zog sein Taschentuch aus der Tasche und wedelte damit vor meiner Kamera herum, um die Aufmerksamkeit des Hengstes zu erregen - und hatte Erfolg damit! Dieser spitzte die Ohren und sah überaus fotogen aus, jedenfalls für einen Moment. Schade nur, daß die Menschen nicht recht mitspielten und die Gruppe sich weit auseinanderzog. Infolgedessen wirkt das Pferd so klein, daß man es kaum noch erkennt und am besten was dazu sagt, damit es nicht untergeht.



Symbolwert

Es würde mich wundern, wenn diese überdimensionalen Schecks gültig wären. Genauso würde es mich wundern, wenn sie komplette Vortäuschungen darstellten. Vermutlich sind tatsächlich drei Schecks ausgestellt worden, die auch wirklich als Schecks eingelöst werden sollten. Von diesen echten Zahlungsmitteln hat dann eine entsprechend ausgestattete Werbeagentur speziell für unsere kleine Pressekonferenz extreme Vergrößerungen hergestellt, stelle ich mir vor. Denn bei der nachträglichen genauen Betrachtung der Fotos konnte ich kein Anzeichen für eine bloße Vorspiegelung erkennen. Selbst das Datum paßte genau.

Wenn dem so war, sind die überreichten Riesenschecks nicht einfach nur Symbole, sondern überdimensionale Kopien der echten Zahlungsmittel, die mit den Summen identifiziert werden müssen, für die sie stehen. Die Heiterkeit und Freude, die Spender und Empfänger üblicherweise zum Ausdruck bringen, sind vermutlich nicht vorgetäuscht, denn beide handeln gewissermaßen nur stellvertretend - der Spender hatte nie die Absicht, diese Summen persönlich in Anspruch zu nehmen, der Empfänger nimmt sie nicht für sich, sondern für den guten Zweck, für den er sich engagiert, entgegen. Auf diese Weise wird konkret faßbar, daß Geld weder gut noch böse ist, sondern lediglich ein Potential darstellt - man kann etwas damit machen. Dieser Sachverhalt drückt sich sehr schön im Wort "Vermögen" aus. Wer über Vermögen verfügt, kann etwas bewirken.

 
Chefredakteur und Herausgeber
 
 




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