Meine Tiere sind meine Freunde Über das Verhältnis von Tier und Mensch von › Werner Popken
Zum Thema Wanderreiten |
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Die Haltung Tieren gegenüber, die Günter Wamser zum Ausdruck bringt, ist nicht nur in unserer Zeit recht neu und aufsehenerregend, sondern auch in Bezug auf die gesamte bekannte Menschheitsgeschichte. Die Einschränkung ist nötig, weil wir nicht wissen, wie es unsere Vorfahren angestellt haben, die Tiere überhaupt zu domestizieren. Soweit bekannt, ist in überlieferter Zeit kein Tier neu domestiziert worden.
Möglicherweise sind es Menschen wie Günter Wamser gewesen, denen wir die Domestizierung zu verdanken haben. Menschen, zu denen wilde Tiere Vertrauen aufbauen konnten, die sich in Tiere hineingefühlt haben. Menschen, die Beziehungen zu Tieren aufgebaut haben, wie sie eigentlich nur zwischen Menschen üblich sind, nämlich Freundschaften, geprägt von Verständnis und Respekt. » Jean M. Auel hat in einer Romanserie ausgesponnen, wie es wohl gewesen sein mag, als das erste Wildpferd, der erste Wolf gezähmt wurde (» Kinder der Erde). Nach ihrer Vorstellung muß es sich etwa so abgespielt haben, wie Günter Wamser es lebt.
Seine Einstellung ist keineswegs selbstverständlich, sondern eher ungewöhnlich, jedenfalls nach herkömmlichen Maßstäben. Unser Verhältnis zu Tieren ist ja im allgemeinen sehr vom Zweckgedanken geprägt, Schoßtiere ausgenommen. Wenn das Tier nicht so funktioniert wie gedacht, muß man sich ein anderes suchen. Ein solches Denken ist Günter Wamser sehr fremd. Dabei scheint er sich darüber gar nicht besonders im klaren zu sein. Als er sich seine beiden wilden Criollos an der Südspitze von Südamerika ausgesucht hat, wollte er eigentlich systematisch und rational vorgehen. Dann merkte er aber, daß das so nicht geht, aus verschiedenen Gründen.
Die Unmöglichkeit, diesen mißtrauischen Pferden ins Maul zu schauen, war eigentlich nur ein äußerer Anlaß. Der tiefere Grund blieb unausgesprochen, wurde nur zwischen den Zeilen deutlich. Man kann sich seine Freunde nämlich nicht anhand einer Prioritätenliste aussuchen. Bei solchen Dingen spielen Momente eine Rolle, die man rational gar nicht erfassen kann. Das Herz spricht mit, oder vielmehr: es spricht nicht nur mit, sondern entscheidet sogar.
Und nachdem sein Herz sich entschieden hatte, wollte er von seiner Entscheidung nicht ohne Not abweichen. Dabei fragt man sich als Leser immer wieder, wie leidensfähig dieser Mann ist, denn diese beiden Pferde hatten ja mit den Menschen keine guten Erfahrungen gemacht und deshalb keinen Anlaß, ihm anders als mit äußerstem Mißtrauen zu begegnen. Entsprechend schwierig war der Umgang. Mit unglaublicher Geduld versuchte er, ihr Vertrauen zu gewinnen.
| Mein Tag begann stets mit dem Einfangen von Rebelde und Gaucho. Sie waren jetzt von der großen Herde getrennt. Sahen sie Falko und mich kommen, liefen sie in die am weitesten entfernt der Ecke ihrer Weide. Kam ich näher, galoppierten sie an mir vorbei. Ich ließ die Tore offen und trieb die Pferde von einer Weide in die nächst kleinere. Ich ärgerte mich, denn das kostete mich jeden Tag fast zwei Stunden. Trotzdem brachte ich sie am Abend wieder auf die große Weide, da es dort das beste Futter gab. Manchmal ließ ich ihnen das Halfter an und band das Lasso daran fest. Zum einen gewöhnten sich die Pferde an die Berührung durch das Halfter und das Lasso, zum anderen konnte ich so das Ende des etwa zehn Meter langen Lassos am nächsten Tag beim Einfangen einfach wieder aufnehmen.
Das Einfangen der Pferde klappte erst dann schneller, als ich sie an Hafer gewöhnt hatte. Den Hafer fütterte ich ihnen immer in einem faltbaren Stoffeimer, den ich ihnen über den Kopf hängen konnte, so daß sie kein wertvolles Kraftfutter auf dem Boden verstreuten. Daher waren sie auf diesen Stoffeimer fixiert, kamen zwar noch nicht von alleine auf mich zu, aber wenigstens liefen sie nicht mehr vor mir weg, sondern blieben stehen. Ein erster Schritt - ein gewaltiger Schritt.
› Der Abenteuerreiter, Seite 9-10 | | |
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