| | Marjorie Smith, Barhuf-Aktivistin und Friedensarbeiterin | | | |
Friedensarbeit Wie Pferde uns helfen, bessere Menschen zu werden von E-Mail |
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Liebe Leser, in den letzten Wochen habe ich mehrfach zu hören bekommen, daß die Serie über die Hufpflege interessant und wertvoll ist. Das freut mich natürlich. Ich war selbst überrascht, wie ergiebig dieses Thema ist, und habe soeben wieder aufregende Neuigkeiten entdeckt, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.
So habe ich den Hauptartikel in Ausgabe 369 mit der rhetorischen Frage ausklingen lassen: "Oder können Sie sich vorstellen, daß die FEI in den nächsten zehn Jahren den Zwang zum Hufeisen fallenlassen würde?" Mit anderen Worten: Ich habe unterstellt, daß es einen solchen Zwang gibt. Gar nicht wahr! Es gibt inzwischen viele Spitzensportler, die vom Barhuf überzeugt sind, weil ihre Pferde ohne Eisen leistungsfähiger sind.
Aber darüber will ich in einer späteren Ausgabe berichten. In dieser Woche werde ich Neuland betreten. Ich möchte Ihnen die Gedanken einer bemerkenswerte Frau vorstellen, die weit über den Horizont eines Pferdefreundes hinauszugehen scheinen.
Innerhalb ihrer Pferdeseite hat sie nämlich Ideen zur Friedensarbeit entwickelt, die sie mit ihren Pferdeerfahrungen verbindet; möglicherweise sind diese sogar daraus entstanden. Mittlerweile hat sie diesen Ansatz weiterentwickelt und unter einer neuen Internet-Adresse veröffentlicht. Aber auch dort erläutert sie ihre politischen Ansichten unter Bezugnahme auf Pferde, selbst auf die Gefahr hin, daß ihr Publikum überhaupt keine Erfahrungen mit Pferden hat und die Gedankengänge deshalb nicht ganz nachvollziehen kann. Diese Vorstellungen sind nach meiner Ansicht so bedeutsam, daß ich sie im Rahmen dieses Pferdemagazins vorstellen möchte, auf die Gefahr hin, daß Sie sich fragen, was das denn noch mit Pferden zu tun hat.
Aber sind Pferdeleute denn eindimensional? Sie sind doch allemal Bürger eines Staates, gehen zur Wahl, zahlen Steuern und machen sich Gedanken zur allgemeinen Weltlage, die nicht unbedingt immer etwas mit Pferden zu tun haben. Weil Sie aber Pferde kennen und mit Pferden umgehen, werden Sie die politischen Gedankengänge dieser Pferdefrau viel besser nachvollziehen und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen können. Sie werden möglicherweise sogar Ihr Verhältnis zu Pferden ändern und vielleicht auch Ihr Verhältnis zu den Mitmenschen und zur Politik.
Ursprünglich wollte ich Ihnen diesen Vorstoß nur kurz und knapp skizzieren, aber je mehr ich mich damit beschäftigt habe und je mehr die Autorin publiziert hat, desto stärker hat sich herausgeschält, daß man sich dafür entweder die angemessene Zeit nehmen oder es ganz bleiben lassen muß. Also nehme ich mir die Zeit und entwickle die Gedanken langsam, damit Sie sie nachvollziehen können. Meine Randgedanken und ihre Hauptgedanken.
Ist es denn wirklich so, daß man die Beschäftigung mit Pferden vom restlichen Leben trennen kann? Wenn wir uns beispielsweise mit der Frage beschäftigen, wie Pferde angemessen gehalten werden sollen, wenn Ständerhaltung inzwischen verboten ist und Boxen für manche Leute ebenso unerträglich sind, für andere aber durchaus akzeptabel oder gar optimal, wenn manchen selbst der Offenstall nicht genügt und ein Laufstall oder Aktivstall gefordert wird, dann hat das durchaus eine politische Dimension, obwohl es sich vordergründig nur um Pferdeprobleme handelt.
Denn wir fordern für unsere Lieblinge gewissermaßen Lebensrechte ein, die auch für die Menschen erkämpft werden mußten und heute teilweise Verfassungsrang haben, etwa das Recht auf angemessene Wohnung. Umgekehrt kann ich mir vorstellen, daß der Kampf für die angemessene Umwelt und die wünschenswerte Entfaltung der Pferde entsprechende Rückwirkungen auf die Lebensumstände der Menschen haben könnte. Denn diese werden ebenfalls durch die gesellschaftlichen Umstände definiert und immer wieder anders gesehen. Der Vergleich mit den Haltungsformen der Pferde ist also nicht ganz abwegig.
Was ist menschenwürdig? Welche Lebensumstände sind dem Menschen/Pferd angemessen? Wie sollte ein Mensch/Pferd leben, damit er gesund ist und gesund bleibt und sich seines Lebens erfreut? Ein Beispiel: Die wirtschaftlichen Umstände, insbesondere die Arbeitslosigkeit, bedrücken zunehmend immer mehr Menschen. Die Konsequenzen dieser Situation werden von vielen als menschenunwürdig empfunden. Was ist das Problem, was die Lösung? Brauchen wir einfach mehr Arbeitsplätze? Oder ist das die falsche Frage?
Die ehemalige DDR hatte das "Recht auf Arbeit" in der Verfassung festgeschrieben. Eine entsprechende Suche » Google "recht auf arbeit" bringt etwa 160.000 Einträge, darunter » Recht auf Arbeit, » Gibt es ein Recht auf Arbeit? und » Recht auf Arbeit oder Abschaffung der Lohnarbeit? Handelt es sich hierbei wirklich um ein Grundrecht? Oder sollten wir nicht vielmehr fordern, daß sich jeder Mensch frei entfalten kann, ohne überhaupt zur Lohnarbeit (=Fronarbeit) verpflichtet zu sein, wie das Götz Werner fordert: » Wie wirkt ein bedingungsloses Grundeinkommen auf unsere individuelle Lebensgestaltung? Wie würde eine Welt aussehen, wo niemand arbeiten muß, aber jeder arbeiten kann, und zwar genau das, was ihm am wichtigsten ist, weil sein Lebensunterhalt gesichert ist?
Bedeutet ein menschenwürdiges Leben, dafür fremdbestimmt arbeiten zu müssen? Oder ist das Lebensrecht als solches schon ausreichend? Darf man Pferde nur halten, wenn diese sich ihr Brot auch verdienen (können)? Oder haben Pferde auch unabhängig von ihrem Nutzwert ein Lebensrecht? Ist es vertretbar, Pferde zu halten, ohne daß diese etwas leisten? Sind Menschen, die mit ihren Pferden nur spazierengehen, lächerlich oder genauso ernstzunehmen wie Turniersportler? Sind sie vielleicht sogar die besseren Pferdefreunde? Sind Menschen, die Pferde benutzen, zum Beispiel für den Turniersport, überhaupt Pferdefreunde?
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