Diese Schwellenwerte werden von heimischen Gräsern und hier zertifizierten Zuchtsorten in Deutschland kaum erreicht. Schon 200 ppb Lolitrem B erniedrigt die Milchleistung beim Rind jedoch um 12 % (REED (1999, B)(60)). Solche Gehalte sind für Gräser in Deutschland nicht ungewöhnlich (REINHOLZ (2000)(63)). Resistenzfördernde Endophyten werden am ehesten an Südhängen und in staunassen Senken vermutet (HESSE (2002)(37)). Pferde, Hirsche und Alpakas reagieren zudem empfindlicher auf die Gifte als Schafe und Rinder (REED (1999, A)(59)). Einzelne Individuen zeigen Symptome, lange bevor andere Tiere erkranken (REED (1999, B)(60)). Da die Fähigkeit Gifte abzubauen genetisch festgelegt ist, überrascht das nicht. Die Schwingelgeschichte Die Aufklärung der Schwingelvergiftung (Tall Fescue Toxicosis, auf deutsch auch Weidegraslahmheit genannt) dauerte gut 30 Jahre. Diese Suche nach den Ursachen schwerster Tiervergiftungen ist als "Tall Fescue Endophyte Story" in die landwirtschaftliche Geschichte der USA eingegangen (BALL ET AL. (NO DATE)(5), HOVELAND (2003)(40) und (2005)(40), siehe auch REINHOLZ (2000)(63)): Bereits vor 1880 importierten die USA Wiesenschwingel-Saatgut, das vermutlich mit (infiziertem) Rohrschwingel (Festuca arundinacea, heute aufgrund seiner näheren Verwandtschaft zu den Weidelgräsern als Lolium arundinaceum bezeichnet) verunreinigt war, in großem Umfang aus England. 1898 wurde die Entdeckung von endophytischen Pilzen in Weidelgras -Samen veröffentlicht (VOGL 1898)(78)), die Bedeutung der Entdeckung wurde aber nicht erkannt. In einem steilen Bergweideland in Ost-Kentucky faßte der europ. Rohrschwingel vor 1890 Fuß. Dort fiel dieses Gras 1931 PROF. DR. E.N. FERGUS (Uni Kentucky) auf, weil es im Gegensatz zu den heimischen Gräsern auch im Winter grün blieb und sowohl bei Dürre als auch auf ärmsten Böden gedeihen konnte. Er kultivierte und testete diesen Neophyten (neu eingeschleppte Pflanze) und trug ihn 1942 als Ökotyp 131 "Kentucky 31" ein (registriert als Zuchtsorte 1972). Das "Wundergras" sprach sich wie ein Lauffeuer herum. In den 40ern und 50ern veränderte sein großflächiger Anbau die gesamte Landschaft der südl. USA, die bis dahin über Winter braun und verdorrt war. Erstmals stand den Bauern in schlechten Lagen ein Futtergras zur Verfügung, das produktiv und resistent war. Gleichzeitig traten gesundheitliche Probleme beim Vieh auf. Pleiten, Pech und menschliche Fehleinschätzungen verhinderten eine schnelle Klärung der Zusammenhänge (HOVELAND (2005)(41)). Hoher persönlicher Einsatz z.T. entgegen den Anweisungen von Vorgesetzten, die die Sache der Mühe nicht wert fanden (HOVELAND (2005)(41)), brachten die Zusammenhänge schließlich 1977 ans Licht (BACON ET AL. (1977)(4)). HOVELAND (2005)(41)) schreibt über die Hintergründe der Aufklärung der Zusammenhänge zwischen Tiervergiftungen und Endophytengiften: | J.K. UNDERWOOD und Mitarbeiter aus Tennessee bemerkten mit großem Weitblick, dass die Symptome der Tiere denen, verursacht durch Mutterkornvergiftung, glichen, aber sie verwarfen diese Möglichkeit, weil sie keine Fruchtkörper des Mutterkornpilzes (Claviceps purpurea) in Rohrschwingelsamen fanden (unveröffentlicht, 1954). Überraschenderweise wurde dieser Gedanke nicht verfolgt, möglicherweise, weil derartige unvorteilhafte Neuigkeiten den Verkauf von Rohrschwingelsamen einiger Produzenten behindert hätten (persönliche Mitteilung, H.A. FRIBOURG, wie ihm vom verstorbenen J.B. MCLAREN erzählt wurde). Statt dessen wurde die Forschung in den 1950ern bis 1970ern auf externe Pilze, pflanzliche Alkaloide, Gifte die in den Gärkammern produziert werden und Anionen konzentriert (BUSH ET AL. (1979)). | | | Die schweren Tiervergiftungen sind weltweit ein großes wirtschaftliches Problem (REINHOLZ (2000)(63)), vor allem aber in Nordamerika (DURINGER (2007, A)(25), (B)(26)), Neuseeland und Australien (REED (1996)(58), (2000)(60) und (2002)(61)). Seit den 1990ern stehen Endophyten-freie Zuchtsorten für den Handel zur Verfügung (z.B. SEED & FEED (2000)(68)). Nach anfänglicher Begeisterung trat bald Ernüchterung ein (HILL ET AL. (2002)(38)): Die Gräser zeigen ohne Symbionten geringe Resistenzen, die Gefahr der Verunreinigung mit giftigen Endophyten ist hoch, die Anlage von endophytenfreien Flächen ist teuer. Vor allem bei Überweidung während Dürre kann es zum Totalverlust der erwünschten Gräser kommen (FORAGE FOCUS (2007)(31), HOVELAND (2005)(41)), denn die Rinder meiden giftige Gräser und fressen von ungiftigen Gräsern um so mehr (BOND ET AL. (1984)(11)). In den 2000ern kamen erste (patentierte) sogenannte "freundliche Endophyten" mit erwünschten Resistenzen aber kaum Viehgiften in den Handel (REED (2002)(62)). Dabei handelt es sich um Pilzsymbionten, die zwar Wirkstoffe z.B. gegen Insekten und Schadpilze produzieren (AGRICOM & WRIGHTSON SEEDS (2006)(2), FORAGE FOCUS (2007)(31)), aber kaum oder gar keine viehtoxischen Stoffe. Hier zeigte sich, daß die Produktivität des Viehs auf Gras mit freundlichen Endophyten enorm anstieg (HILL ET AL. (2002)(38): mittl. tägl. Gewichtszunahme von Rindern auf Deutschem Weidelgras (Lolium perenne) erhöht um 600%, auf Rohrschwingel (Festuca arundinacea) um 80%). Doch auch hier tritt bereits eine gewisse Ernüchterung ein, denn wieder sind die Kosten und die Gefahr der Verunreinigung mit giftigen Endophyten hoch (JENNINGS ET AL. (NO DATE)(42)). Der Pilz kann sich nur über den Samen seiner Wirtspflanze vermehren (REINHOLZ (2000)(63)). Es werden keine Sporen gebildet, kein Pollenflug kann den Pilz verbreiten. Daher kann ein infiziertes Grünland direkt neben einem nicht infizierten liegen, ohne daß es zur Vermischung kommt (JENNINGS ET AL. (NO DATE)(42)). Wird aber infiziertes Saatgut hin und her transportiert, sei es im Heu, sei es im Kot der Tiere, kann ungiftiges Grünland bald kontaminiert werden (JENNINGS ET AL. (NO DATE)(42)). Als Übertragungsvektor dienen auch Getreide-Blattläuse (DOBRINDT ET AL. (2009)(25)), wodurch eine Kontrolle der Endophyten völlig unmöglich wird.
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