| | Auf meine zu hohen, unnachgiebigen Hände und die klammernde Wade reagiert Osterpost unwillig mit Verspannung pur. | | | |
| | | Hier sind "wir" wieder locker. Osterpost mit zusammengeliehenem Sattelzeug, ich ohne Reithose und -stiefel wenige Wochen nach ihrer Ankunft bei mir. | | | |
| Ich möchte immer wieder davor warnen, das Reiten, zumal die Ausbildung eines jungen Pferdes, nur als Freizeitspaß auf die leichte Schulter zu nehmen! Die Möglichkeit, sich das dazu nötige Wissen anzueignen, hat jeder, wirklich jeder Reiter. Es sind genügend gute Bücher und Videos auf dem Markt, es gibt genügend gute und schlechte Beispiele auf dem Pferd, die man in Reithallen, auf Turnieren, bei Fernsehübertragungen beobachten kann. Es gibt heutzutage keine Entschuldigung für fehlendes Wissen, wenn man ein Pferd ausbilden will. Man muss sich aber für die Theorie so viel Zeit nehmen, dass man sie nicht nur grade mal gelesen hat, sondern man muss sie so oft lesen und gründlich durchdenken, bis man sie auch verstanden hat. Damit man Chef sein und bleiben kann. Und weil man es seinem Pferd schuldig ist! Als ich mein erstes eigenes Pferd bekam - es war die damals schon sechzehnjährige OSTERPOST xx, die bis dahin nur Zuchtsstute im Vollblutgestüt Röttgen meiner Verwandten gewesen war und niemals zuvor einen Sattel getragen hatte - da gab es meinen alten, verehrten Reitlehrer Wilhelm Köster nicht mehr und ich war nicht in der Lage, irgendeinen Ausbilder zu bezahlen, der mir hätte helfen können. Als Reiterin hatte ich zwar schon eine gewisse Routine, aber nicht die geringsten Kenntnisse und Erfahrungen als Ausbilderin. Ich hatte nicht mal einen Sattel etc. pp., keine Reithose, keine Stiefel - nur eine Trense bekam ich mit dem Pferd von meiner Tante mitgeschickt, die selbst sicher nie in der Situation gewesen war, wenig Geld zu haben und sich meine Situation daher gar nicht vorstellen konnte. Im Gestüt war OSTERPOST zum wertlosen Fresser geworden, weil sie einige Jahre güst geblieben war (güst = nicht trächtig). Meine Tante war deshalb froh, dass sie einen Platz für diese wunderschöne, noble und noch sehr gesunde Stute gefunden hatte. Sie ahnte nicht, in welches finanzielle Abenteuer ich mich damals als ehemaliger Flüchtling nach dem Krieg, geschieden und mit heranwachsendem Sohn, gestürzt habe. Du kannst es aber erahnen, wenn Du Dir das Foto ansiehst, auf dem ich mit fragwürdigen Sattelutensilien und ohne Reitkleidung, aber unbefangen und glücklich die gute OSTERPOST auf freiem Feld angeritten habe. Sie hatte nie einen Sattel geschweige denn einen Reiter getragen, weil sie im zweiten Weltkrieg als Zwei- Drei und Vierjährige keine Rennen, vor allem keine Zuchtrennen laufen konnte, denn in den letzten Kriegsjahren gab es auch keinen Galopprennsport mehr. So nahm man sie nach dem Krieg ihrer bedeutenden Abstammung wegen auch ohne Nachweis von Rennerfolgen gleich in die Zucht. Mit OSTERPOST war ich in einer ähnlichen Lage wie Du heute mit KORALLE, vielleicht mit dem Unterschied, dass ich als Reiterin eine solidere Grundlage hatte als Du. Um aber auch ohne Geld viel zu lernen, und zwar von anerkannten Persönlichkeiten, habe ich unter anderem jede Möglichkeit genutzt, mich bei größeren für mich erreichbaren Turnieren in die Richterschulungen zu mogeln, die damals von General Niemack bei großen Turnieren am Rande der Dressurvierecke abgehalten wurden. Ich habe an Büchern alles was gut war gelesen, immer wieder gelesen und verinnerlicht. Selbstverständlich stand ich stundenlang am Rande der Dressurvierecke und auf Abreiteplätzen bei jedem Turnier in erreichbarer Nähe. Ich schaute aber auch in jeder freien Minute in der heimatlichen Reithalle den guten und den schlechten Reitern zu und lernte von beiden. Ich war mir immer bewusst, dass meine theoretischen Kenntnisse nicht ausreichten, um ein Pferd auszubilden. Aber weil ich merkte, dass man mich wegen der 16jährigen Stute belächelte, wurde ich umso ehrgeiziger und glaubte an das erste eigene Pferd in meinem Leben. Nach etwa zwei Jahren ritt ich sie auf ländlichen Turnieren in kombinierten Prüfungen aus Dressur und Springen. Wir erreichten zwar nie einen Sieg, aber doch einige Platzierungen und ließen den einen oder anderen Spötter hinter uns. Das tat gut! Aber jetzt wieder zurück ins Heute und zu etwas Theorie zum LANG UND TIEF REITEN
| |