Übrigens schadet Dir auch sonst etwas Gymnastik nie, und es stehen Dir auch ohne viel Zeitverlust genügend Gelegenheiten zur Verfügung. Zum Beispiel kannst Du beim Frühstück oder unter dem Schreibtisch ab und zu mit den Fußgelenken mal nach innen, mal nach außen rollen, sie mal nach unten oder oben dehnen; oder beim Zähneputzen am Waschbecken kannst Du mit beiden Füßen oder auch abwechselnd mal nur auf dem rechten oder nur auf dem linken Fuß auf und ab wippen; oder Du kannst in möglichst weiter Grätschstellung Muskeln und Sehnen Deiner Oberschenkel dehnen, indem Du diese mal nach rechts, mal nach links, mal mit beiden Knien vorschiebend bis zu einer leichten Schmerzgrenze dehnst. Dein Oberkörper bleibt dabei aufrecht.
Das sind nur zwei Beispiele, die Dich daran erinnern sollen, dass Du nicht nur KORALLE ausbilden willst, sondern dass Du auch Deinen eigenen Körper für die speziellen Anforderungen der Bewegungsmechanismen beim Reiten fit machen musst. Es gibt ein zwei sehr gute Bücher von Eckard Meyners, einem Sportpädagogen: » Das Bewegungsgefühl des Reiters und » Bewegungsgefühl und Reitersitz. (KOSMOS Verlag). Es ist nur fair, wenn man zunächst erst mal für sich selbst die körperlichen Voraussetzungen schafft und erhält, die man vom Pferd ganz selbstverständlich erwartet.
Erinnere Dich auch wieder mehr an Deine Stimmhilfen, die KORALLE durch das Longieren vor dem Reiten kennt und versteht, um den Einsatz Deiner Schenkel so sensibel wie möglich halten zu können. Denn erst dann, wenn sie sich nicht mehr gegen Deine Schenkel wehrt, kannst Du wieder versuchen, auszusitzen, mit häufigem Wechsel zwischen Schritt und Trab.
Damit KORALLE wieder flüssiger antrabt, könnte Dir zunächst helfen, dass Du in dem Augenblick, in dem Du den ersten Tritt zum Antraben forderst, Dich ein ganz klein wenig vorneigst und Deiner KORALLE mit der inneren (!) Hand einen kleinen auffordernden Klaps gegen die Schulter gibst, statt mit der Gerte. Diese Aufforderung wirkt noch freundlicher und spielerischer, Du signalisierst auch mit Deinem Sitz das �Vorwärts!' und bleibst mit der inneren Hand leicht, so dass KORALLES inneres Hinterbein aus der Hüfte und ihr inneres Vorderbein aus der Schulter am Vorschwingen nicht gehindert werden. - Natürlich sind das Übergangslösungen, die Dir nur helfen sollen, durch den derzeitigen Engpass mit der Abwehrhaltung von KORALLE möglichst schnell hindurch zu kommen.
WARUM EIGENTLICH LOBEN MIT DER INNEREN HAND?
Dazu meine grundlegenden Gedanken: das Loben geschieht meist durch einen freundschaftlichen Klaps an Schulter oder Hals des Pferdes. Merkwürdigerweise tun das viele Reiter mit der äußeren Hand über Kreuz mit der rechten Hand auf der linken Hals/Schulter - Seite oder umgekehrt.
Nach meiner Meinung ist es jedoch in jedem Fall besser, wenn man mit der jeweils inneren Hand zur inneren Hals-Schulterseite vorgeht. Das Vorgehen mit der inneren Hand kommt der Forderung nach, dass diese gelegentlich vorgehen, nachgeben soll. Einmal um zu überprüfen, ob dabei bei genügend aktivem innerem Schenkel auch Stellung und Biegung beim Pferd erhalten bleiben und zum anderen ganz allgemein, um das Vorschwingen des inneren Hinterfußes und auch die innere Schulter nicht zu blockieren. Der äußere Zügel bleibt auch dabei immer der führende Zügel und sollte nicht außer Aktion gesetzt werden, eben auch nicht für einen freundschaftlichen Klaps durch die äußere Hand, bei dem doch die Führung mit dem äußeren Zügel unterbrochen würde, sofern das Pferd nicht ohnehin mit hingegebenem Zügel geht.
Aaaber! : der innere Zügel braucht im Augenblick des Lobens, des Vorgehens mit der inneren Hand einen �Ersatzmann', das ist der innere Schenkel, der durch vermehrten Einsatz dafür sorgt, dass das Pferd nicht mit Kopf und Hals in Außenstellung gerät. Sobald Du also nicht nur in diesem, sondern auch in ganz anderen Fällen mit dem inneren Zügel nachgibst, muss Dein �Ersatzmann' dafür vermehrt in Aktion treten.
Ergänzend ausgedrückt: Du setzt bei diesem Vorgehen verstärkt die wichtigen diagonalen Hilfen ein, über die ich schon in einem früheren Brief schrieb. Sobald Du aber den äußeren Zügel mit der Hand loslässt, (und das musst Du ja, wenn Du mit der äußeren Hand Dein Pferd an der inneren Halsseite loben willst), gibst Du die Führung mit dem äußeren Zügel auf. Und das erscheint mir nicht ganz logisch, auch wenn das Loben mit der Hand �über Kreuz' interessanter, professioneller aussehen mag. Denn: �warum denn einfach, wenn's auch umständlich geht'!
Weiter möchte ich Dich daran erinnern, dass Du nicht Schenkel und Hand gleichzeitig einsetzt, also nicht treibst und gleichzeitig durch Zügelanzug rückwärts blockierst. Der Schenkel muss immer erst den Impuls nach vorne erzeugen, ehe dieser von der Hand angenommen und weitergegeben werden kann. Das können Bruchteile von Sekunden sein, die Schenkel- und Handhilfen trennen, aber da sie sich unterscheiden durch Treiben und Verhalten ist es nur logisch, dass sie nicht gleichzeitig wirken dürfen.
Solche und andere Einzelheiten werde ich von Zeit zu Zeit wiederholen, denn ich kann nicht annehmen, dass Du vor jeder Ausbildungsstunde den ganzen bisherigen Text meiner Briefe nachliest. Beim Reitunterricht im direkten Kontakt vom Ausbilder zum Reiter ist es ja auch so: der Ausbilder in der Reithalle muss Einzelheiten von Fall zu Fall entsprechend einer Situation wiederholen, um sie beim Reiter erst im Kopf und daraus folgend auch im Gefühl zu verankern.
Bis zum nächsten Brief: mach's gut!
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