| | Pferde - die unbekannten Wesen? | | | |
In der letzten Woche habe ich angekündigt, mich mit den Gedanken zur Friedensarbeit der Pferdefrau Marjorie Smith beschäftigen zu wollen. Und um diese Gedanken und den Zusammenhang mit der Pferdearbeit besser verstehen zu können, habe ich zunächst den ersten Teil eines längeren Aufsatzes vorgetragen, in dem sie ihre Vorstellung von der Arbeit mit Pferden entwickelt.
Ausgehend von zwei wesentlichen Einsichten - das Pferd reagiert erstens auf die Zurücknahme von Druck und sucht zweitens ein verläßliches Leittier - kam sie auf ziemlich direktem Wege zur Leichtigkeit des Reitens. An dieser Stelle setze ich mit meiner freien Übersetzung fort (» Getting Along with Horses):
Leichtigkeit: Zwei Stile der Kommunikation
Ein ranghöheres Pferd veranlaßt ein anderes zu einer bestimmten Handlung, indem es zunehmend stärkere Signale aussendet bzw. Druck ausübt. Wenn z. B. Carlos an Felix signalisiert: "Verschwinde von meinem Frühstück", könnten die Aggressionen so aussehen:
- Carlos legt seine Ohren an. Wenn Felix nicht reagiert,
- schlägt Carlos mit dem Kopf nach Felix. Wenn Felix nicht reagiert,
- dreht sich Carlos mit dem Hinterteil zu Felix. Wenn Felix nicht reagiert,
- schlägt Carlos nach Felix aus.
In der Praxis wird Carlos die Stufen 2, 3 und 4 nur selten anwenden müssen, weil Felix diese Stufenleiter kennt und sich sofort bewegen wird, sobald Maßnahme 1 angewandt wird. Das ist ein Weg, zur Leichtigkeit zu kommen. Wir setzen nach und nach immer stärkere Signale ein, bis wir eine Reaktion erhalten; beim nächsten Mal wird das Pferd eher reagieren, bis es schließlich beim kleinsten Signal schon tut, was wir wollen, bis wir auch dieses nur so zart andeuten müssen, daß das Signal der Landung einer Fliege entspricht.
Wenn wir den Führungsstil des "Erwählten" bevorzugen, können wir den "tyrannischen" Aspekt des eskalierenden Drucks vermeiden und bekommen ein entgegenkommendes Pferd, statt eines sich widersetzenden.
Setzen Sie geringen Druck mittels Hand, Zügel usw. ein, um eine Bewegung zu provozieren. Bleiben Sie bei dieser Druckstärke und erfühlen Sie die "Probe" des Pferdes. Schließen Sie vielleicht sogar Ihre Augen, um sehr feine Bewegungen des Pferdes fühlen zu können. Wenn Sie irgendeine Änderung spüren, lassen Sie mit dem Druck nach. Fragen Sie dann erneut, ganz sacht; und fühlen Sie wieder die "Probe" des Pferdes, und lassen Sie los. Das Pferd sagt versuchsweise: "Ist es das, was du willst?"
Ihre vorsichtigen Anfragen und das schnelle Nachgeben gibt dem Pferd das Vertrauen, etwas nachdrücklicher zu probieren, zum Beispiel das Gewicht ein bißchen in die Richtung zu verlagern, die Sie verlangen, oder einen Fuß vom Boden abzuheben. Es wird durch Ihre achtungsvolle Rückkoppelung ziemlich schnell herausfinden, was Sie möchten.
Achten Sie darauf, daß ein Pferd die Sache mit seinem Maul "durchkaut", wenn es "kapiert". Stören Sie es nicht, solange es kaut; dieser Schritt ist für das Pferd wichtig, es verdaut seine Einsicht gewissermaßen, um sie zukünftig verwenden zu können.
Sie können die Belohnung für das Pferd durch Streicheln nach jedem "Probieren" verstärken. (Im Pferde-Vokabular entspricht Tätscheln am ehesten dem Ausschlagen.) Sobald das Pferd verstanden hat und vollständig antwortet, streicheln Sie noch mehr und bleiben dann einfach friedlich für ein paar Minuten mit ihm stehen. Pferde lieben es, einfach mit Ihnen zusammen zu sein und mögen nicht ununterbrochen etwas tun müssen. Es handelt sich hierbei um eine noch größere, belohnende Stufe des Drucknachlassens.
Sobald ein Pferd etwas verstanden hat, gibt es keinen Grund mehr, es in dieser Hinsicht zu dressieren. Wiederholung von etwas bereits Verstandenem ist nur langweilig und provoziert Widersetzlichkeit. Die meisten Signale werden ohnehin ständig beim Reiten eingesetzt. Versuchen Sie, nur dann etwas zu verlangen, wenn Sie einen wirklichen Grund dafür haben. Meine Stute weicht im Stall schon auf Berührung des Fells, aber sie schläft ein, wenn ich mit ihr auf dem Reitplatz "übe".
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