| | W. Popken im Fenster Selbstportrait 08/2004 | | | | Meine Meinung zu dem Buch: von › Werner Popken
Dieses Buch ist ein Bericht. Die Autorin beschreibt darin, wie sie einen Selbstmordversuch überlebt und anschließend ihr Wohl und Wehe von einem gewissen Rolf abhängig macht, der - das zweite Vorwort des Diplompsychologen Dieter Rohmann spricht es unter Verweis auf einen Artikel des Sektenbeauftragten der Württembergischen Landeskirche indirekt aus - Klaus Ferdinand Hempfling darstellt.
Diese Abhängigkeit hat fatale Züge. Auf jeder Seite faßt sich der Leser mehrfach an den Kopf und fragt sich, wie so etwas möglich ist. Wie kann jemand sein gesundes Urteilsvermögen so vollständig abgeben? Ein beliebig herausgegriffenes Beispiel: Die Autorin hat ein kleines Kind, wird aber wegen ihrer Pflichten unter Druck gesetzt und kann sich um das Baby Adrian nicht so kümmern, wie es nach ihrem Gefühl eigentlich notwendig wäre.
| Einmal kam Rolf in die Küche, als Adrian gerade schrie. Er nahm ihn aus dem Wagen, aber Adrian beruhigte sich nicht. "Das macht nichts", sagte er, "das ist nur Protest. Da muß er jetzt durch. Siehst du, er hört immer wieder auf und dann schreit er weiter. Du kannst mir ruhig glauben. Ich hab schon so viel Erfahrung mit Kindern, daß ich das wirklich weiß." Rolf nahm Adrian mit nach draußen und zeigte ihm die Pferde, die vor der Küche angebunden waren. Als Adrian sich beruhigt hatte, kam er wieder herein. "Na also. Du mußt ihn auch mal schreien lassen. Nicht immer gleich rennen und was mit ihm machen, das ist falsch. Sieh nach, ob er etwas braucht und wenn er dann nicht aufhört, laß ihn schreien und machen weiter. Wenn du das ein paar Mal machst, hast du für immer Ruhe. Dann hat er gelernt, daß es keinen Zweck hat zu schreien." Es leuchtete mir ein, obwohl ich oft den Eindruck hatte, daß Adrian einfach auch nur körperliche Nähe und Zuwendung brauchte und das war ja auch wichtig für ihn. Das konnte ich aber wiederum nicht völlig mit meiner Arbeit vereinbaren. Doch ich versprach Rolf, es zu versuchen.
Am nächsten Tag ergab sich gleich eine gute Übungsmöglichkeit.Adrian weinte, aber ich konnte ihn nicht beruhigen. Auch Madeleine war mit ihren Ideen am Ende, wir dachten an das gestrige Gespräch mit Rolf und kamen überein, daß wir Adrian jetzt am besten schreien lassen sollten. Zufällig kam Rolf dazu. "Ihr seid doch unmögliche Frauen", schimpfte er. "... laßt das Kind schreien! Habt Ihr den gar kein Gefühl?" Er nahm Adrian auf den Arm und beruhigte ihn. Nun war ich vollständig verwirrt. "Ich hab alles so versucht, wie du es mir gestern gesagt hast. Wie soll ich denn wissen, wann ich ihn schreien lassen soll unter nicht?", fragte ich. "Das Schreien heute war anders, als gestern", antwortete Rolf. "Ich habe aber keinen Unterschied gehört", meinte ich. "Du mußt lernen, ein Gefühl dafür zu entwickeln. Wie ihr sowieso alle lernen müßt, wieder mehr zu fühlen." Das empfand ich wirklich als großes Manko bei mir, wenn ich Rolf dagegen sah. Auch darin war er uns weit voraus. Seite 84,85 | | |
Wer soll das lesen? Für einen Roman ist es eine Zumutung. Es ist kein Roman. Es ist ein Erfahrungsbericht. Diese Erfahrungen sind für fast alle Menschen auf dieser Welt vollkommen irrelevant. Um den Bericht lesen zu können, muß man sehr viel Energie aufwenden. Man muß sich auf jeder Seite überwinden, weiterzulesen. Wer wird das tun?
Die Leser und Anhänger Klaus Ferdinand Hempflings? Vermutlich eher nicht. Dieser Mann hat ein Buch geschrieben, das viele beeinflußt hat, dem viele Einsichten oder zumindest Anstöße verdanken, die sie auf den Weg gebracht haben, auf dem sie sich heute befinden. Die anderen Bücher Hempflings sind für Pferdeleute mehr oder weniger uninteressant. Der Mensch Hempfling mit seinen Ideen interessiert sie eigentlich nicht. Was dieser zum Thema Pferd zu sagen hatte, ist gesagt. Neues ist nicht in Sicht.
Auch dieses Buch bietet in dieser Hinsicht keine neuen Erkenntnisse, im Gegenteil: Pferde spielen so gut wie gar keine Rolle. Von Pferden ist so selten die Rede, daß man sich wundern muß. Es geht um menschliche Verstrickungen, oder genauer gesagt um das Machtspiel des Pferdeschamanen mit seinen Anhängern, oder noch genauer um das Erleben der Autorin in diesem bitterernsten Spiel. Aber wer interessiert sich für die Autorin?
Die Kritiker Klaus Ferdinand Hempflings? Vielleicht. Aber für diese Leute ist Hempfling ein Pferdemann, und sie wollen ihn als solchen abqualifizieren. Der Mensch interessiert sie weniger, und hier kommt fast ausschließlich der Mensch ins Blickfeld. Wenn von Pferden die Rede ist, dann erfährt man nichts, was man nicht schon wüßte. Also auch keine Munition gegen den angeblichen Scharlatan.
Die Frauen, die in Klaus Ferdinand Hempfling verliebt sind? Das will ich hoffen! Ein solcher Mann ist selbstverständlich Projektionsfläche für unerfüllte Wünsche. Der kann sich vor Anträgen nicht retten. Beweis: Das Pferdeorakel.
| Bei seinem letzten Besuch hatte Rolf mit einer Neuerung auf den Vereinsseiten im Internet begonnen. Er befragte nun jeden Tag das I Ging. Das Ergebnis wurde von ihm interpretiert und ins Internet gestellt. Rolf hoffte dadurch auf regen Besuch unserer Seiten, weil er diese dann teuer als Werbeseiten verkaufen könnte. Das sollte erhebliche Beträge in unsere Kasse bringen. Und tatsächlich war die Resonanz auf Rolfs Orakel ganz gut, Gertrude hatte jetzt jedenfalls täglich eine Menge E-Mails zu beantworten. Hauptsächlich kam diese von ziemlich verrückten Leuten, meist Frauen. "Eins und eins ist zwei. Ist das richtig?", fragte die eine. "Ich habe heute wieder meinen Eisprung", meinte eine andere, weil sie unbedingt ein Kind von Rolf wollte. Eine dritte schwebte lila-blaß-blau aus ihrem Körper, während sie auf dem Sofa lag, und nahm Kontakt zu Geistern auf. Eine weitere fühlte sich kompetent genug, Rolf jeden Tag durch ihr eigenes Orakel zu belehren. Was das Pseudonym Parziphal schrieb, war mir absolut unverständlich, so abgehoben war es. Seite 126, 127 | | |
Diese Frauen können sich vielleicht durch die Lektüre des Buches enttäuschen, will sagen: Sie können dieses Buch dazu benutzen, sich von ihrer Fixierung auf den schönen Mann, der er zum Zeitpunkt der Niederschrift seines ersten Buches zweifellos war, befreien, indem sie einsehen, daß er nichts taugt. Frauen sind ja auch Realisten, müssen es sein, denn ein Kind muß ja großgezogen werden, und dazu braucht man einen wirklichen Vater, einen, der Verantwortung übernehmen kann und will.
Nun habe ich neulich im Spiegel gelesen, daß die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse durchaus nahelegen, daß Frauen zuweilen so pragmatisch sind, daß sie zwischen dem Samenspender und dem Ernährer listig unterscheiden, sich also den bunten Vogel vorübergehend ins Bett holen, um die Frucht dieser strategischen Unternehmung vom rechtschaffenen Langweiler unterhalten zu lassen. Aber muß es unbedingt Hempfling sein?
Denn der bunten Vogel soll ja nicht nur schön aussehen, sondern vor allen Dingen die richtigen Gene beisteuern, und was in diesen Genen verborgen ist, weiß man ja noch nicht. Wenn dann das Kind auch so schön und gleichzeitig charakterlich so verdorben wäre, müßte sich die Mutter später unentwegt Vorwürfe machen. Also vielleicht lieber doch nicht?
Zwar hat der Rolf viele Kinder, wie aus obigem Zitat zu entnehmen ist, vermutlich mit ebenso vielen Frauen, denn auch im Buch sind es mindestens drei, mit denen er ständig oder zeitweilig ins Bett geht. Eine von denen möchte auch unbedingt ein Kind von ihm, aber er will nicht mehr mit ihr schlafen. Dafür bekommt eine andere ein Kind. Macht ja nichts, auf eins mehr oder weniger kommt es nicht an. Rolf übernimmt sowieso keine Verantwortung dafür.
Schreckt das ab? Vermutlich nicht. Bleibt also nur die Hoffnung auf die Angst, daß der Apfel nicht weit vom Baum fällt und Rolfs Kinder ebenso verantwortungslos und manipulativ werden und ihren Müttern das Leben so schwermachen wie der Vater den Frauen, die sich in seine Nähe begeben.
Womit wir bei der Zielgruppe sind, für die das Buch vermutlich in erster Linie geschrieben wurde, und die aus diesem Buch wahrscheinlich Lehren ziehen kann, die unbezahlbar sind. Das sind Menschen (und ihre Angehörigen), die in ähnlichen Verhältnissen verstrickt sind, ihre Verstrickung nicht durchschauen können und vor allen Dingen nicht wissen, wie sie sich daraus lösen könnten. Denn die Autorin hat es geschafft.
Das Buch hat ein Happy-End. So schrecklich es ist, so lang sich die entsetzlichen Einzelheiten hinziehen, es hat ein Ende. Mehr als 172 Seiten sind es nicht. Und am Ende ist die Autorin befreit. Nicht so weit, daß sie gelassen und sicher zurückblicken könnte, denn dann würde sie den Rolf Klaus nennen. So weit ist sie noch nicht, aber dahin wird sie zweifellos gelangen.
Sie hat sich so weit entwickelt, daß sie das Buch schreiben konnte, und ich hoffe, daß diese Tätigkeit ihr geholfen hat, Abstand zu gewinnen und sich selbst besser zu erkennen. Aus dem Buch ist das nicht bedingt zu entnehmen. Was immer sie gerade beschreibt - sie steckt noch mitten drin. Oder sollte es sich um einen Kunstgriff handeln? Sollte es ihr möglich gewesen sein, sich noch einmal zurückzuversetzen in den unkritischen, unwissenden Zustand, der die ganze Entwicklung überhaupt erst ermöglichte? Alle Achtung!
Will man dem Buch Glauben schenken, so hat sie die Ablösung vom Pferdeschamanen aus eigener Kraft vollbracht. Sie ist über alle Maßen gequält und gedemütigt worden, und irgendwann lief das Faß über und sie war am Ende. Sie faßte den Entschluß zum Ausstieg. Von da ab ging es ihr besser, mehr und mehr. Sie nahm Kontakt auf zu Freunden, echten Freunden, zur Familie, und alle freuten sich, standen ihr bei. Das war wichtig, das war notwendig, und gemeinsam mit einem tüchtigen Anwalt gelang es ihr, sich unter weiteren finanziellen Opfern vom Pferdeschamanen und seinen Hörigen zu trennen.
Es ist möglich, es ist, verglichen mit den Ungeheuerlichkeiten, die sie vorher zu erdulden hatte, nicht so schwer gewesen, es dürfte auch anderen Menschen in einer ähnlichen Situation nicht so schwer fallen. Denn man fällt in die Hand von Leuten, die sich Macht über einen selbst anmaßen, aus eigenem Entschluß, und der Entschluß, damit aufzuhören, ist genauso leicht oder schwer.
| Rolf kam zurück. "Ich sehe keinen Sinn mehr, dieses Gespräch weiterzuführen", sagte er in überheblichem Ton. "Ich hab jetzt alles versucht. Auf Wiedersehen." Mit diesen Worten verschwand er und die anderen folgten ihm eiligst.
Wir schauten uns fragend an. "Was war das jetzt?", fragte mein Anwalt. "Das ist doch wirklich nur ein Schwätzer. Was wollten sie denn mit diesem Hanswurscht?", tat er seine Meinung kund. Die anderen nickten zustimmend. "Ich verstehe mich selbst nicht mehr", sagte ich, "heute fand ich ihn auch ziemlich lächerlich." "Ja, das hat er gemerkt", meinte mein Anwalt grinsend. "Ihre Haltung hat ihm gar nicht gefallen, das hab ich ihm angesehenen. Daß sie nicht vor Ehrfurcht vor ihm gekniet haben, hat ihm ziemlich gestunken." Es war so, Rolf hatte keine Macht mehr über mich. Eine Macht, die ich selbst zugelassen hatte, eine Macht, die ich ihm dadurch selbst gegeben hatte, das mußte ich eingestehen. Seite 164, 165 | | |
Dieses Buch ist ein riesiger Kübel von Unrat. Wenn Sie wissen wollen, wie jemand in die Fänge einer Sekte geraten kann, was dort im einzelnen passiert, was Gehirnwäsche bedeutet, dann lesen Sie dieses Buch. Es ist eine ganz kleine, dilettantische Sekte, die der Pferdeschamane da aufmacht, aber der Schaden, der da angerichtet wird, ist schon immens. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie schlimm es ist, wenn die Sache ganz andere Größenordnungen bekommt. Davon gibt es ja genug.
Aus Anlaß dieser Rezension habe ich Texte gelesen und Fakten zur Kenntnis genommen, die ich am liebsten vergessen würde. Ich habe dabei immer auch an die Täter gedacht, denen es so leichtgemacht wird von den Opfern. Die Opfer brauchen Hilfe, daran besteht gar kein Zweifel. Wer hilft den Tätern? Kann man den Tätern helfen? Vermutlich nicht, denn sie sind uneinsichtig. Und sie finden leicht neue Opfer.
Bleiben also die Opfer. Merkwürdig - ein ganz anderer Gedanke ging mir durch den Kopf und will nicht wieder verschwinden. Zigaretten. Alkohol. Haschisch. Und was noch. Alles Dämonen, die ihre Opfer im Würgegriff halten, denen sich der Süchtige ausgeliefert fühlt. Und dann die Erinnerung an jemanden, den ich nach vielen Jahren wieder traf. Plötzlich stellte ich fest: "Du rauchst gar nicht!" Dabei hatte er geraucht wie ein Schlot. Er strahlte. Es lag schon viele Jahre zurück. Er wollte in Urlaub fahren. Und wollte Zigaretten mitnehmen. Und entschloß sich, das nicht zu tun. Das war's. "Keine Entzugserscheinungen?" Nein.
Kann uns jemand knechten, wenn wir es nicht wollen? Nein. Es gibt Leute, die kann man selbst mit der schlimmsten Folter nicht kleinkriegen. Wir können immer "nein" sagen. Jederzeit. Wir müssen es nur wollen.
| Ich glaube auch nicht, daß man Gott für alles, was in der Welt passiert, verantwortlich machen kann. Ich denke, vieles davon ist menschengemacht. Es liegt auch an uns, wie diese Welt aussieht. Aber möglicherweise muß er es zulassen, obwohl er der Allmächtige genannt wird, weil es einen Grund dafür gibt. Der Gott, an den ich glaube, hat uns die Freiheit der Entscheidung gegeben und er hat sich selbst an die Freiheit des Menschen gebunden. Wir haben deshalb die Möglichkeit, Gott zu verneinen. Er kann diese Freiheit auch dann nicht eliminieren, wo sie die Fratze der Perversion zeigt, obwohl er selbst darunter leidet. Würde er das tun, dann hätten wir keine echte, reale Freiheit. Aber im Laufe der Zeit lernte ich, daß Schwierigkeiten dafür da sind, damit ich sie meistern lerne und damit ich dann mit noch größeren Schwierigkeiten, die vielleicht danach kommen können, fertig werden. Damit ich einen Weg gehe, der beim besten Willen nicht mit Leichtigkeit zu gehen ist und der mich zu mir selbst und zu ihm zurückführt. Vorwort der Autorin, Seite 6 | | |
erschienen 26.06.05
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