Angebot für Kalenderwoche 07-02
| | | Foto: Karl Lindemann, Schleiden | | | Sport und Training haben in unserem Kulturkreis häufig einen Touch von Selbstkasteiung, und so erscheint die Forderung nach Bequemlichkeit beim Reiten vielleicht ketzerisch. Nur war diese Tätigkeit in früheren Zeiten etwas alltägliches - zumindest für die Leute, die sich ein Pferd leisten konnten - und die hatten es selbstverständlich gerne angenehm. Ob die monströsen Sättel, derer sie sich bedienten, dann allerdings auch für das Reittier bequem waren, wage ich zu bezweifeln.
Wir suchen also wieder einmal einen gangbaren Kompromiß zwischen den Ansprüchen des Reiters und denen des Pferdes. Beim Sattel und der übrigen Ausrüstung tendiere ich dazu, den Tieren den Vorrang zu geben. Der Reiter kann ja absteigen, wenn ihm der Hintern wehtut und ein paar Schritte laufen. Bei der Art wie man auf dem Tier sitzt (ob mit oder ohne Sattel) und wie man die Befehle übermittelt, gehen die Ansprüche beider Beteiligten durchaus in die gleiche Richtung.
Bei den Ausritten predige ich immer folgendes, wenn meine Gäste über Schmerzen klagen: "Setz Dich bequem hin, denn was Dir angenehm ist, findet auch das Pferd gut." Wenn der Körper des Reiters unverkrampft und durchlässig ist, stößt sich das Wesen unter ihm auch nicht daran. Druckstellen oder gar Abschürfungen sind immer ein Zeichen, daß etwas falsch gemacht wird. Sind diese zum Beispiel vorne im Genitalbereich oder hinten zwischen den Pobacken unterhalb des Steißbeines, deutet das darauf hin, daß der Lendenwirbelbereich nicht weich genug ist. Im ersten Fall sitzt der Reiter sehr gerade oder macht sogar ein Hohlkreuz. Diese Stellung wird durch eine schlechte Dressurausbildung favoritisiert, wenn nur auf geraden Sitz geachtet wird. Man kann auch gerade auf dem Pferd sitzen und trotzdem im Kreuz durchlässig sein. Der zweite Fall tritt ein, wenn der Oberkörper ständig zu weit hinter die Senkrechte gebracht wird. Auch dabei kann der Lendenwirbelbereich steif sein. Ein Fehler, der manchmal auftritt, wenn ein Reiter in didaktischer Übertreibung von einer steifen und unfunktionellen Dressurhaltung weggebracht werden soll.
Wenn es also irgendwo zwackt bitte nicht mit den Schmerzen abfinden und hoffen, daß der Körper sich eines Tages daran gewöhnt. Lieber den Fehler suchen und die Sitzhaltung leicht ändern. Wenige Zentimeter oder Winkelgerade können Wunder Wirken. Sehr dumm ist es, wenn die Schrunden durch unpassende Kleidung verursacht werden. Tangaslips, aber auch Boxershorts und Jeans mit kräftigen Nähten innen am Bein sind typische Verursacher. Auch wenn der Sattel den Reiter irgendwo drückt, zum Beispiel am Bügelschloß, reichen oft geringfügige Änderungen - in diesem Fall um ein Loch längere Bügel - um den Fehler zu beheben.
| | Foto: Britta Liebig, Marl | | | | Beim Reiten ohne Sattel treten derartige Probleme besonders eklatant hervor. Wenn hier der Sitz nicht stimmt ist vorne wie hinten bald alles blutig. Die Feuchtigkeit durch den Pferdeschweiß tut ihr Übriges. Aber sehen wir es positiv: die Schrunden sind ein gutes Kriterium, daß man noch nicht mit dem Pferd in Einklang ist. Man kann also noch etwas lernen.
Manchmal hören wir die dann stets heftig vertretene Meinung, daß ein Reiten ohne Sattel dem Pferd Schmerzen bereitet. Die Gesäßknochen würden sich in den Rückenmuskel drücken. Dieser Effekt ist im Sonderfall durchaus vorhanden. Wer schon mal ein schlankes Mädel mit Hohlkreuz auf dem Schoß gehabt hat, kennt spitze Gesäßknochen. Gerade beim Dressursitz wird gesagt, daß der Reiter auf den Gesäßknochen sitzen soll, warum auch immer. In meinen Augen ist das Selbstfolter, denn zwischen diesen Knochen und dem harten Sattel ist kaum noch pufferndes Fleisch. Wird diese Stellung bei einem Tagesritt praktiziert, sind dort blutige Wunden.
Ihr könnt das gut an Euch selbst demonstrieren: Setzt Euch auf einem einfachen Holzhocker auf Eure beiden Hände. Macht ein Hohlkreuz, dann werdet Ihr die Gesäßknochen schmerzhaft spüren. Jetzt schiebt das Becken aus den Lendenwirbelbereich nach vorne - spannt das Kreuz an, wie es in der Reitersprache heißt. So als wolltet Ihr den Hocker hinten ankippen. Dabei mit dem Oberkörper gerade bleiben. Die Gesäßknochen verschwinden jetzt, Eure Hände spüren die weichen Pomuskeln. Ihr seid jetzt weich gefedert. Das Becken kann nach oben schwingen, und das Muskelfleisch dämpft zusätzlich. Euer Pferd wird Euch diese Sitzposition danken, nicht nur ohne Sattel. Ihr dankt sie Euch auch, denn jetzt werdet Ihr nicht mehr im Trab hochgeworfen und habt plötzlich Einwirkung auf das Pferd.
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