| | W. Popken im Fenster Selbstportrait 08/2004 | | | | Meine Meinung zu dem Buch: von › Werner Popken
Das Buch ist ein wunderbares Zeugnis für ehrenamtliche Arbeit. Elf Autoren, darunter der Verleger, beschreiben aus ihrer Warte das Projekt "Wildbahn Senner Pferde", das im Jahre 2000 mit der Entlassung der ersten Senner Pferde in die etwa 15 Hektar große "Wildbahn" begann.
Der Präsident der Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur), Claus-Peter Hutter, schrieb nicht nur ein Geleitwort. Die Stiftung, ebenso wie die Bürgermeister der anliegenden Gemeinden Augustdorf, Hövelhof und Schloß Holte-Stukenbrock, unterstützt das Projekt. Diese begreifen die Senner Pferde als Symbol des Natur- und Kulturerbes und haben ebenfalls ein Geleitwort beigesteuert.
SD Dr. Armin Prinz zur Lippe steuerte als Schirmherr ein Vorwort bei. Die Grafen und späteren Fürsten zur Lippe haben jahrhundertelang die Senner als Wildbahngestüt gehalten und genutzt. Alle wünschen den Sennern neue Freunde und Gönner.
Jeder Käufer des Buches gehört automatisch diesem Kreise an, denn 1,50 EUR des Verkaufspreises werden vom Verlag an das Projekt zurückgeleitet. Dieses Projekt wird getragen von der Biologischen Station Senne e.V., die auf Unterstützung von außen angewiesen ist. Zu diesem Zweck hat man Patenschaften eingerichtet. Für einen beliebigen regelmäßigen Monatsbeitrag kann man das Projekt unterstützen und genießt eine Reihe von Privilegien; unter anderem bekommt man ein Vorkaufsrecht, sollte einmal einer der Senner der Station verkauft werden.
Das ist bisher noch nicht der Fall. Zwar besitzt die Station eine Zuchtstute und hat von dieser Nachzucht. Ein Dreijähriger ist inzwischen angeritten, aber konkrete Pläne zum Verkauf gibt es derzeit nicht. Die Biologische Station versteht sich weniger als Züchter denn als Aufzüchter. Das Westfälische Freilichtmuseum in Detmold züchtet ebenfalls und kooperiert mit der Station.
Das Projekt geht auf die Initiative Karl-Ludwig Lackners zurück, der die Zucht der Senner in den letzten 30 Jahren so gut wie im Alleingang getragen hat und davon träumte, seine Pferde wieder in die angestammte Heimat zurücksiedeln zu können. Die Senner verdanken nämlich viele ihrer Eigenschaften der Landschaft Senne, von der sie ihre Namen haben, und der Aufzuchtmethode Wildbahngestüt.
In einer Wildbahn bleiben die Pferde sich idealerweise selbst überlassen, und zwar das ganze Jahr über. Das ist auch zu Zeiten der fürstlichen Zucht nicht immer der Fall gewesen. Die Biologische Station hält die Pferde nur im Sommer in einem abgezäunten Areal innerhalb des Naturschutzgebietes Moosheide, im Winter werden die Pferde aufgestallt.
Es handelt sich nämlich um einen Versuch. Seit achtzig Jahren sind die Senner aus dieser Landschaft verschwunden, und die Aufgabe der Biologische Station ist es, die Auswirkungen des Weidegangs wissenschaftlich aufzuarbeiten und dafür zu sorgen, daß die Belange des Naturschutzes, die selbstverständlich Vorrang haben, keineswegs leiden, sondern womöglich gefördert werden.
Dabei will man selbstverständlich behutsam und schrittweise vorgehen, um so allmählich Erkenntnisse auf diesem Neuland zu gewinnen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Im vierten Jahr weiß man nun, daß die Haltung der Pferde in dieser Landschaft auch ökologisch sinnvoll ist und gegenüber der Beweidung durch Schafe erhebliche Vorteile bietet. Die Pferde zerstören nämlich die Oberflächenvegetation in weit höherem Maße und ermöglichen es dadurch einer ganzen Reihe von Pflanzen und Tieren, sich in dieser extremen lebensfeindlichen Umwelt aus Sand zu entfalten.
Die Senne ist nämlich keineswegs natürlich entstanden, sondern durch Entnahme der oberen Vegetationsschicht durch die Heidebauern, die dadurch die Heide erst produziert haben. Mit Hilfe der sogenannten Plaggen wurde über die Zwischenstation der Nutzung als Einstreu der Acker gedüngt und damit langfristig allmählich verbessert. Der Preis war die Endblößung des Sandbodens, auf dem sich wenig mehr als die Heide ansiedeln konnte.
Es geht nun nicht darum, der Natur wieder zu ihrem Recht zu verhelfen. In diesem Falle wäre einfach nichts zu tun und in kürzester Zeit wäre alles von Wald bedeckt. Die Kulturlandschaft ist als erhaltenswertes Gut entdeckt worden. Da die alte Plaggenwirtschaft unwiderruflich der Vergangenheit angehört, müssen neue Wege gefunden werden, aggressiven Pflanzen Einhalt zu gebieten, die die alten Heideflächen in kurzer Zeit vernichten würden.
Das Buch zeigt auf einem der vielen wunderbaren Fotos einen der angestellten Diplom-Biologen bei der Arbeit mit der Motorsense, um Buschwerk zu entfernen. In einer Broschüre wird derselbe Mitarbeiter gezeigt, wie er eine Grasart, die dem Heidekraut den Garaus macht, maschinell zurückzudämmen versucht. Die Pferde erscheinen in jeder Hinsicht als die geeigneteren Landschaftspfleger.
Auf jeden Fall sind sie in vielen höherem Maße Sympathieträger als der Maschinenmann. Die Pferde wecken Emotionen, motivieren breite Bevölkerungskreise, sich überhaupt mit dem Gedanken Naturschutz und Kulturpflege zu beschäftigen und sich freiwillig und unentgeltlich an der anfallenden Arbeit zu beteiligen. So füllt die Freiwillige Feuerwehr das große Wasserfaß auf, ein Tierarzt betreut die Pferde, der Bürgermeister bildet die Remonten aus.
Von den Pferden profitieren alle, sie bringen weit mehr Publizität als ausgefallene Käfer, Schmetterlinge oder seltene Pflanzenarten. Es sind aber auch nicht einfach nur irgendwelche Pferde, sondern die Senner, über die der Züchter Lackner ausgiebig informiert. Aber auch die Biologen kommen in umfangreichen Beiträgen zu Wort und öffnen die Augen für eine Kleinwelt, die dem Reiter im Normalfall entgeht, nämlich die Welt der kleinen Pflanzen, Insekten, Reptilien und Vögel.
Die Senne ist eine der wenigen Landschaften in Ostwestfalen, der Bundesrepublik und Europa, in der sich eine ganze Reihe von extrem gefährdeten Pflanzen- und Tierarten entwickeln und entfalten kann. Diese Verhältnisse zu fördern ist die Aufgabe und das Anliegen der Biologischen Station und ihrer Träger und der Senner Pferde, die vielleicht in ein paar Jahren ganzjährig ihrer Aufgabe nachgehen können, wenn die verantwortlichen Behörden zustimmen.
Dazu bedarf es aber unter anderem auch entsprechender Unterstützung. Die Biologische Station Senne freut sich über jeden Beitrag, aber auch über reines Interesse, das lediglich ideell unterstützt. Die Bewohner dieser Landschaft und der Verleger möchten nämlich die Reize dieser kargen Gegend, die früher als unwirtliche Einöde verschrien war, im Sinne eines naturnahen Tourismus der interessierten Bevölkerung nahebringen. Leider kann man all die wunderbaren Erkundungen bisher nur zu Fuß oder per Drahtesel absolvieren. Wer weiß? Vielleicht wird man eines Tages als Reiter unterwegs sein können - idealerweise auf einem eleganten, hochblütigen Senner.
Das Inhaltsverzeichnis zeigt die Spannweite der Themen auf:
- Durch das Geäst... (Geleitwort Euronatur)
- Willkommen Senner Pferde! (Geleitwort der Bürgermeister)
- Vorwort des Schirmherrn (Dr. Armin Prinz zur Lippe)
- Fragen (Thomas Kiper)
- Geschichte der Senner Zucht in Lopshorn (Mathias Vogt)
- Niedergang und Wiederaufstieg von 1945 bis heute (Karl-Ludwig Lackner)
- Das Senner Pferd - ein nationales Kulturgut (Mathias Vogt)
- Die westfälische Heidelandschaft (Peter Rüther und Christian Venne)
- Wildbahn Moosheide (Peter Rüther und Christian Venne)
- Ein Projekt mit vielen Helfern (Christel Schroeder und Aloys Sielhorst)
- Die Senner Pferde im Sucher (Guido Sachse)
- Zu Besuch bei den Senner Pferden (Christel Schroeder)
- Eine Radtour von Detmold aus zu den Senner Pferden (Thomas Kiper)
- Auf dem Senne-Parcours zu den Senner Pferden (Thomas Kiper)
- Verhalten im Naturschutzgebiet (Christian Venne)
- Zu Besuch bei den Senner Pferden im Westfälischen Freilichtmuseum Detmold (Cordula Marx und AgnesSternschulte)
- Die Senner Zucht im Westfälischen Freilichtmuseum (Cordula Marx und Agnes Sternschulte)
- Perspektiven für die Senner Pferde (Christel Schroeder und Aloys Sielhorst)
- Wildbahn im Überblick (Christel Schroeder und Aloys Sielhorst)
- Bildnachweis
- Autoren
- Literatur
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Das Buch ist vorzüglich gestaltet und mit einer Fülle von phantastischen, wunderschönen Fotos ausgestattet. Wer sich für die Senner, die Senne, die Natur und Kulturlandschaft interessiert, wird dieses Buch schätzen. Ich habe es mit Vergnügen gelesen und sehr viel gelernt.
erschienen 06.06.04
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