Zwei blaue Pferde Franz Marc, Deutschland Zwei blaue Pferde vor einem Felsen Postkarte an Kandinsky, Lenbachhaus, M�nchen Diese Postkarte habe ich bei Carol Gerten-Jackson gefunden, die seit 1996 Kunstwerke einscannt und im Internet �ber viele Mirrors bereitstellt (in Deutschland an der � � � Uni Bayreuth). Dort fand ich auch einen Link zu einem Unternehmen, das �lreproduktionen anbietet. Diese Postkarte, in Original Aquarell auf Papier, kann man zum Beispiel im Riesenformat 120x240 cm bekommen, f�r � � � 1295 US $. Was es nicht alles gibt! Das Kunstwerk im Zeitalter der beliebigen Reproduzierbarkeit! Grunds�tzlich ist das aber auch nicht neu. Die Reproduktion teurer und gro�er Gem�lde als kleine und billige Auflagenwerke ist so alt wie die Reproduktionstechnik selbst. Goethes Kunstsammlung zum Beispiel bestand zum gro�en Teil aus solchen Reproduktionen. Die Kultur selbst ist durch diese Verbreitungstechnik gewachsen, die Errungenschaften der Renaissance sind im Norden �ber Kupferstiche und sp�ter Radierungen bekanntgeworden. Warum also nicht eine Postkarte als Riesengem�lde an die Wand h�ngen? Mit Sicherheit b�rgt das f�r ein Erlebnis der besonderen Art. Find' ich gut. Franz Marc, 1880-1916 Nachdem er zuerst Pfarrer werden wollte, versp�rte er im Alter von 20 Jahren eine Berufung zum Maler und begann, an der M�nchener Akademie zu studieren. Auf zwei Reisen nach Paris (1904 und 1907) lernte er die Bilder Manets, der Impressionisten und von Vincent van Gogh kennen. Im Jahre 1910 freundete er sich mit August Macke an. Das Jahr 1911 war f�r ihn ein entscheidendes Jahr: Er lernte die Maler Jawlensky, Kandinsky, M�nter und Werefkin kennen, mit denen er die K�nstlergemeinschaft des "Blauen Reiters" gr�ndete. Franz Marc starb am 4.3.1916 im Ersten Weltkrieg in der N�he von Verdun als Soldat. Kommentar Von Werner St�renburg In der letzten Woche hatte ich auf die blaue Farbe abgehoben, und hier haben wir wieder ein Beispiel f�r blaue Pferde. Eine Postkarte an Kandinsky, nat�rlich, der musste doch auch eine kriegen. Der rote Felsen ist merkw�rdig rhythmisch gestaltet. Das sieht f�r mich gef�hrlich nach den Gesetzestafeln von Moses aus. Wenn die erste noch schwarz w�re, h�tten wir die Bundesfarben. Aber Hallo, schwarz ist auch da: im Vordergrund. Die niedlichen Tierchen ruhen in der freien Natur, besch�tzt vom g�ttlichen Licht. Nichts kann ihnen passieren. Bekanntlich h�lt immer eins der Pferde Wache, aber das haben die beiden hier nicht n�tig. Ein P�rchen? Ist eigentlich nicht zu erkennen, die Sache sieht mehr nach Unisex aus, obwohl das linke Pferd eher fordernd und �berlegen den Kopf hebt, w�hrend das rechte denselben neckisch und vertrauensvoll zur Seite dreht. Nun wollte ich es doch genau wissen und befragte Google nach "marc franz blaue blume". Das Ergebnis war wieder einmal interessant und hat mich reich belehrt. Sehnsucht nach Reinem 1910, als Marc Macke kennenlernte und Kandinsky noch nicht kannte, schrieb dieser seinen Aufsatz "�ber das Geistige in der Kunst". Auf Seite 92 findet sich die Aussage: Die Neigung des Blaus zur Vertiefung ist so gro�, dass es gerade in tieferen T�nen intensiver wird und charakteristischer innerlich wirkt. Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schlie�lich �bersinnlichem. | | Na also. Da liege ich demnach genau richtig. Blau als Sprungbrett f�r etwas anderes, f�r etwas, das sich eigentlich nicht darstellen l�sst. Was es genau ist, konnte Kandinsky offenbar nicht benennen. Was soll schlie�lich schon �bersinnlich bedeuten? Oder wollte er es nicht benennen? Jedenfalls ging es um etwas, was bis dahin in der Kunst keinen Platz gefunden hatte, oder zumindest schon seit langem verlorengegangen war. Das Zitat fand ich bei der Fotografin � � � Elfi Kaut und noch eine weitere Aussage von Franz Marc: Wir werden nicht mehr den Wald oder das Pferd malen, wie sie uns gefallen oder scheinen, sondern wie sie wirklich sind, wie sich der Wald oder das Pferd selbst f�hlen, ihr absolutes Wesen, das hinter dem Schein lebt, den wir nur sehen... Wir m�ssen von nun an lernen, die Tiere und Pflanzen auf uns zu beziehen und unsere Beziehung zu ihnen in der Kunst darstellen. Marc 1912/13 in Partsch 1993 | | Na ja. Wie will Marc das rausfinden, wie ein Pferd sich selbst f�hlt... �brigens widerspricht er sich selbst. Wenn er lernen will, seine Beziehung zu Tieren und Pflanzen in der Kunst darzustellen, ist das in Ordnung, das kann er machen. Ihr absolutes Wesen darzustellen ist an anderes Ding. Da m�sste man doch erst einmal fragen, was das absolute Wesen sein soll. Was ist denn das absolute Wesen des Franz Marc? Mit solchen Worten um sich zu werfen ist ein bisschen gef�hrlich. Elfi Kaut fand diese Zitate, das folgende und viele weitere bei � � � Thomas Seilnacht (z. Zt. Lehrer f�r Chemie, Kunst, Biologie, Musik und Informatik, Realschule M�hlheim): Marc gab mit seinen blauen Pferden und den anderen Tierdarstellungen den Gesch�pfen der Natur die Seele zur�ck, wie sie sie in den H�hlenmalereien noch hatten. Im tr�umenden Pferd von 1913 kn�pfte Marc an die N�he der Farbe Blau zu den Tr�umen an. Bei Marc waren es die Pferde, die Sehns�chte hatten. Er selbst hatte eine innige Beziehung zu den Tieren, die "alles Gute" in ihm "erklingen" lie�en. | | Hm, blau ist den Tr�umen nah... Blau Elfi Kaut assoziiert zu (� � � BLAU von dunklem nachthimmelblau �ber blitzblau bis himmelblau): Die �gypter sahen im tiefen blau des wassers das leben und im unermesslichen blau des himmels das g�ttliche... Blau : farbe des wassers, farbe der tiefe, verk�rpert das weibliche prinzip, maria ist oft in blau dargestellt Blau : farbe des himmels, himmelsblau war fr�her mit dem m�nnlichen verbunden farbe aller himmelsg�tter und symbol des fernen, des g�ttlichen, des "geistigen" noch heute gilt blau als farbe der treue, denn treue erweist sich erst aus der sicht der ferne, wenn gelegenheit zur untreue gegeben ist. blaue blumen wie vergissmeinnicht, veilchen oder m�nnertreu symbolisieren die treue Blau : farbe der unbegrenzten dimensionen Blau : farbe der zuverl�ssigkeit Blau: farbe der dreamer, der treue, des vertrauens... man kann "blau�ugig" sein Blau : farbe der sehnsucht... Novalis' blaue blume Blau : farbe der entspannung, der selbstgen�gsamen zur�ckgezogenen, "blau" machen Blau ist k�niglich und proletarisch zugleich: preussischblau und blaum�nner. Blau ist g�ttlich Blau ist friedlich. Man denke an die blauhelme, an die blauhemden, an die pfadfinder. Blau : farbe der k�lte (blaue duschkn�pfe) Blau steht f�r emanzipation: greetings an alle blaustr�mpfe. Blau steht f�r obrigkeit: hallo Blaubl�ter. das denken an die farbe blau l�st eine sehns�chtige, tr�umerische stimmung aus und erzeugt gleichzeitig geborgenheit und ruhe, f�hrt zu einer ernsthaften sicht der dinge nach innen... die farbe blau gilt als farbe des gem�ts und stimmt positiv.. das blau des "blauen briefes" soll bewirken, dass die botschaft leichter angenommen wird... viele unternehmen benutzen die farbe in ihrem firmensignet (� � � Aral� , � � � Deutsche Bank, � � � Levis� , � � � Nivea� )... levis jeans ... zuerst braun... wurden erst mit der farbe blau zum welterfolg... | | Blau ist also auch volks- und betriebswirtschaftlich relevant... Farbenprojekt Thomas Seilnacht wiederum hat eine Webseite mit Chemie-Schwerpunkt, die h�chst interessant ist und jede Menge Informationen bereit h�lt. � � � �gyptisch Blau und � � � Preu�isch Blau faszinieren mich. Dort wiederum Hinweise auf weitere Web-Seiten, deren eine diese Farbe in bestimmten Gem�lden nachweist, mit Link auf vorz�gliche Reproduktionen dieser Gem�lde: das Internet von seiner besten Seite, die Verwirklichung meiner jugendlichen p�dagogischen Tr�ume! Und wieder habe ich mich verloren, es war einfach zu interessant! Ich m�chte Sie gern verf�hren: lesen Sie doch einmal � � � Das Farbenprojekt, da bekommen Sie ein Gef�hl daf�r, wie faszinierend Lehren und Lernen sein kann. Dabei habe ich erst einen kleinen Teil dieses Aufsatzes gelesen und kann mich daraus gleich f�r unser Thema bedienen: Dem romantischen, tief mit der Natur verbundenen Symbol der "blauen Blume", die das Finden des eigenen Ichs im Antlitz gegen�ber verk�rperte, steht die Haltung des heutigen Menschen, die Natur zu zerst�ren, gegen�ber. | | Was das mit den Menschen macht, zeigt sehr sch�n das � � � Gedicht� von Rolf-Dieter Brinkmann, auf das Thomas Seilnacht verweist: Gedicht Zerst�rte Landschaft mit Konservendosen, die Hauseing�nge leer, was ist drin? Hier kam ich mit dem Zug nachmittags an, zwei T�pfe an der Reisetasche festgebunden. Jetzt bin ich aus den Tr�umen raus, die �ber eine Kreuzung wehn. Und Staub, zerst�ckelte Pavane, aus totem Neon, Zeitungen und Schienen dieser Tag, was krieg ich jetzt, einen Tag �lter, tiefer und tot? Wer hat gesagt, dass sowas Leben ist? Ich gehe in ein anderes Blau. Rolf Dieter Brinkmann, 1940-1975 | | Blau wieder als Verhei�ung... Blauer Montag Blau kommt in vielen Redewendungen vor, und bei � � � Thomas Seilnacht finden wir einleuchtende Erkl�rungen, die gemeinhin nicht bekannt sind: Bis zum Aufkommen der synthetischen Farbstoffe war die Farbe der Kleidung keine Frage des Geschmacks, sondern eine Frage des Geldes. Im Gegensatz zu den anderen Farben wie Purpur war Blau jedoch einfach zu f�rben. Der wichtigste Farbstoff zum F�rben war der aus Indien stammende Indigo oder der etwas weniger intensiv f�rbende einheimische F�rberwaid. Zur Herstellung des Farbstoffes wurden die Bl�tter des F�rberwaids in K�beln mit menschlichem Urin verg�rt. Durch die Zugabe von Alkohol wurde der G�rungsprozess verst�rkt. Da Alkohol aber teuer war, tranken die F�rber viel Alkohol, der dann im Urin angereichert war. Zum F�rben der Stoffe wurden diese meist sonntags f�r mindestens 12 Stunden in das F�rbebad eingetaucht. Die blaue Farbe auf den Textilst�cken ergab sich jedoch erst, wenn diese l�ngere Zeit an die Luft geh�ngt wurden. Immer wenn die F�rbergesellen am Montag betrunken daneben lagen, um auf das Ergebnis zu warten, wusste jeder, dass blau gef�rbt wurde, die F�rber waren "blau" und machten "blau". Auch der Begriff "blauer Montag" findet hier seinen Ursprung. | | Der Beitrag � � � Wie das 'Blaue L�ndchen' zu seinem Namen kam..... best�tigt zumindest die Rolle des Alkohols und erg�nzt einige Einzelheiten: Das Sammeln des Urins geschah meistens montags, weil die Familie sonntags zuhause war. Man benutzte mehrere F�sschen, weil der Urin nach Altersgruppen gesammelt wurde. Der Urin der 12 bis 14j�hrigen Knaben war der wertvollste. [...] Wenn die Stoffe aus der K�pe gezogen wurden, erlebten die F�rber ihr "blaues Wunder": der gelbe Stoff wurde der Luft durch eine Reaktion mit dem Luftsauerstoff erst gr�n, bevor er die gew�nschte blaue Farbe annahm. [...] 60 Minuten in die Farbe und 30 Minuten oxydieren an der Luft, dabei die Stoffe "gr�n und blau" schlagen, dem Sauerstoff �ffnen [...] | | Und was hat es nun mit der blaue Blume auf sich? � � � Thomas Seilnacht hat auch in dieser Hinsicht gut recherchiert.
In dem 1802 von Novalis erschienenen Romanfragment "Heinrich von Ofterdingen" tr�umt der Held von einer blauen Blume, die ihn mit einer gro�en Sehnsucht erf�llt [...] Die blaue Blume ist somit Symbol des Aufbruchs zur Erf�llung von Sehns�chten und aber auch Symbol des Findens des eigenen, pers�nlichen Gl�cks und Lebenssinnes. [...] | | Ich muss den Roman also nicht lesen. Die Bedeutung ist irgendwie in das allgemeine Sprachverst�ndnis eingegangen. Quellen Fotos Wie angegeben unter Berufung auf das Zitatrecht (Fair Use). | |