| | W. Popken im Fenster Selbstportrait 08/2004 | | | | Meine Meinung zu dem Buch: von › Werner Popken
Es gibt viele Bücher über Fototechnik, immer wieder neue, weil die Technik des Fotografierens sich ständig ändert. Hier geht es um die Fotografie von Pferden, aber bevor die Autoren sich mit diesem Thema beschäftigen können, müssen sie sich erst einmal um die Technik selbst kümmern.
Dieser Teil ist kurz und knapp - wer mehr wissen will, kann jedes beliebige andere Fotobuch zu Rate ziehen. Selbstverständlich beziehen sich die illustrierenden Beispiele auf das Thema Pferde. Die Autoren berichten aus ihrer Praxis, empfehlen also die Kameras und Filme, mit denen sie selbst seit Jahren gute Erfolge erzielen. Das ist legitim und vertrauenswürdig.
Der interessierte Laie findet viele Tipps, aber immer wieder machen die Autoren deutlich, dass gute Resultate in der Regel auch gute Werkzeuge voraussetzen. Die sind bekanntlich teuer. Wer für sein Hobby nicht so viel Geld ausgeben kann oder will, wird trotzdem genug lernen können, um eine deutliche Qualitätssteigerung bei seinen Schnappschüssen zu erreichen.
Zugleich aber bereitet das Buch den Weg vor für den ernsthaften Fotografen, der seinen Lebensunterhalt mit der Pferdefotografie bestreiten will. Die Autoren sind auch in dieser Hinsicht kompetent. Am Abschnitt Reportage wird deutlich, dass dafür weit mehr nötig ist als lediglich die Produktion von herausragenden Fotos. Hier wird ein kompletter Reisebericht skizziert.
Es handelt sich mit Sicherheit um Höhepunkte eines Berufslebens, das auch seine Schattenseiten haben wird. Je mehr gute Pferdefotografen arbeiten, desto schwerer dürfte es der einzelne haben, am Markt zu bestehen. Konkurrenz belebt zwar das Geschäft, aber nur einer kann ein Geschäft machen, und wenn der Markt begrenzt ist, liegt da ein Problem.
Profis sind im allgemeinen sogar recht empfindlich, wenn sie merken, dass Amateure ihnen den Rang ablaufen. Auch die Dossenbachs betonen mehrfach, dass ausgezeichnete Fotografen vielfach Autodidakten sind. Das Buch wird nun sicher viele Autodidakten beflügeln und damit die Konkurrenz vergrößern. Das Thema ist also zweischneidig.
Die fotografischen Tricks sind meistens nicht spezifisch für das Thema. In einigen Tipps (Schnappschüsse, Brennweiten, Bildschärfe, Bildgröße) habe ich bereits als interessierter Laie auf einige technische Zusammenhänge hingewiesen, die für den Hobbyfotografen wichtig sind. Wer fotografiert und mehr Ambitionen hat als ein Knipser, sollte schon über wesentliche Hintergründe Bescheid wissen.
Ich selbst besitze zwar eine recht gute Kamera, sie ist aber bereits dreißig Jahre alt und hat deshalb keinen Autofocus. Gerade der Autofocus ist es, wie die Autoren immer wieder zeigen, der für die Produktion ausgezeichneter Fotos wichtig ist. Sollte ich mir also eine neue Kamera anschaffen? Welches Zubehör brauche ich? Sollte ich gleich auf die digitale Fotografie umsteigen? Schnell bin ich ein kleines Vermögen los.
Erfreulicherweise erwähnen die Autoren an mehreren Stellen, dass es letzten Endes doch nicht die Technik ist, die die guten Fotos macht, sondern der Mensch. Gute Werkzeuge erleichtern die Arbeit, ein gutes Werkzeug garantiert aber nicht schon automatisch ein gutes Foto. Was ein gutes Foto ist, wird indirekt durch die Beispiele deutlich, aber nicht ausdrücklich thematisiert.
Selbstverständlich lernt man auch dadurch, dass man gute Fotos anschaut. Die Fotos der Autoren gehören sicher zu den guten Fotos, daher lernt man auch durch das Betrachten dieser Fotos. Wenn man weiß, wann die Natur eine gute Fotogelegenheit bietet, und wenn man mit seinem mehr oder weniger primitiven Werkzeug gut vertraut ist, kann man auch damit gute Fotos machen - diese Zuversicht wird bei aller Technikbegeisterung doch nicht ganz zerstört.
Eine wichtige Voraussetzung ist bekanntlich der Einsatz. Wer ab und zu mal ein Foto schießt, kann nicht viel erwarten. Profifotografen verbringen sehr viel Zeit mit Fotografieren. Das kann in diesem Umfang ein Laie weder zeitlich noch finanziell leisten. Und wenn man tatsächlich so verbissen arbeitet, bleibt eine Qualitätssteigerung nicht aus, wenn das nötige Talent vorhanden ist. Womit wir wieder bei der Frage nach der Qualität von fotografischer Arbeit sind.
Anläßlich eines diesbezüglichen Gespräches urteilte eine Fotografin über eine sehr berühmte Kollegin: "Was die gemacht hat, ist ja einfach. Diese Rasse ist einfach wunderschön. Man stellt so ein Pferd vor die Wand und drückt drauf. Das kann jeder."
Die Frage ist also: ist das Foto gut oder ist einfach das Pferd schön? Diese Frage wird so nicht gestellt, deshalb darf man eine Antwort im Buch nicht erwarten. Schade. Natürlich spielt meistens beides zusammen - desto besser.
Und wenn mein Pferd nun nicht so schön ist?
An einigen Stellen wird deutlich, mit welchen Tricks die Profis arbeiten, damit ein beliebiges Pferd mehr Ausdruck bekommt. Ein Hengst macht immer was her, wenn auf der Weide nebenan Stuten sind, womöglich sogar rossig. Aber wer hat schon einen Hengst?
Mit zwei Helfern, die mit Konservendosen klappern, in denen Steine liegen, kann man Pferde auf der Weide scheuchen. Ein Helfer allein kann eine Fahne schwenken oder sonstwie Aufmerksamkeit erregen. Vielleicht kann der Laie damit etwas anfangen.
Im Beitrag Eine Herde wächst haben wir erfahren: "Aufregend war der Fototermin mit einer sehr guten Pferdefotografin... Um besonders aufregende Fotos zu machen hatte sie ein Tonband mit Pferdegewieher." Davon halten auch die Dossenbachs viel, betonen aber, dass sich der Effekt schnell abnutzt.
Immer wieder wird auf die Lichtverhältnisse verwiesen, die die Stimmung eines Bildes ausmachen. Das geht über die eigentliche Technik hinaus, denn das Licht ist für alle da, Amateure, Profis und Knipser. Wer allein darauf aufmerksam geworden ist, wird viel für seine eigene Praxis und für das bewußte Wahrnehmen der Welt allgemein gelernt haben.
Die Zielrichtung geht leider ausschließlich in Richtung Vermarktung. An keiner Stelle wird die Frage diskutiert, wie der Pferdebesitzer sein privates Verhältnis zu seinem Pferd im Bild zum Ausdruck bringen kann. Nirgendwo wird erläutert, wie ein Wanderritt dokumentiert werden kann.
Das ist kein Nachteil. Die Autoren werden in dieser Richtung keine Erfahrungen haben. Ich empfinde es als Stärke des Buches, dass ausschließlich auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen wird.
Ein entsprechendes Buch muß also noch geschrieben werden. Wo sind die Autoren, die hier ihre Erfahrungen weitergeben können, wo der Verlag, der ein solches Buch herausbringen will? Der Markt für dieses Buch dürfte ungleich größer sein.
Die beiden Fotos mit der gemeinsamen Tochter hätten ganz gut Anlaß dazu gegeben, dieses Thema ebenfalls zu behandeln. Vielleicht ist das in einer weiteren Auflage möglich. Nach meinem Dafürhalten müßte aber ein völlig neues Buch geschrieben werden, um der privaten Pferdefotografie wirklich gerecht zu werden.
Eines der Fotos, das ebenfalls ausführlich gewürdigt wird, ist technisch gesehen meiner Ansicht nach grob fehlerhaft. Die Senkrechten sind aus dem Lot. Ein üblicher Anfängerfehler, der den Dossenbachs als Kursleiter häufig genug begegnet sein dürfte.
Das Foto hat natürlich einen ganz besonderen Charme, weil alle Reiter und Pferde sich in einer Schräglage befinden und dadurch automatisch ein besonderes, rätselhaftes Gefühl erzeugt wird, denn diese Situation kommt in der Natur nicht vor.
Die Autoren ermutigen zwar dazu, Risiken einzugehen und Grenzbereiche zu erforschen, diese "Lösung" dürfte aber nicht zu den erwünschten Effekten gehören. Das hat mich stutzig gemacht. Wieso haben die Autoren das nicht bemerkt? Sie werden für dieses Buch die besten Fotos aus mehreren zehntausend ausgesucht haben.
Auch die Lektoren des Verlags haben es nicht bemerkt. Ansonsten ist das Buch sehr sorgfältig gemacht. Wer sich irgendwie als Fotograf für Pferdefotografie interessiert, muß das Buch haben.
Wäre ich ein professioneller Pferdefotograf, würde ich es trotz eigener Kompetenz ebenfalls kaufen, denn es würde mich doch interessieren, was die Kollegen so aus dem Nähkästchen plaudern und wie sie sich darstellen.
Dann würde ich mich fragen: wie schneidet meine eigene Arbeit im Vergleich dazu ab? Was kann ich von denen lernen? Denn man lernt bekanntlich nie aus. So endet das Buch denn auch mit der Empfehlung, fleißig die guten Bilder zu studieren, die allenthalben in Fotozeitschriften und Pferdemagazinen abgebildet werden.
erschienen 06.04.02
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