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| Vertrauen � kostbares Gut, das leicht zerbricht Teil 20 | | |
"Ich drück eh schon so fest, aber der blöde Gaul geht nicht dorthin, wohin ich will!"
Diesen Satz habe ich als Reitlehrerin schon des Öfteren gehört und als Besitzerin sehr sensibler Schulpferde weiß ich, dass hier erstens in der Mehrzahl der Fälle die Schuld beim Reiter liegt und dass es sich zweitens meist nicht nur um einen gravierenden Fehler handelt, den sich der betreffende Reitschüler gerade leistet. Vielmehr sind es fast immer mehrere Grundregeln der Hilfengebung, die dabei missachtet wurden, wenn das Pferd die Schenkelhilfen nicht befolgt.
So gibt es vor allem Missverständnisse zwischen Pferd und Reiter, wenn dieser seinen Schenkel nicht an der richtigen Stelle oder zum falschen Zeitpunkt einsetzt. Vor allem bei diversen Drehungen und Seitwärtsgängen ist diesbezüglich eine korrekte Hilfengebung unbedingt vonnöten, wenn man sich ein ordentliches Ergebnis vom Pferd erwartet. Warum sollte schließlich das Pferd in perfekter Manier arbeiten, wenn es sich anhand der undeutlichen Schenkelhilfen gar nicht sicher sein kann, was sein Reiter von ihm will? Wird es dann womöglich noch getadelt, weil nicht alles wie am Schnürchen klappt, bleiben natürlich auch beim Pferd die Frustgefühle nicht lange aus.
Viele Reiter haben aber leider kein Gespür dafür, wo ihr Schenkel sich gerade befindet und drücken z.B. immer weiter hinter dem Sattelgurt, obwohl sie eigentlich die Vorderhand des Pferdes seitlich bewegen wollen, oder umgekehrt. Man kann dann oft die ärgsten Verrenkungen sehen, ohne dass der richtige Punkt jemals berührt wird, doch anstatt konsequent und einsichtig an diesem Problem zu arbeiten, wird nach mehreren Fehlversuchen die Schuld lieber doch dem Pferd zugeschrieben und/oder das Interesse an solchen Übungen rasch verloren.
Ähnlich, nur noch weitaus schwieriger ist es um den richtigen Zeitpunkt der Hilfen bestellt. Eine optimale Einwirkung auf den Bewegungsablauf des Pferdes wird nämlich nur dann erreicht, wenn der Einsatz des Schenkels genau dann erfolgt, sobald das jeweilige Bein abfußt. Will man also z.B. das linke Hinterbein des Pferdes vorwärts, seitwärts oder rückwärts bewegen, dann sollte die entsprechende Schenkelhilfe genau in diesem Moment stattfinden, in dem dieses Bein vom Boden abhebt. Jede zu frühe oder zu späte Hilfe hat keinen nennenswerten Einfluss mehr auf Richtung und Länge dieses Schrittes, sondern verwirrt das Pferd nur.
Da man für dieses Timing ein sehr gutes Körpergefühl, viel Einfühlungsvermögen in die Bewegungen des Pferdes und natürlich jede Menge Übung benötigt, ist auch dies ein Bereich, wo es immer wieder zu Missverständnissen und Reibereien zwischen Reiter und Pferd kommt. Potenziert wird das Ganze dann noch durch den Umstand, dass bei den meisten Reitlektionen beide Schenkel zum gleichen Zeitpunkt unterschiedliche Hilfen geben müssen, wodurch fast alle Reitanfänger, aber auch viele Fortgeschrittene restlos überfordert sind.
Und auch auf die Art der Druckausübung kommt es bei den Schenkelhilfen an. So bewirkt etwa ein ständiger, kräftiger Schenkeldruck keineswegs eine raschere oder bessere Befolgung der Anweisungen, sondern wird vom Pferd mit der Zeit einfach ignoriert oder mit Gegendruck beantwortet. Solche Hilfen wirken also abstumpfend oder irritierend, während jeglicher Druck, der kurz und rhythmisch erfolgt, einen sensibilisierenden Einfluss hat. Je nach Pferdetyp kann man hiermit auch korrigierend auf das Temperament des betreffenden Tieres einwirken, doch dies ist wieder ein eigenes Thema.
Im Zusammenhang mit dem Vertrauen des Pferdes in seinen Reiter wollte ich mit diesen Erklärungen nur deutlich machen, wie leicht es aufgrund fehlerhafter Schenkelhilfen zu Missverständnissen und Unstimmigkeiten kommen kann, welche oft sehr schnell in beiderseitigen Aggressionen und mitunter sogar in einem völligen Vertrauensbruch gipfeln können, was mit ein bisschen Einsicht und Lernbereitschaft seitens des Reiters durchaus vermeidbar wäre.
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