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Mit den Augen der Pferde
Teil 2


Die Bedürfnisse und Wünsche unserer Jungpferde

In dem dieswöchigen zweiten Teil meines außergewöhnlichen Fachartikels, in dem ich auch unsere Pferde sozusagen direkt zu Wort kommen lasse, möchte ich vermehrt auf das Thema 'Jungpferdeaufzucht und -ausbildung' zu sprechen kommen.
Es ist dies sicher eine eher heikle Angelegenheit, denn nur die wenigsten Menschen werden wohl meiner Meinung sein, wenn ich behaupte, dass gerade auf diesem Gebiet mehr individuelle Anpassung gefragt sein sollte.

Dies beginnt bereits im zarten Fohlenalter, wenn der Absetzzeitpunkt und die Absetzform ganz nach den Vorstellungen des jeweiligen Züchters festgelegt werden, ohne auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Tiere besonders Rücksicht zu nehmen, wie die folgende wahre Geschichte belegen soll.




Leises Flehen eines Fohlens


Als ich vor Jahren einmal mit einer Freundin bei einem Pferdehändler war, um mich nach einem geeigneten Schulpferd umzusehen, kam ich bei meiner Besichtungstour auch an einem Laufstall vorbei, in dem etwa 15 Fohlen - fast durchwegs Haflinger-Hengstfohlen - übermütig herumtollten. Nur ein Tier stach in vielerlei Hinsicht als etwas Besonderes heraus. Wie sich später herausstellte, handelte es sich bei der grazilen, fuchsfarbenen Schönheit um ein knapp 5 Monate altes Trakehner-Stutfohlen. Völlig verängstigt drückte es sich in eine Ecke, um so den ungestümen Attacken seiner Mitbewohner zu entgehen. Dabei sah es mich so hilfesuchend an, dass ich mir sofort lebhaft vorstellen konnte, wie es sich - wenn es könnte - mit leisem Flehen an mich wenden würde.

"Bitte hol mich hier raus! Die Anderen hier sind so wild und grob! Ich habe Hunger und Angst und ich will zu meiner Mami! Die Menschen hier sagen immer, ich sei so süß und bildhübsch, deshalb müsse ich auch keine Angst haben. Sie meinen, ich werde bestimmt einen Käufer finden. Was bedeutet 'Käufer finden' eigentlich? Ich will doch nur zu meiner Mami und mir den Bauch mit süßer, warmer Milch vollschlagen. Sonst brauche ich doch gar nichts!"

Ich war von diesem herzerweichenden Blick so gerührt, dass ich tatsächlich in Erwägung zog, das Fohlen zu kaufen, obwohl ich dafür weder Platz noch Geld übrig hatte. Der Händler allerdings meinte damals, dass ich mich um dieses zarte, aber wunderschöne Wesen nicht sorgen müsse, denn es würde sicher in den nächsten Tagen verkauft werden. Die Haflinger-Hengstfohlen wären da schon wesentlich ärmer dran, denn diese würden nach einer kurzen Mast als Schlachtpferde nach Italien gebracht werden.



Damals habe ich mich schon gefragt, warum eigentlich so viele Pferde gezüchtet werden müssen, wenn sie dann doch nur in der Wurst landen. Doch andererseits schienen diese Fohlen völlig unbeschwert, während das süße Stutfohlen unter dieser Situation sichtlich litt.
Solche Fälle sind meiner Meinung nach noch eine viel größere Tierquälerei, denn dieses Fohlen hätte keinesfalls so früh von der Mutter getrennt werden dürfen. Gerade Stutfohlen brauchen die Mutter nämlich viel länger als ihre draufgängerischen männlichen Artgenossen.
Hengstfohlen entfernen sich ab dem 4. Monat von selbst immer weiter von der Mutter und verkraften eine frühzeitige und auch abrupte Trennung meist ganz gut.
Stutfohlen bleiben unter natürlichen Verhältnissen aber bei der Herde und werden von ihren Müttern meist solange gesäugt, bis diese ein neues Fohlen bekommen. Bei manchen Stuten kann dies sogar 2 Jahre oder länger dauern.

Meine Anglokabardinerstute hat ihr erstes und einziges Stutfohlen fast drei Jahre gesäugt und bemuttert sie auch heute noch. Dies ist natürlich ein Extremfall und von professionellen Züchtern nicht durchführbar, aber zumindest 6-8 Monate könnte man jedes Stutfohlen bei seiner Mutter belassen, denn bei ausreichender guter Fütterung stellt dies für keine Stute ein wirkliches Problem dar.

Mit dem Absetzen beginnt dann für die Fohlen ein neuer Abschnitt ihres Lebens, der für ihre weitere Zukunft äußerst prägend ist und deshalb nicht einfach als nutzlose Zeit des Wartens (bis man die Pferde endlich reiten kann!) angesehen werden sollte.

Weidehaltung wird für solche Jungtiere oft als ideale Entfaltungsmöglichkeit angesehen, doch dass dies nicht immer der Fall ist, beweist der folgende - ebenfalls aus dem Leben gegriffene - Beitrag.




Hilferufe eines jungen Weidepferdes


"Hilfe! Hört mich denn niemand? Ich habe schreckliche Angst! Es ist plötzlich so finster geworden, und von irgendwoher grollt es bedrohlich.
Ich kann mich noch erinnern, dass ich soetwas schon einmal erlebt habe, aber dann sind Menschen gekommen und haben meine Mutter und mich in den Stall gebracht. Dort habe ich mich sicher gefühlt. Jetzt aber stehe ich hier auf dieser Weide und fühle mich hilflos und allein. Ach, wie sehr sehne ich mich nach meiner Mutter und nach meinen Freunden.
Ja, es stimmt schon, dass auch noch andere Jungpferde hier mit mir leben, und dass wir eine große Schutzhütte haben, aber leider akzeptieren mich die anderen nicht, weil ich so klein und schmächtig bin. Deshalb darf ich mich nicht unter das schützende Dach stellen und von den besten Futterplätzen werde ich auch vertrieben.
Meine Besitzerin kommt einmal im Monat auf Besuch und fragt mich immer, wie es mir geht, und ob ich dieses freie Leben genieße. Ach, wenn ich ihr nur sagen könnte, dass mir das alles eigentlich gar nicht gefällt, dass mein Bauch schmerzt, und ich mich einsam und verlassen fühle.
Letztes Mal hat sie mir erklärt, dass die unbeschwerte Zeit nun bald vorbei sein werde und ich wieder zurück in meinen alten Stall müsse. Sie glaubt, dass sie mir damit etwas Schreckliches antun würde. Naja, den anderen scheint es ja hier ganz gut zu gefallen, und sie kann ja nicht wissen, wie sehr ich mich aber auf meine gemütliche Box, die mich vor allen Gefahren beschützt, freue. Außerdem bekomme ich dann endlich wieder genug zu fressen, ohne dass ich ständig verjagt werde. Jetzt - da hier alle so böse zu mir sind - weiß ich auch die Streicheleinheiten meiner Besitzerin erst so richtig zu schätzen.
Ich gelobe jedenfalls hoch und heilig, dass ich für den Rest meines Lebens ganz brav sein werde, wenn ich dieses Abenteuer hier tatsächlich überstehen sollte. Hoffentlich ist es bald zu Ende!"





Selbstverständlich bin auch ich ein Befürworter von natürlichen Haltungsbedingungen, aber nicht alles, was auf den ersten Blick natürlich erscheint, ist auch für jedes einzelne Tier ideal.

Die bei uns meist praktizierte Weidehaltungsform, bei der ein- bis dreijährige Hengste auf einem gemeinsamen Areal gehalten werden, fördert bei allen Altersstufen nicht unbedingt eine gesunde psychische Entwicklung, und die jüngeren Pferde leiden oft auch körperlich darunter, wie wir aus der oben angeführten Geschichte gelernt haben.

Das, was diese Hengste dabei sehr gut lernen, ist das 'Gesetz des Stärkeren', sodass sie dann im Umgang mit den Menschen ebenfalls versuchen werden, sich mit Gewalt durchzusetzen, was durchaus gefährliche Ausmaße annehmen kann.
Immer wieder konnte ich hautnah erleben, dass ehemals umgängliche und schon sehr folgsame Junghengste nach längeren Weideaufenthalten wieder zu ungebärdigen, rüpelhaften Wildpferden wurden.
Umgekehrt erscheinen jüngere, schwächere Tiere danach sehr ängstlich und schreckhaft. Oft sind sie auch abgemagert und hochgradig verwurmt (deshalb auch die oben genannten Bauchschmerzen), was sich auf ihre allgemeine Entwicklung ebenfalls sehr hemmend auswirkt.

Demzufolge plädiere ich dafür, dass nur gleichaltrige Hengste zusammengehalten werden, sodass sich wirklich alle Tiere frei entfalten können.

Im Gegensatz dazu sollten Jungstuten möglichst im mütterlichen Herdenverband aufwachsen, um so ihre späteren Aufgaben als Zuchtstuten beizeiten zu erlernen. Auch für zukünftige Reitstuten ist es von Vorteil, wenn sie mit älteren, erfahrenen Stuten aufwachsen, die ihnen als Vorbild dienen können.
Können Jungtiere dabei zusehen, wie andere Pferde in ruhiger und selbstverständlicher Weise geritten werden, machen sie später beim Anreiten meist keinerlei Probleme.

Wer also seinem jungen Hengst regelmäßigen großzügigen Auslauf mit gleichaltrigen Geschlechtsgenossen bietet und seine junge Stute in einer Herde mit Stuten aller Altersstufen aufwachsen lässt, kann wohl mit gutem Gewissen behaupten, das Beste für sein Tier getan zu haben.
Unter solchen Bedingungen können sich Jungpferde geschlechtsspezifisch optimal entwickeln, wobei wir aber nicht vergessen sollten, dass wir keine Wildpferde heranzüchten wollen.

Deshalb ist es ganz wichtig, dass bereits in dieser Phase ein häufiger positiver Kontakt zum Menschen nicht vernachlässigt wird. Dazu gehören nicht nur Streicheleinheiten, sondern auch konsequente Erziehungsmaßnahmen, die den alltäglichen Umgang und die spätere Ausbildung enorm erleichtern.
Jedes Jungtier sollte nicht nur halfterführig und schmiedefromm sein, sondern auch bei sinnvoller Bodenarbeit mit natürlicher Neugier freiwillig mitspielen. Mit abwechslungsreichen Übungen und Spaziergängen an der Hand kann man so bereits zu seinem Jungpferd eine vertrauensvolle Bindung aufbauen, ohne es zu langweilen oder zu überfordern.

Damit haben wir einen guten Übergang zu den Reitpferden gefunden, über die Sie dann nächste Woche mehr lesen können.



Ihre Meinung zu diesem Artikel interessiert mich übrigens immer noch. Also zögern Sie nicht lange und schreiben Sie eine E-mail an   PANTERARANCH@a1.net.
Wünsche, Meinungen, Anregungen, aber auch eigene Erfahrungsberichte sind mir jederzeit herzlichst willkommen!




Kontakt
Heidelinde Keppel  
Hauptstr. 67A A-2723 Muthmannsdorf
E-Mail   Heidelinde Keppel  
Tel. +43 2638/88023 Mobil 0664/4992935





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