| | Taube Guru Guru auf dem Rücken von Zivilist | | | |
Nach einer Woche war ich dann soweit und traute mich an den Trab heran. "Auf, Heinz, heute probieren wir es!" Auf Zügel wollte ich verzichten, legte Zivilist aber für alle Fälle einen Gürtel um den Hals, an den ich mich hätte klammern können, wenn die Angst zu groß geworden wäre. Oder wenn etwas passierte... Schon wieder diese Bedenken! Heinz hielt das lange Seil in der Hand. Nach einer Runde Schritt nahm ich all meinen Mut zusammen: "Heinz, ich trabe gleich an. - Zivilist, komm, traben, traben!" Entweder erschrak er ein wenig, oder es war nur Verwunderung, jedenfalls machte er einen Ruck nach vorne, den ich natürlich gleich wieder für den Auftakt zum großen Malheur ansah. Doch Zivilist trabte gleichmäßig über die Koppel. Heinz lief etwas vornübergebeugt, das war für Zivilist das Signal zum Traben. Das hatte ich einfach bei den Pferden abgeschaut, die bei schnellerer Geschwindigkeit den Kopf vorstrecken, bei reduzierter Geschwindigkeit aber den Kopf hochnehmen. Ich hatte mit Heinz abgesprochen, daß wir dieses erste Traben auf fünf oder sechs Schritte begrenzen wollten, danach käme wieder Schritt. Selbst das funktionierte gut, Heinz nahm den Kopf wieder höher, ich sagte: "Schritt, Zivilist!", und als er nicht gleich reagierte, verringerte Heinz seine Geschwindigkeit weiter. "Schritt, Zivilist, langsam!" forderte ich ihn auf, und er fiel wirklich in den Schritt zurück. Vor Begeisterung sprang ich noch im Laufen ab, umarmte ihn herzlich mit den Worten: "Jawoll! Wir sind getrabt! Toll! Wir haben’s geschafft!" "Das WIR ist wohl ein wenig deplaziert", meinte Heinz, "Zivilist hätte sich das schon lange getraut!" Und wieder umarmte ich Zivilist und wollte ihn mit Karottenscheibchen verwöhnen, aber er schaute mich nur fasziniert an und wollte überhaupt keine Karottenscheiben, statt dessen forderte er mich mit Kneifen ins Bein zum Spielen auf. Da begriff ich, daß auch das Reiten für ihn nur Spiel war. Also wollte ich es für ihn so interessant wie möglich gestalten und Spiele einbauen. Wir erfanden das Postbotenspiel, bei dem Briefe an Freunde auf der Koppel verteilt wurden und Päckchen mit Karottenfüllung durch Beriechen aufzuspüren waren. Und wir versteckten Päckchen auf Bäumen oder hinter Büschen. Nun wagte ich mich an den Galopp. Das Anspringen übte ich erst vom Boden aus, indem ich Zivilist aufforderte: "Hoppa galoppa!", wobei ich selbst vorsprang und rannte. Zivilist übernahm das sofort, sprang an und galoppierte los. Wie einfach das klappte, es war fast unglaublich! "Hoppa galoppa" stand für normalen Galopp, später kam dann noch "Ariva" dazu, das bedeutete, daß Zivilist wie ein Wilder lospreschen durfte. Dann kam der Ernstfall, nämlich den Galopp auch zu reiten. Mike half mir aufs Pferd und hielt es an einem langen Seil. Für den Fall, daß Zivilist zu schnell würde, sollte er "Langsam!" rufen. Ich war mutig und forderte Zivilist auf: "Also dann, Zivilist, Hoppa galoppa!", wobei ich mich vorbeugte, um den ersten Sprung aufzufangen, während Mike den ersten Galoppsprung tat und lossprintete. Es klappte! Beim Anspringen schlug Zivilist mit den Hinterbeinen aus, eine Angewohnheit, die er auch später beibehielt. Ich konnte es selbst kaum glauben: Ich hatte es geschafft! Wir hatten es geschafft! Glückstrunken stieg ich von Zivilist ab und fiel ihm um den Hals. Die Freude eines kleinen Mädchens überschwemmte mich. Völlig überdreht lachte und weinte ich gleichzeitig, wobei ich das wunderbare Gefühl hatte, eine Grenze überwunden oder eine Schallmauer durchbrochen zu haben. Mike lächelte etwas verlegen in sich hinein. Ich fühlte, daß er meine Freude teilte, auch wenn er sie weniger zum Ausdruck brachte als ich; und immerhin war er als "Bodenpersonal" ja auch an meinem Erfolg beteiligt, war schließlich die ganze Koppellänge mitgelaufen.
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