Die klassische Ausbildung erfordert viel Selbstdisziplin und Mitdenken. Um ein Pferd in üblicher Zeit bis zu einem gewissen Abschluss der Grundausbildung zu bringen, muss dieses dann in der Lage sein, sich ungezwungen in leichter Versammlung zu bewegen.
Bis zu diesem Ziel braucht es mindestens zwei Jahre der konsequenten, geduldigen Ausbildung, frühestens dann ist das Pferd soweit, dass es eine Dressurprüfung der Klasse L (leicht) auf Trense gezäumt absolvieren kann. Den Schwerpunkt für eine der Disziplinen für das weitere Reiten zu setzen, steht danach nichts mehr im Wege. Dafür wünsche ich den Reiterinnen und Reitern, die sich mit ihrem Pferd auf dem �klassischen' Ausbildungsweg befinden, viel Erfolg! Aber mir selbst wünsche ich, dass sie bei allem was sie dabei tun, zuerst an Ihr Pferd denken, und sollte es auch nur deshalb sein, weil von der Gesundheit ihres Pferdes ihr Erfolg und ihr Glück im Sattel abhängt.
Für die Form der schriftlichen Ausbildungshilfe habe ich eine junge Reiterin vor Augen, die sich genau in der Situation �junge Reiterin - junges Pferd' befindet, der kein Ausbilder und nur selten eine Reithalle zur Verfügung stehen, sondern nur ein Reitplatz mit der üblichen Größe von 20 x 40 Metern. Dieser Reiterin und ihrem Pferd versuche ich durch Briefe zu helfen, die in einer zeitlichen Folge geschrieben werden, die etwa den üblichen Zeiträumen bei der Grundausbildung entspricht. (Aber auch geübten Reitern jeglicher Reitweise ist es nicht verboten, mal in diese Internet-Seiten zu schauen, sei es, um ihr Wissen wieder aufzufrischen oder bestätigen zu lassen oder sich kritisch zu Wort zu melden.)
Die junge Reiterin hat die Möglichkeit, mir Fotos und/oder DVDs von sich zu schicken und schriftlich gezielte Fragen zu stellen, auf die ich gerne nach meinem bestem Wissen antworte. Auch den Lesern dieser Lehrbriefe biete ich an, sich über die Adresse › Gudrun Schultz-Mehl auf diese Weise speziellen Rat von mir zu holen, wenn sie mit ihrem Pferd mal in einer Sackgasse stecken.
15. Juli 2007
Liebe Nora,
heute möchte ich den Anfang zu meinem Versprechen wahr machen, Dir aus der Ferne bei der Ausbildung Deiner jungen Stute wenigstens theoretisch zu helfen - womit ich auch schon mitten im Thema bin:
DIE THEORIE rund um die klassische Ausbildung. �VOR DEM KÖNNEN KOMMT DAS WISSEN' sagt ein Sprichwort. Das gilt immer und überall im Leben und ohne die nötigen theoretischen Kenntnisse wird man bei der klassischen Ausbildung eines Pferdes scheitern.
Du hast vor einem Jahr mit dem Reiten und mit Unterricht in Deinem Heimatverein begonnen. Nachdem Du einigermaßen sattelfest warst, hattest Du aber das Empfinden, dass Dich der Unterricht auf den Pferden Deines Vereins nicht mehr viel weiter bringt. Das Wesen der Pferde ganz allgemein ist Dir inzwischen aber vertraut und Du weißt schon recht viel, worauf man beim Reiten achten muss. Wie weit Du reiterlich inzwischen bist, weiß ich aus eigener Anschauung nicht; es hängt davon ab, wie häufig Du in dieser Zeit geritten bist, es hängt ab vom Ausbildungsstand des oder der Lehrpferde, ob sie Dir tatsächlich das erwünschte Reitgefühl vermitteln konnten; es hängt ab von dem oder den Ausbildern, ob diese tatsächlich auf dem erforderlichen Niveau richtiges Wissen weitergeben konnten, ob sie das nötige geschulte Auge hatten, Fehler bei Reiterin und Pferd zu erkennen und richtig zu korrigieren, ob sie sozusagen �von unten mit reiten' konnten und nicht nur Pseudowissen vermittelten.
Für eine Reiterin, die erst ansatzweise mit der klassischen Ausbildung konfrontiert wurde, ist es auch schwer zu erkennen, ob der Ausbilder diese erforderlichen Qualitäten überhaupt besitzt, zumal es, gemessen an der Masse der heutigen Reiter, zu wenig erfahrene Ausbilder gibt. Und wenn man einen wirklich guten Ausbilder findet, dann ist es meist ein professioneller Ausbilder, der durch seinen Unterricht sein Leben bestreiten muss, dessen regelmäßiger Unterricht also für viele unerschwinglich ist.
Und in dieser Situation bist Du nun. Du hast vor wenigen Wochen ein etwa dreieinhalbjähriges Pferd gekauft, das von der Koppel kommt, also ohne jede Ausbildung ist und nur das Führen am Halfter kennt. Du willst aber von Anfang an alles richtig machen und willst kein Pferd, um nur darauf spazieren zu reiten, sondern Du möchtest richtig und gut reiten, um auch, sei es sportlich auf Turnieren oder ganz allgemein, Anerkennung zu finden mit Deinem Pferd. Und Du möchtest �das Glück der Erde' genießen, das Du auf den Schulpferden nur unvollkommen erleben konntest.
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