| | | Charlotte und Butterby Jasmin |  |  |  |
| | | | Glücklich oder eher nicht? |  |  |  |
| | Überhaupt sollten sich Erwachsene immer wieder einmal in kleine Kinder hineinversetzen. Von da ganz unten sieht die Welt nämlich völlig anders aus. In manchen Erlebnisparks sind Wohnungseinrichtungen aufgestellt, die den Erwachsenen die Sicht der Kinder nahebringen. Tische und Stühle und Schränke sind riesengroß, und wenn man vor diesen riesigen Möbeln steht, kann man nachvollziehen, wie Kinder die Welt erleben. Und nun setzt man so ein kleines Kind auf den Rücken eines kleinen Pferdes. Für uns ist ein Shetland Pony winzig, aber für ein Kind ist es mindestens so groß wie für uns ein Shire Horse.
Deshalb fand ich es ganz bezeichnend, daß ich auf der offiziellen Internet-Seite eines britischen Shetland Pony-Gestüts ein Foto eines kleinen Mädchens fand, das perfekt ausstaffiert ist mit Reitkappe, britischer Reitjacke und hellen Reithosen, dabei aber höchst unglücklich aussieht. Vielleicht hat es Angst, vielleicht fühlt es sich einsam und verloren, auf jeden Fall hat man den Eindruck, ihm sei zum Heulen zumute. Dabei ist das Pony in diesem Fall anscheinend gar nicht mal das Problem (» Charlotte and Jasmin). Vielleicht sitzt das Kind nur auf dem Pferd, weil die Eltern es wünschen - dieses Phänomen soll gar nicht so selten sein.
Die Shetland Ponies, mit denen meine Kinder ihre ersten Erfahrungen gesammelt haben, waren natürlich ebenfalls absolut brav - anders hätte es in einem Reitbetrieb auch gar nicht sein können. Trotzdem konnten die Kinder schnell die Erfahrung machen, daß mit diesen kleinen Pferde nicht zu spaßen ist. Ihre Intelligenz und Eigenwilligkeit ist geradezu sprichwörtlich, und ich kann mich noch gut daran erinnern, daß das eine oder andere Pony die Kinder auch mal beim Putzen in den Arm gezwickt hat. Das war ihnen aber egal, wenn sie nur bei den Pferden sein konnten. Dafür standen sie sogar frühmorgens auf, um sie von der Weide zu holen.
Zuhause im Alltag trauerten sie natürlich den Pferden nach. Die wöchentliche Reitstunde im örtlichen Reitverein, die darüber hinwegtrösten sollte, konnte den Verlust nicht aufwiegen. Deshalb war ich nicht überrascht, daß sie eines Tages fragten: "Papa, können wir nicht auch ein Pony haben?" Ohne nachzudenken antwortete ich: "Das können wir uns nicht leisten." Wie oft ich mich darüber schon geärgert habe! Das war unverantwortlich. Ich war nicht überrascht, aber doch völlig unvorbereitet.
Ich hätte mich informieren sollen! Und dann wäre ich vermutlich zu dem Schluß gekommen, daß wir uns zwar vermutlich nicht Pferde, aber doch Shetland Ponies hätten leisten können. Was hätten wir alles zusammen erleben können! Nicht daß die Kinder mir das übelgenommen hätten - sie haben meine Aussage mit der kindlichen Überzeugung akzeptiert, daß diese fundiert und unumstößlich wahr sei. Dabei habe ich ihr Vertrauen mißbraucht, denn meine Antwort war völlig aus der Luft gegriffen. Ich hatte gar keine Ahnung und gab lediglich meinem Vorurteil nach, meiner Selbsteinschätzung, für solche Extravaganzen zu arm zu sein.
Meine Töchter haben das Beste daraus gemacht, sind einmal in der Woche zum Reitverein gegangen, haben sich auf den Sommerurlaub gefreut und sich ansonsten ihren Rollenspielen hingegeben. Auch heute noch, wo sie erwachsen sind, nehmen sie mir das nicht übel. Es hat ihnen nicht geschadet und sie beteuern, nichts vermißt zu haben, aber ich werde das Gefühl nicht los, daß wir alle ein besseres Leben gehabt hätten, wenn ich damals nicht so unangemessen reagiert hätte.
Zwar legt die Größe dieser kleinen Pferde die Verwendung für Kinder nahe, aber tatsächlich können diese Pferde auch für Erwachsene die Erfüllung bedeuten. Natürlich taugen sie nicht als Reitpferde für Erwachsene, obwohl sie ursprünglich wohl auch als Reitpferde genutzt worden sind. Wenn aber die Beine auf dem Boden schleifen, macht das Reiten keinen Spaß mehr, selbst wenn das Pony keinen Schaden leiden sollte. Deshalb werden die Ponies nur bis zu einem bestimmten Alter als Reitpferde genutzt. Man kann aber noch viel mehr mit Shetland Ponies machen, und deshalb sind sie auch für größere Kinder und sogar für Erwachsene interessant.
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