Die Jagdfreunde fanden aber nicht, daß ihre Freundschaft so weit gehen sollte. Also mußten die Nez Percé schon wieder umdisponieren. Sie entschlossen sich diesmal, nach Norden umzuschwenken. Sie hatten aber wohl nicht damit gerechnet, daß die Armee nicht nur über Haubitzen, sondern auch über den Telegraphen verfügte. Zweimal wurde ihnen der Weg abgeschnitten, weil Truppen in ihrer Richtung telegraphisch alarmiert werden konnten. Das erste Mal gelang es ihnen noch, auszuweichen. Beim zweiten Mal sahen sie ein, daß es aussichtslos war.
Das Scheitern der Flucht ist dramatisch und tragisch und hat die Phantasie der Menschen seither beschäftigt. Natürlich wird man nie aller Einzelheiten kennen, aber dank des Internet kann man sehr viel herausbekommen. So diente ihnen ein Halbblut, ein Mischling aus Franzose und Nez Percé, der unter anderem als » Poker Joe bekannt war, als Führer. Der kleine Mann stieß eigentlich eher zufällig zur Gruppe und erwies sich als unentbehrlich. Er trieb angesichts der schon erlittenen Verluste zur höchsten Eile an, was zu Spannungen und schließlich zu seiner Absetzung führte. Sein Nachfolger ordnete sofort eine Ruhe an, damit sich Menschen und Tiere erholen konnten. Man wähnte sich in Sicherheit.
In Wirklichkeit aber befand sich eine neue Truppe im Eilmarsch, um ihnen den Weg abzuschneiden. Sechzig Kilometer vor der kanadischen Grenze, hinter der sie in Sicherheit gewesen wären, fand die letzte Schlacht statt, am 30. September 1877. Zwar waren auch dort die Indianer im Vorteil, aber sie hatten erhebliche Verluste unter Frauen und Kindern erlitten und wußten, daß General Howard ebenfalls im Anmarsch war. Poker Joe wurde in diesem Gemetzel versehentlich getötet. Auf amerikanischer Seite kämpften 29 Cheyenne und ein Sioux, die als Scouts gedient hatten, und zwischen den 150 Nez Percé wurde Poker Joe irrtümlich für einen der gegnerischen Indianer gehalten. Poker Joe hatte die Nez Percé über 500 Meilen geführt.
Chief Joseph entschied am 5. Oktober, den Kampf zu beenden und aufzugeben. Es war sehr kalt geworden, die Verluste waren hoch, seine Leute hungerten, sie waren am Ende. Mehr als 1700 Kilometer hatten sie zurückgelegt und gegen 2000 Soldaten gekämpft. 65 Krieger und 55 Frauen und Kinder waren getötet worden, 180 Soldaten dann umgekommen, 150 verletzt.
Seine Rede ist berühmt, aber es ist zweifelhaft, ob sie authentisch ist. Sie wurde selbstverständlich in seiner Sprache gehalten, ist aber auf englisch überliefert:
| Tell General Howard I know his heart. What he told me before, I have it in my heart. I am tired of fighting. Our chiefs are killed; Looking Glass is dead, Too-hul-hul-sote is dead. The old men are all dead. It is the young men who say yes or no. He who led on the young men is dead. It is cold, and we have no blankets; the little children are freezing to death. My people, some of them, have run away to the hills, and have no blankets, no food. No one knows where they are�perhaps freezing to death. I want to have time to look for my children, and see how many of them I can find. Maybe I shall find them among the dead. Hear me, my chiefs! I am tired; my heart is sick and sad. From where the sun now stands, I will fight no more forever.
Richte General Howard aus, daß ich sein Herz kenne. Was er mir gesagt hat, trage ich in meinem Herzen. Ich bin des Kämpfens müde. Unsere Häuptlinge sind tot; Looking Glass ist tot, Too-hul-hul-sote ist tot. Die alten Männer sind alle tot. Es sind die jungen Männer, die ja oder nein sagen. Der, der die jungen Männer führte, ist tot. Es ist kalt, und wir haben keine Decken; die kleinen Kinder erfrieren. Mein Volk, einige von ihnen, sind in die Wälder geflohen und haben keine Decken und nichts zu essen. Keiner weiß, wo sie sind - vielleicht sind sie schon erfroren. Ich möchte Zeit haben, nach meinen Kindern zu sehen und herauszufinden, wie viele von ihnen ich noch finden kann. Vielleicht finde ich sie unter den Toten. Hört mich, meine Häuptlinge! Ich bin müde, mein Herz ist krank und traurig. Von nun an werde ich nie wieder kämpfen. » Chief Joseph | | |
Diese Rede wurde mit Bleistift vom späteren Rechtsanwalt und Dichter Leutnant C.E.S. Wood aufgezeichnet, der behauptete, diese Worte an Ort und Stelle niedergeschrieben zu haben. Am Rande findet sich allerdings eine Anmerkung, die vermuten läßt, daß dieser Eintrag später erfolgte: "Hier die Antwort von Joseph auf die Aufforderung zur Kapitulation eintragen" (» Nez Perce Tribe).
So stellt sich einmal mehr die Frage: Was ist Wahrheit? Aber ist das so wichtig? Das Schicksal der Nez Percé entwickelt seine eigene Dynamik im Laufe der Geschichte und ist noch längst nicht zu Ende. Sie haben vielleicht nicht umsonst gelitten.
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