| | Was die Beiden wohl aushecken? | | | |
| Ich will die entscheidende Ausgangslage noch etwas eingehender erörtern: Wie den ersten Kontakt arrangieren?
Da sind natürlich viele Möglichkeiten denkbar. Darauf, dass die Pferde "freiwillig" kommen, werden wohl die wenigsten warten wollen: Eine Beschränkung des Raumes wird also im Regelfall nötig sein.
Und selbst dann, glaubt man dem Zeugnis von Sinclair Browning, Mitautor des Buchs von John Lyons "Pferdetraining ohne Zwang" von 1999 (Original: Lyons on Horses, 1991, siehe auch Rezension Lyons: Pferdetraining ohne Zwang), kann man ein wild aufgewachsenes Pferd kaum "anlocken". Ich zitiere:
| Nun sollte ich erwähnen, dass ich vor einigen Jahren schon mit einem Wildpferd gearbeitet hatte. Ich hatte es auf die langwierige, freundliche Art probiert. Ich lockte es mit Äpfeln und Karotten und saß tagelang im Auslauf, bis sich das Pferd dazu entschloss, auch nur in meine Nähe zu kommen. Ich sprach mit ihm, sang ihm etwas vor, pfiff und bettelte und ich brauchte trotzdem Wochen, bis es nicht davonstob, wenn ich näher als 3 Meter herankam. Lyons, Pferdetraining ohne Zwang, Seite 8 | | |
Dies bedeutet aber doch, dass das wilde Pferd sich niemals aus eigenem Antrieb einem Menschen nähern wird! Offensichtlich gibt es da eine Art "Durchbruch" zu bestehen!
Eine interessante Parallele findet sich übrigens bei Hunden: Die spontane Annäherung von Welpen, die mit minimalem menschlichen Kontakt aufwachsen, nimmt mit 7 Wochen erheblich mehr Zeit in Anspruch als mit 3 - 4 Wochen und ist mit 14 Wochen nahezu aussichtslos! (Urs Ochsenbein, Der neue Weg der Hundeausbildung, 5. Aufl. 1993, Seite 46f)
Wie also vorgehen?
John Lyons nutzt den Roundpen. Er erarbeitet sich allererste Kontrollmöglichkeiten über das Pferd - beruhend auf "Frage und Antwort" (Aktion und Reaktion) - ehe er es zum ersten Mal berührt.
Dabei sucht er die Motivation durch entsprechenden Nachdruck zu erlangen: "Wenn die Lungen des Pferdes schmerzen, wird sich seine Haltung verändern." (Pferdetraining ohne Zwang, Seite 36)
Auch die Methodik ("Join up") eines Monty Roberts ist verwandt. Interessant scheint mir in diesem Zusammenhang vor allem sein Universalprinzip des "advance and retreat" ("Vorstoß und Rückzug") - das in abgewandelter Form ja bei allen guten Pferdeleuten eine zentrale Rolle spielt -, welches seiner Erzählung zufolge schon die Cherokee-Indianer bei Jagd und Wildpferdefang anwandten. (Monty Roberts: Der mit den Pferden spricht, Seite 59f)
Sadko G. Solinski beschreibt in seinem "Gymnasium des Freizeitpferdes" (2. Aufl. 1996, Seite 39 - 41) das über Wochen gehende Annähern des Menschen in einem größeren Verband von Tieren.
Allerdings werden die Junghengste dort auch traditionell erst einmal mit Lassos an Korralbalken "angebunden"; eine Methode mit sehr hohem Verletzungsrisiko, die ja auch von den Gauchos praktiziert wird: "palenquear" wird das hierzulande genannt. (Wir haben das schon im Zusammenhang mit Martín Hardoy und dem Bericht im GEOspecial gehört.)
Sie hat m. E. einen deutlich "traumatisierenden Effekt", auf den Solinski auch kurz hinweist: " ...[wir] konnten ... kurz ein Seil über ihre Hälse werfen, wobei sie meistens - wohl der schlimmen Erfahrung mit dem Lasso im Korral wegen - an Ort und Stelle erstarrten." (Solinski, Gymnasium des Freizeitpferdes, Seite 40f)
Was folgt nun aus all dem?
Der Mensch wird die Begegnung wohl so gestalten müssen, dass das Pferd eine Notwendigkeit sieht, sich dem Kontakt zu stellen (als dem "kleineren Übel" ); und er wird sie so gestalten wollen, dass sie sich womöglich in ein positives Erlebnis wandelt.
Oscar stellt eben diese Forderung als ersten Grundsatz der "Doma India" auf: Der Mensch sollte sich als "Wohltäter" des Pferds erweisen: "Das indianische Zähmen beginnt damit, dass sich der Pferdezähmer in den Wohltäter des Pferdes zu verwandeln hat." ("El principio de la Doma India está en que el domador debe convertirse en benefactor del caballo.")
Doch wie lässt sich das erreichen?
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