| | Das junge Pferd nach kurzem Kontakt. | | | |
| | | Oscar demonstriert das bereits erworbene Vertrauen und geht in die "manga". | | | |
| | | | Halfter anlegen, kein Problem! | | | |
| Jetzt kommt etwas Überraschendes, das jedoch sofort in seiner tieferen Logik einleuchtet: Oscar nimmt den Kontakt nicht frontal auf. Er vermeidet es zunächst, dem Pferd sein Gesicht zuzuwenden!
Horst Sterns Kommentar zur Reaktion des Tieres aufs menschliche Gesicht kommt mir dabei in den Sinn:
| Allen Tieren ist das nackte menschliche Gesicht mit seiner großen Beweglichkeit meist ein Quell der Beunruhigung, ... So verdient man sich die Sporen, Seite 33 | | |
Die Wirkung ist verblüffend und doch so klar: Das junge Tier lehnt sich sogleich instinktiv an Oscar an! Es biegt nach kürzester Zeit seinen Hals förmlich um Oscars Rücken herum, anstatt sich abzuwenden - was Oscar auch demonstriert, indem er sich kurz mal umdreht.
Es erlebt Oscar offenbar als eine Stütze in dieser neuen Situation. Es sucht selbst den Körperkontakt. Oscar reibt Schultergürtel und Hinterkopf wohlig am Hals des "Potro". Dies nimmt diese Freundschaftsgeste dankbar an. Ist das nicht eine gelungene Einlösung der obigen "Forderung"?
Diese spontane Zuwendung hat im weiteren Verlauf einen ganz entscheidenden Stellenwert: Fühlt sich das Pferd "bedroht", sucht es den Menschen bald als Schutz auf.
Oscar nimmt nun immer mehr eine seitliche Position ein, legt den Arm um dessen Hals und bringt den Kopf von der anderen Seite her ganz zu sich herüber. Dies ist schon der entscheidende erste Schritt für das spätere Halfteranlegen.
Oscar öffnet eine seitliche Tür und geht selbst in die Manga. Er bringt dem Jungpferd von Anfang an sein vollstes Vertrauen entgegen! Später wird er das so ausdrücken:
| Was ich hier momentan erreichen will, das ist das Vertrauen des Pferdes. Und wie gewinne ich es? Indem ich es ihm entgegenbringe. Yo lo que quiero lograr acá es la confianza del caballo. Pues, ¿cómo lo logro? Dándosela. | | |
Gleichzeitig stellt dies sein Vertrauen auf eine echte Probe! Denn nur ein Hauch von Misstrauen und das junge Tier würde in helle Panik ausbrechen: "Es würde mich windelweich prügeln" ("me cocinaría a patadas") , stellt Oscar lapidar fest.
Der nächste Schritt: Halfteranlegen. Das selbstgeknüpfte Seilhalfter wirke auf das Pferd in seinen wellenartigen Bewegungen wie eine Schlange. Oscar macht das Pferd damit vertraut, lässt es vor ihm auf und abschlängeln, zieht es ihm über Nase, Gesicht, Kopf und Hals.
Da es schon gelernt hat seinen Kopf "zu geben", lässt es sich das neue Ding ohne jedes Widerstreben überstreifen.
Während Oscar sich mit seinem "Potro" beschäftigt, befassen sich die "alten Hasen" im Kurs mit den anderen Pferden.
Der heute gebräuchliche Ausdruck "desensibilisieren" ist m. E. nach nicht zutreffend. Da verkennt man die Sachlage. "Desensibilisieren" kann man nur bezüglich der Signalwirkung einer Einwirkung.
Hier geschieht etwas ganz anderes: Das Pferd wird überhaupt "empfänglich" für die menschliche Nähe und Berührung! Strenggenommen sensibilisiert man also!
Hier nennt man das "descosquillar" oder "sacarle las cosquillas": Die Kitzligkeit nehmen. Das ist viel treffender! Man nimmt dem Pferd die "Über-empfindlichkeit"; das was es eben nicht mehr (noch nicht) empfinden kann, wird als Empfindungsmöglichkeit gerade dazugewonnen!
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