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Galeriebeitrag Ausgabe 96.09 · Das Bild
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Nicht einmal der Titel hat mir geholfen. Der Maler zeigt sehr schön, daß der Bauer mit seinen beiden Pferden das gesamte Feld bereits gepflügt hat. Der Titel 'Die letzte Furche' kam bei mir zunächst einmal so an, als sei nun bald die Arbeit zu Ende, denn bei jedem Feld gibt es eine letzte Furche.

Ich erinnere nicht mehr, ob ich erst durch den Kommentar darauf gekommen bin, was hier gemeint ist, oder ob ich es selber gesehen habe. Auf jeden Fall ist diese Haltung eigenartig und ungewöhnlich, mit Sicherheit sogar erklärungsbedürftig.

Der Titel gibt immerhin für alle die, die nicht so begriffsstutzig sind wie ich, einen Hinweis, und schließlich kann man die Geschichte auch lesen: der Bauer macht keine Pantomime, stellt kein lebendes Bild, er ist gestorben.

Jedenfalls will der Maler uns das weismachen. Ich persönlich habe nur wenig Erfahrung mit dem Sterben, aber trotzdem beschleicht mich ein Unbehagen: so theatralisch, so gestellt sieht ein Mensch im Tode vermutlich nicht aus.

Die Gesichtsfarbe ist noch nicht gewichen, von Todeskampf keine Spur, die Muskeln halten alle noch, dieser Körper ist nicht zusammengesackt. Zwar sind die Beine eingeknickt, der Nacken hält aber den Kopf ganz energisch, die Arme halten die Leinen, wenn sie auch steif ausgestreckt sind.

Durch die Erfahrung vieler Filme sind wir heute nicht so leicht auf den Leim zu führen. Wenn ein Regisseur diese Szene so filmen würde, würde ihm das niemand abnehmen. So sieht das Sterben einfach nicht aus.

Wie kann man sich eine solche Szene erklären? In demselben Buch findet sich eine Karikatur von 1852, die die Antwort liefert:

Erstens sterben die Leute nicht so häufig in der passenden Pose, daß der Künstler hinreichend Gelegenheit hätte, seine Beobachtungen zu machen.

Zweitens ist es außerordentlich schwierig, von Handlungen, die naturgemäß sehr schnell ablaufen, eine Skizze anzufertigen, geschweige denn ein Gemälde.

Wenn man sich nun vorstellt, daß der Künstler für diese Sterbeszene ein Modell engagiert hat, das stundenlang, über Wochen oder Monate hinweg Modell gestanden - oder besser gekniet - hat, hat man die natürliche Erklärung für die unnatürliche Haltung.

Modell stehen oder sitzen ist außerordentlich anstrengend, weil man sich nicht bewegen darf. Es gilt also, eine Haltung zu finden, die man einigermaßen über längere Zeit hindurch aushalten kann. Eine solche Haltung kann man dann malen.

Selbst bei der kleinen Abbildung fallen die schönen, gepflegten Hände ins Auge, während der würdige Kopf so im Schatten liegt, daß jedenfalls die Abbildung des Buches nicht ganz klar erkennen läßt, welchen Ausdruck das Gesicht genau hat.

Auf jeden Fall wird suggeriert, daß es ein schöner Tod war, denn das Gesicht wirkt lebendig, entspannt, so als ob der Mann selig schlafen würde. Oder eben Modell knieen und sich langweilen. Ein totes Gesicht hatte der Maler wohl nicht vor Augen. Oder nein - jetzt habe ich es: der Tod ist just in dieser Sekunde eingetreten!

Wie sieht das aus? Ich weiß es nicht. Ich war noch nie dabei, als ein Mensch gestorben ist.

Den Tod meines Pferde habe ich miterlebt - das ging schnell, dauerte nur wenige Minuten, aber es sah nie natürlich oder selig aus - es gab keinen Zweifel, hier fand ein Todeskampf statt. Das kleine Lamm, das wir neulich begraben haben, sah im Tode allerdings aus, als schlafe es nur.

Ein harmonisches Leben mit vertrauten Pferden findet einen gnädigen Abschluß - so könnte die Absicht des Malers gewesen sein, denn dies ist offensichtlich eines der Bilder, bei denen man mit Recht fragt: was wollte der Künstler uns sagen?

Von diesem Maler hatte ich noch nie etwas gehört. Welcher Nationalität gehörte der Maler an? War es ein Engländer oder Franzose oder Belgier? Fragen über Fragen. Kurzerhand habe ich das Internet bemüht, genauer gesagt:  Google.





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