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Editorial zu Ausgabe 420

 
W. Popken im Fenster
Selbstportrait 08/2004
 
 
15.04.2007

Wasserkrise

Alle reden von der Klimakrise, aber keiner von der Wasserkrise. Keiner? Doch: Der Chef des » Nestlé-Konzerns, » Peter Brabeck-Letmathe. » Raubbau am kostbarsten Gut ist der Titel des Interviews, das er der » Zeit in der letzten Woche gab.

Dieses Interview hat mich aufgerüttelt, deshalb möchte ich Ihnen die Lektüre empfehlen. Eine Antwort zum allseits beliebten Thema Biosprit, der ja angeblich das Klima retten soll und deshalb allenthalben euphorisch gefeiert wird, wobei ich in diesem Zusammenhang noch nie von der Wasser-Abhängigkeit gehört habe:

Die allgemeine Begeisterung für Biokraftstoffe ist ökologischer Wahnsinn. Bis 2008 sollen allein in den Vereinigten Staaten 138 Millionen Tonnen Mais angebaut werden, nur um daraus Bioethanol zu machen. Für einen Liter Ethanol braucht man 4560 Liter Wasser; das müssen Sie sich mal vorstellen! Der Preis für eine Tonne Mais ist bereits von 128 auf 335 Dollar gestiegen. Biokraftstoffe führen dazu, dass die Preise für Grundnahrungsmittel dramatisch steigen. Die Autofahrer in den reichen Industrienationen werden subventioniert auf Kosten der Ärmsten der Weltbevölkerung.
» a.a.O.

Um Ihre Vorstellungskraft zu unterstützen, hier eine kleine Tabelle:

Liter Biosprit Liter Wasser

1

4.560

10

45.600

100

456.000


Wieviel geht in Ihren Tank rein?



Wasserwirtschaft

Das Thema ist nicht neu - ich habe es nur verschlafen. 2003 war das Jahr des Wassers, damals hat die UN schon versucht, die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken, und DIE ZEIT hat damals ebenfalls schon berichtet:

In einem Kilo Getreide stecken 1.000 bis 2.000 Liter Wasser, in einem Kilo Rindfleisch bis zu 16.000 Liter. Dass Dritte-Welt-Regierungen, um die Nahrungsmittelproduktion zu erhöhen, ihren Bauern Strom und Wasser oft umsonst zur Verfügung stellen, hilft nur selten den Ärmsten. Dagegen verführt es viele Großbauern zur Verschwendung. Die Intensivlandwirtschaft laugt zudem die Böden aus und fördert deren Erosion.
» Wer das Wasser hat, hat die Macht

Die Wikipedia behandelt das Thema relativ abstrakt:

Eine Wasserkrise ist ein Zustand des Wassermangels. Es ist eine besorgniserregende Situation, die sich insbesondere in ariden und semiariden Gebieten der Welt abzeichnet, weil sich dort Menschen angesiedelt haben und durch natürliche Zyklen, ungeschickte Landnutzung, die Bevölkerungsentwicklung oder problematische politische und technische Maßnahmen einen Wassermangel erfahren.
» Wasserkrise

Die Situation ist aber weitaus dramatischer, als ich mir das jemals habe vorstellen können. Eine einfache Suche bei der ZEIT half mir auf die Sprünge: » Wasserkrise. Dort finden Sie Links auf weitere interessante Artikel, z. B. » Fluß ohne Mündung, » Die H2O-Geschäfte, » Im Visier der Wasserpolizei, » Ein Schwimmbad für ein Kilo Steak.



Wasserwährung

Wasser wird überall gebraucht, wo etwas hergestellt wird. Selbst für die Produktion von Strom braucht man Wasser, zum Beispiel für die Kühlung. Es ist sehr interessant, zu erfahren, wieviel Wasser in den Produkten steckt, die wir täglich benutzen und verbrauchen, ohne daß wir an Wasser denken.

Produkt LiterWasserverbrauch
» Eine Tomate

13

» Ein Mikrochip

32

» Eine Tasse Tee

35

» Eine Tasse Kaffe

140

» Ein Baumwoll-T-Shirt

2,00

» Ein Kilogramm Steak

14.000

» Bundesbürger (Bedarf pro Tag)

4.000





Fleischproduktion

» Klimakiller ersten Ranges - so heißt ein Artikel über die Konsequenzen der steigenden Fleischproduktion auf der Welt.

Die globale Viehzucht ist ein Umweltverschmutzer ersten Ranges.

"Bei den schwersten Umweltproblemen", so der 400-Seiten-Report Lifestock�s Long Shadow, "gehört sie jeweils zu den wichtigsten zwei oder drei Faktoren." Ob Verlust von wertvollem Boden, Klimawandel, Luftverschmutzung, Wasserknappheit, Wasserverschmutzung oder Rückgang der Artenvielfalt � überall sei der Einfluss der Viehzucht so dominant, dass "die Probleme umgehend angegangen werden müssen", sagt Henning Steinfeld, Chef der Abteilung Viehzuchtpolitik bei der FAO in Rom und Hauptautor des Reports. [...]

Jeder verspeiste Hamburger hat sechs Quadratmeter Urwald gekostet. [...]

Nach den Zahlen der FAO belastet der globale Rinderbestand allein durch Waldverlust und Methan das Weltklima genauso stark wie alle Menschen Indiens, Japans und Deutschlands zusammen.

Zählt man die Wirkungen aller Rinder, Schafe, Schweine und Geflügel zusammen, und berücksichtigt man dazu noch die CO2-Emissionen einer weltweit immer mehr industrialisierten Landwirtschaft, kommt man laut FAO zu einem "enormen Beitrag der Viehzucht am Treibhauseffekt": 18 Prozent, mehr als der gesamte globale Verkehr und fast so viel, wie die USA in die Atmosphäre blasen.

Bereits jetzt ist fast ein Drittel der eisfreien Erdoberfläche mit Viehweiden bedeckt, und auf 33 Prozent der Ackerfläche wird Futter fürs Vieh angebaut. Allerdings liefert die zusätzliche Fleischproduktion nicht einmal einen Beitrag zur Ernährungssicherheit, weil die Tiere mehr Futter verbrauchen, als sie Fleisch produzieren: Ein Drittel der weltweiten Getreideernte landet in Viehmägen; jährlich verschlingt das Vieh 77 Millionen Tonnen Nahrung, die auch Menschen essen könnten. Die Fleischerzeugung durch alle Tiere liegt global aber nur bei 58 Millionen Tonnen pro Jahr.
a. a. O.




Wohlstandsfolgen

Die Fleischproduktion wird sich aller Voraussicht nach nicht vermindern, sondern weiter ansteigen. Noch einmal Peter Brabeck-Letmathe:

Brabeck: 1950 gab es auf der Welt etwa 1,7 Milliarden Menschen. Das ist gar nicht lange her, da habe ich schon gelebt. Jetzt sind wir 6,5 Milliarden. Rechnen Sie sich selbst aus, wie viel Wasser diese Menschen essen.

DIE ZEIT: Vor allem, weil mit steigendem Wohlstand üblicherweise auch der Fleischkonsum steigt.

Brabeck: Richtig. Solange die Chinesen vor allem Reis gegessen haben, war das eine Sache. Wenn sie nun stetig mehr Fleisch zu sich nehmen � und wer will ihnen das Recht dazu bestreiten �, kann das langfristig verheerende Folgen haben. Und alles nur, weil Wasser keinen Preis hat.

DIE ZEIT: Moment, jeder zahlt ja monatlich seine Wasserrechnung.

Brabeck: Das gilt vielleicht für die privaten Haushalte. Aber die Bauern in Südspanien zahlen nur drei Prozent der Summe, die die Haushalte zahlen. In Kalifornien sind es sogar nur zwei Prozent. In großen Teilen Italiens pumpen die Bauern ihr Wasser einfach hoch, und das war�s. Da wird nichts abgerechnet oder gezahlt. Oder Spanien: Dort gibt es keine Landwirtschaft wie in Deutschland, wo das Wasser als Regen vom Himmel fällt. Dass sich Spanien zum europäischen Lebensmittelgarten entwickelt hat, liegt größtenteils am praktisch kostenfreien Wasser.
a. a. O.




Biosprit schafft Hunger

Kraftstoff vom Acker ist teuer, schadet den Armen und hilft dem Klima kaum � ein ZEIT-Gespräch mit dem OECD-Direktor Stefan Tangermann [...]

Tangermann: [...] Um 10 Prozent des gegenwärtigen europäischen Kraftstoffverbrauchs zu ersetzen, würde ein Drittel der europäischen landwirtschaftlichen Nutzfläche gebraucht. Wirklich klimaneutral können Biokraftstoffe nicht einmal in den Ländern des Südens erzeugt werden. [...]

ZEIT: In Mexiko sind die Tortillapreise gestiegen, was mit der Maisnachfrage amerikanischer Ethanolproduzenten zu tun haben soll. Treibt der Biosprit-Boom den Preis des Grundnahrungsmittels?

Tangermann: Zweifellos. Indem wir landwirtschaftliche Rohstoffe indirekt in die Tanks unserer Autos füllen, haben es die Menschen, die ohnehin arm dran sind, schwerer, ihre Nahrungsmittel zu kaufen. Die Situation in Mexiko, wo jetzt heftige Demonstrationen stattfinden, ist entstanden, weil in den USA mehr Mais gekauft wird, um Biosprit zu produzieren.
» Mehr Mais im Tank bedeutet mehr Hungernde

Es ist nicht mehr so leicht, ein ökologisch sauberes Gewissen zu haben. Die Anstrengungen, die wir als Bundesbürger unternehmen können, bringen im Vergleich zu den weltweiten Problemen so gut wie nichts. Außer vielleicht ein gutes Gewissen, wenn man nicht nachdenkt. Selbst wenn wir alle guten Ratschläge beherzigen, wie unsere Zeitschriften sie vorschlagen, wird die Wirkung nicht zu spüren sein - es sei denn in unserem Geldbeutel. Die Probleme sind einfach viel zu groß, als daß Einzelne oder einzelne Nationen sie lösen könnten. Aber immerhin, wenn man sie richtig erkannt hat, ist man schon einen Schritt weiter. Wer will, kann sich umfassend informieren, zum Beispiel im Internet.

 
Chefredakteur und Herausgeber
 
 




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