|
|
› voriges Editorial | › Übersicht Editorials | › nächstes Editorial | › Ausgabe 358 |
Editorial zu Ausgabe 358 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Protestritt Gewissermaßen in letzter Minute haben vier Verbände (» DHG, » GdHK, » VdHp, » VFD) eine spektakuläre Aktion gestartet: einen Protestritt nach Berlin, mitten im Winter. Anlaß ist die drohende Verabschiedung des umstrittenen » "Entwurf eines Gesetzes über die Reform hufbeschlagrechtlicher Regelungen und zur Änderung tierschutzrechtlicher Vorschriften". Dieses Gesetz ist von der Konstruktion her schon eine Mißgeburt. Alle möglichen Tierarten werden in einen Topf geworfen, die unterschiedlichsten Dinge zugleich geregelt. Angeblich gibt es Druck aus Brüssel. Mit Sicherheit gibt es keinen Druck aus Brüssel in Bezug auf eine Änderung, die die Gemüter hierzulande sehr erregt. Selbst politische Magazine und Tageszeitungen haben das Thema aufgegriffen und kein gutes Haar an den Absichten der Ministerialbeamten gelassen. In Sachen Pferd ist hierzulande die FN gewissermaßen die oberste Instanz, jedenfalls hält sie sich dafür. Und die FN ist dafür. Die Tierärzte sind auch dafür. Die Hufschmiede sowieso. Diese drei Berufsgruppen können sich ein Pferd ohne Eisen gar nicht vorstellen. Und deshalb sollen ausschließlich Eisenmänner mit Pferdehufen zu tun haben. So stellt sich die Bundesregierung das vor. Als ob man nicht Wichtigeres zu tun hätte. Lobbyismus Unter diesem Begriff versteht man die Beeinflussung der Entscheidungsträger zugunsten der eigenen Interessen. Es verwundert nicht, wenn die Großindustrie, etwa die Automobilbauer, die Pharmaindustrie, die Ärzteschaft, sogar die Landwirtschaft Einfluß ausüben wollen und können. Aber die Hufschmiede? Das will mir nicht in den Kopf. Das wäre ja ungefähr so, als könnten sich die Hutmacher organisieren und ein Gesetz durchbringen, oder die Peitschenmacher, oder wenn das zu weit hergeholt scheint: die Kutschenhersteller. Mit anderen Worten: Einer extrem kleinen Interessengruppe traut man nicht zu, politische Prozesse beeinflussen zu können. Aber wie es aussieht, kann nichts und niemand den Gesetzgebungsprozeß aufhalten. Am Mittwoch gibt es eine öffentliche Anhörung im Bundestag. Sehr schön. Wer wird angehört? Interessenvertreter von drei Gruppen und zwei unabhängige Experten. Wer hat die ausgesucht? Keine Ahnung. Wodurch haben die ihre Kompetenz bewiesen? Keine Ahnung. Welche Interessen vertreten die? Keine Ahnung. Mal sehen, was ich rausfinden kann. Die Verbände
Wenn die Hufeisen schlecht für die Gesundheit der Pferde sind, ist das gut für das Einkommen der Tierärzte - sehe ich das falsch? Ich denke nicht, denn Dr. Schüle sieht die Situation ganz nüchtern. In einem Interview aus dem Dezemberheft 2004 der Freizeit im Sattel:
In der DHG haben sich im Oktober 2000 21 unzufriedene Pferdebesitzer und zufriedene Kunden von Jochen Biernat zusammengefunden, um diesen mit seinem "revolutionären Ansatz" zu unterstützen (» Kleine Geschichte der Deutschen Huforthopädischen Gesellschaft e.V.). Gerhard Jampert aus dem vertretungsberechtigten Vorstand wird in Berlin erscheinen. In der Infothek wird ganz eindeutig gegen den Eisenbeschlag Stellung genommen und für den Barfuß plädiert: » Argumente gegen den Eisenbeschlag, » Vom beschlagenen Pferd zum Barhufgänger. Allerdings ist man nicht gänzlich gegen den Beschlag: » Eisen oder Kunststoff - Ist das denn die Frage?. Die DHG dürfte als Gegner des Gesetzentwurfes einzuschätzen sein. Für den EDHV wird dessen Vorsitzender Uwe Lukas erscheinen. Das Gesetz kann, soweit ich das sehe, von niemandem anders interpretiert werden denn als direkte Unterstützung der von diesem Verband vertretenen Berufsgruppe zu Ungunsten aller anderen Berufe, die sich um den Huf verdient machen. Nachdem man geduldig gewartet und die Zumutung der "Begrüßung" über sich hat ergehen lassen, wird man wie folgt empfangen:
Also meine Interessen vertreten die nicht. Einzelsachverständige
Der Deutsche Bundestag verrät auch nicht, wessen Interessen Prof. Dr. Ulrich Schnitzer vertritt. Vermutlich gehen die davon aus, daß er überhaupt keine Interessen vertritt, sondern lediglich Sachverständiger ist. In diesem Falle möchte man natürlich gerne wissen, worin sich dieser Sachverstand begründet. Die » BESW bezeichnet Prof. Schnitzer als FN-Mann, und in der Tat ist er als Inhaber des Lehrstuhls für Orts-, Regional- und Landesplanung an der Universität Karlsruhe in Baufragen in Erscheinung getreten, zum Beispiel als Mitglied der Sachverständigengruppe tierschutzgerechte Pferdehaltung (» BMELV - Leitlinie zur Beurteilung von Pferdehaltungen). Er sitzt auch im Vorstand der Egon von Neindorff-Stiftung. In Bezug auf den Hufbeschlag habe ich nichts finden können. Web-TV-Übertragung Im Prinzip könnten wir herausfinden, wie sich Prof. Schnitzer für diese Sachverständigentätigkeit qualifiziert, ohne nach Berlin fahren zu müssen:
Die BESW betreibt eine ganz vorzügliche Informationspolitik - allerdings muß man sich dazu dort hinbewegen. Da erfährt man dann allerhand. Zum Beispiel, daß unsere Opposition sich in dieser Sache stark macht. Das ist sehr löblich! Die Opposition muß natürlich opponieren, oder besser gesagt: sie muß der Regierung auf die Finger schauen. Und das tut sie mit einer kleinen Anfrage:
Gut gefragt! Nun darf man auf die Antworten gespannt sein. Ich frage: Warum ist die BESW nicht eingeladen? Warum ist Frau Dr. Straßer nicht eingeladen? Bekanntlich ist das eine streitbare Frau, die sich seit 20 Jahren intensiv in Sachen Huf engagiert und unbeliebt macht. Unter anderem deshalb, weil sie wissenschaftlich argumentiert und keiner dagegen ankommen kann. Klar: Solchen Leute kann man nicht beikommen, die muß man ausgrenzen. Wenn man mauscheln will, haben Leute, die argumentieren wollen und können, keinen Zutritt. Rechtsgutachten Die BESW hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Schluß kommt, daß das Gesetz verfassungswidrig ist (» Gutachten von Prof. Hufen zur Rechtslage in der Hufbearbeitung).
Die Sache beginnt also, richtig spannend zu werden. Es eskaliert! Die Emotionen kochen hoch, was angesichts der Politikverdrossenheit eine erfreuliche Entwicklung ist. Es hat lange gedauert, aber allmählich kommt etwas in Bewegung. Möglicherweise wird die Angelegenheit sogar kontroverser diskutiert als die Rechtschreibreform. An Absurdität steht sie ihr ja kaum nach. Wieder einmal möchte man fragen: "Deutschland - ein Tollhaus?" Oder: "Wie ruinieren wir dieses Land am sichersten und schnellsten?" Basisdemokratie Die Sache mit der Rechtschreibreform hat sich ja schon erledigt. Kennen Sie den Spruch: "Es ist Krieg! Keiner geht hin." Natürlich, den kennen Sie. So ähnlich ist das mit der Rechtschreibreform. Wenn einer fragt, muß man offiziell dafür sein, aber in Wirklichkeit findet man es einfach nur übel. Keiner hat es gewollt, keiner hat sein Leben dadurch erleichtern können, ganz im Gegenteil, inzwischen weiß keiner mehr, wie man richtig rechtschreibt, ein irrsinniges Vermögen hat die ganze Idiotie auch noch gekostet, am schlimmsten sind die Schüler dran, für die das Ganze angeblich ein Segen sein sollte, und vermutlich wird es noch zehn Jahre dauern, bis auch der letzte Politiker zugeben kann, daß man einen ungeheuren Schaden angerichtet und sich bis auf die Knochen blamiert hat. Wird es mit der Hufpflege auch so kommen? Es gibt ein Gesetz, aber keiner richtet sich danach. Jeder denkt was er will, bloß das nicht, was die Lobbyisten und die Ministerialen wollen? Und vor allen Dingen: Jeder macht das, was er für richtig hält. Wird es eines Tages dazu kommen, daß die Tierärzte und die FN zugeben müssen, daß Sie sich geirrt haben, daß ein ungeheuren Schaden angerichtet worden ist und daß man sich bis auf die Knochen blamiert hat? Ich bin davon überzeugt. Es wird gar nicht so lange dauern. Die Fakten liegen ja offen zutage und können gar nicht wegdiskutiert werden. Bei der Rechtschreibreform war vieles ungewiß und Spekulation. Man hatte es gut gemeint. Es hätte ja gutgehen können. Jetzt sieht man, das die Sache nicht so simpel ist, wie sich der Wissenschaftler das in seinem Zimmerchen vorgestellt hatte. Bei den Pferden ist das aber anders. Wir wissen spätestens seit Beginn des 19. Jahrhunderts, was Hufbeschlag bedeutet - na ja, wir könnten es wissen. Wenn wir denn wollten. Mit der neuen Bewegung der Freizeitreiterei sieht die Sache etwas anders aus. Die Freizeitreiter kann man nicht so leicht in den Griff bekommen. Die haben ihren eigenen Kopf, die lesen Bücher und recherchieren im Internet. Denen kann man nicht so leicht ein X für ein U vormachen. Man darf gespannt sein, wie die Sache ausgeht. Die Tatsache, daß es unter dem Pferdehaltern keinen Aufschrei gegeben hat, interpretiere ich so, daß die sich denken: "Laß die mal, das interessiert mich sowieso nicht." Oder sehen die doch ihre Interessen beeinträchtigt? Dann könnten sie ja mitmachen beim Protestritt, ganz spontan. Na? Mal so ein Stückchen mitreiten? Stellen Sie sich vor, ein Viertel der Pferdehalter in Berlin würde hoch zu Roß vor dem Bundestag erscheinen. Wetten, daß die Bild-Zeitung und das Fernsehen dabei wäre? Und die Politiker einen Schreck bekommen würden? Von den Lobbyisten ganz zu schweigen! Schließlich ist das ja ihre Kundschaft! Vielleicht sollten sich die Schmiede bei Biernat weiterbilden lassen? Wäre vermutlich besser als andersherum! Für alle Beteiligten, aber vor allen Dingen für die Pferde! Das nenne ich Tierschutz. Was die davor haben, ist einfach nur eine Fortsetzung der Tierquälerei. Das auch noch unter dem Deckmantel des Tierschutzes zu verkaufen, ist blanker Hohn. Das kann nicht gutgehen. Die BESW ist mit anderen Verbänden entschlossen, sofort vor dem Verfassungsgericht zu klagen, sollte das Gesetz durchkommen. Bravo! Übrigens: Wo bleiben denn die Tierschützer? Immer dann, wenn es interessant wird, sind sie nicht zu sehen - aber gut, das ist ein anderes Thema. |
› voriges Editorial | › Übersicht Editorials | › nächstes Editorial | › Ausgabe 358 |
|
|
|
|