| | Porträtzeichnung aus der Höhle La Marche | | | |
| | | Mädchen mit Kleidung, reitend | | | |
| | | Aus der Höhle Les Trois Freres, vom Autor gedreht und freigestellt | | | |
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Höhlenmalerei und Wissenschaft Über die Anfänge der Kultur und Wissen in der Vorzeit von Gerd Hebrang
Zu den Themen Kulturgeschichte, Verhalten |
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Wo wären wir heute, wenn wir keine Wissenschaft hätten, frage ich am Ende der Ausgabe 395, in der ich mich mit damit beschäftige, wie glaubhaft eine Quelle sein kann. Jemand hatte nämlich behauptet, daß die Pferde schon vor 15.000 Jahren domestiziert worden sind. Mehr noch: die Menschen seien damals schon geritten. Behaupten kann man viel, aber wie kann man etwas wissen? Diese Frage stellt sich besonders im Zusammenhang mit der grauen Vorzeit.
Dr. Michael Rappenglück, der die Zeichnungen aus der Höhle La Marche für authentisch hält (» Faces from the Ice Age), wurde von mir fälschlich als Archäologe der Universität München bezeichnet. Richtig ist, daß er seit Anfang der achtziger Jahre Leiter einer Volkshochschule in der Nähe von München und dort insbesondere für die Sternwarte verantwortlich ist. Dieser Mann kennt sich also im Sternenhimmel aus. Wer sonst wenn nicht so jemand sollte darauf kommen, daß unsere Vorfahren ihr Wissen über den Sternenhimmel an die Wände der Höhlen gemalt haben?
Das ist jedenfalls das Thema seiner Dissertation, die 1999 an der Universität München angenommen wurde (» Eine Himmelskarte aus der Eiszeit?). Einem Redakteur des BBC zeigte Rappenglück vor Ort, was er entdeckt hatte (» Oldest lunar calendar identified). Nicht nur die Mondphasen und die » Plejaden, sondern auch andere Sternkonstellationen konnten von ihm nachgewiesen werden. Dabei bediente er sich eines Computer-Programms, das die Sternbilder zur jeweiligen Zeit ausrechnen und darstellen kann.
Mit dieser Methode konnte er auch plausibel machen, daß ein Fundstück von 1979 aus Österreich, das auf der Vorderseite einen Mann mit erhobenen Armen, an den Seiten und auf der Rückseite 86 Punkte zeigt (» Earliest Star Chart Found), das Sternbild » Orion darstellt, dessen prominenter Stern » Beteigeuze genau 86 Tage nicht sichtbar ist. Rappenglück wird von anderen Forschern ernst genommen. Niemand sonst hatte entsprechendes Wissen über den Sternenhimmel.
Inzwischen ist seine Position durch die Entdeckung der » Himmelsscheibe von Nebra erheblich gestärkt worden:
| Die abgebildete Konstellation zunehmender Mond und Plejaden markierte in der Bronzezeit den 10. März, die der Plejaden mit dem Vollmond den 17. Oktober, jeweils am Westhimmel kurz vor Untergang des Siebengestirns. Damit könnte die Himmelsscheibe als Erinnerungshilfe (Meller: Memogramm) für die Bestimmung des bäuerlichen Jahres von der Vorbereitung des Ackers bis zum Abschluss der Ernte gedient haben.
Eine weiterreichende Interpretation der ersten Phase der Himmelsscheibe wurde am 21. Februar 2006 veröffentlicht: Die Himmelsscheibe war nach der neuesten Deutung von Astronom Rahlf Hansen vom Planetarium Hamburg dazu geeignet, schon in der Bronzezeit das Mondjahr (354 Tage) und das Sonnenjahr (365 Tage) zu harmonisieren und im Gleichklang zu halten.
Damit wäre das Wissen, das auf der Bronzescheibe festgehalten ist, das frühbronzezeitliche Äquivalent des Schaltjahres. Als älteste schriftliche Aufzeichnung der dafür verwendeten astronomischen Beobachtung gilt ein etwa tausend Jahre jüngerer babylonischer Keilschrifttext (mul-apin). In Mitteleuropa wären somit die Astronomen der Bronzezeit in ihrem Wissen von den Mechanismen der Gestirne erstaunlich weit fortgeschritten gewesen. » Himmelsscheibe von Nebra | | |
Die von Rappenglück gewürdigten Porträtzeichnungen sind nicht an den Wänden zu finden, sondern auf kleinen Täfelchen, die auf dem Boden lagen. In den anderen Höhlen hat man entsprechende Artefakte nach seiner Befürchtung als Schutt entsorgt, ohne ihn weiter zu untersuchen.
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