Sie und ich haben mit solchen Pferden vermutlich weniger zu tun, aber gerade weil die Schwierigkeiten so extrem sind, können wir bei der Analyse dieser Problemlösung vielleicht leichter herausfinden, was das Geheimnis der Erfolge Neuhausers ist. Und dann können wir daraus vielleicht Handlungsanweisungen für unseren alltäglichen Umgang mit Pferden ableiten, und möglicherweise nicht nur mit diesen. Unter Umständen nützt uns das sogar, wenn wir gar keine Probleme lösen müssen! In der letzten Woche habe ich ein etwas längeres Zitat aus Das Tao ist Stille von » Raymond Smullyan gebracht, das Sie vielleicht etwas überfordert hat. Ich gebe zu, dass ich diese Passage selber auch sehr sorgfältig lesen muss, um sie verstehen zu können. Nicht immer schreiben Smullyan und die von ihm zitierten Autoren so kompliziert; das Buch liest sich insgesamt sehr leicht und vergnüglich. Am Ende des letzten Artikels habe ich darauf hingewiesen, dass der Neuhauser der DVD - persönlich kenne ich ihn nicht - für mich ein Mensch ist, der eine bestimmte Lebensart repräsentiert, die von Smullyan durch das Zitat eines taoistischen Textes beschrieben wurde. Er tut seine Arbeit, und die ist großartig, aber er bildet sich nichts darauf ein. Natürlich ist er froh, dass es funktioniert, und vermutlich ist er auch stolz darauf, aber er zeigt diesen Stolz nicht, und auch die zur Schau getragene Freude ist extrem gedämpft. Es ist die Freude eines Profis, der einfach weiß, was er kann, und aufgrund eines gesunden Selbstbewusstseins erwartet, dass es klappt, ohne darüber dann besonders euphorisch sein zu müssen. Aber er ist kein Profi im landläufigen Sinne, denn er verkauft sich nicht; ein Könner also, vielleicht ein Liebhaber, ein Amateur. Wie wird man so einer? Ist das schwer? Sind solche Leute selten? Können Sie und ich auch so werden? Was braucht man dazu? Das erinnert mich an eine kleine Geschichte, die » Robert M. Pirsig in seinem berühmten Buch » Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten schildert; in ein paar Sekunden habe ich meine alte Taschenbuchausgabe (Pirsig, Robert M.: Zen and the Art of Motorcycle Maintenance, Bantam Doubleday Dell, 1980, ISBN 0553138758) gefunden - aber wie finde ich jetzt die entsprechende Passage? Ein paar Stichworte fallen mir ein und ich bemühe Google; ziemlich schnell sehe ich ein, dass ich auf diese Weise nichts finden werde. Also rufe ich » Amazon.com auf und finde » Zen and the Art of Motorcycle Maintenance mit der Möglichkeit, im Buch zu suchen (Search inside). Ich gebe mein Stichwort ein und bekomme tatsächlich die gesuchte Stelle gezeigt, allerdings viel weiter vorne, als ich gedacht hatte; die fünf Post-It-Lesezeichen, die ich inzwischen im Buch versenkt habe, zeigen mir aber, dass Pirsig mehr zu unserem Thema zu sagen hat, als ich ursprünglich dachte. Nun ist die Amazon-Ausgabe, auf die sich die Fundstellen beziehen, natürlich eine andere als meine, Hardcover statt Taschenbuch; wo steht das in meinem Exemplar? Das Buch ist überdies von Amazon nicht vollständig eingescannt, beim Blättern nach links stoße ich auf eine Lücke. Hilft mir diese Fundstelle überhaupt weiter? Aber beim Blättern nach rechts habe ich Glück: Das nächste Kapitel ist die Nummer 9, also muss ich in Kapitel 8 suchen, und da habe ich es. Die ganze Passage ist absolut köstlich, aber ich habe keine Lust, eine schnelle Übersetzung anzufertigen, also erzähle ich die Geschichte lieber nach. Dabei vergesse ich nicht, dass wir auf der Suche nach dem Geheimnis von Neuhauser sind - keine Angst. Auch wenn ich etwas ausholen muss, ich halte diese Diskussion für wichtig, um zu verstehen, warum manche Leute einfach Erfolg mit Pferden haben und andere nicht, egal wie viele Bücher sie lesen, DVDs anschauen oder Kurse besuchen. Und was heißt überhaupt Erfolg? Es geht um etwas ganz Wichtiges, um die Haltung, die Einstellung. Über die Haltung Neuhausers habe ich schon ein paarmal geschrieben, aber ich fürchte, es ist noch nicht klar genug geworden, worum es dabei geht. Also mache ich mit Ihnen einen kleinen Umweg mit Pirsig in der Hoffnung, dass wir danach klarer sehen. Das Buch ist im wesentlichen ein Tatsachenbericht. Der Autor ist mit seinem Sohn und einem befreundeten Ehepaar und zwei Motorrädern im Wilden Westen gestrandet (ein paar Originalsfotos: » Pictures from Robert Pirsig's original 1968 trip.). Seine alte Honda hat einen Schaden. Die Kette hat den Kettenschutz durchgescheuert. Ein Loch im Blech. Nicht einfach zu reparieren. Er fragt in dem kleinen Kaff nach einer Werkstatt und wird auf Bill's Cycle Shop verwiesen. Die Werkstatt ist offen, aber leer. Er fragt einen Passanten; der vermutet, dass Bill vielleicht angeln gegangen ist. Tja, wir sind in Wilden Westen. Da geht sowas.
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