| | HJN-Reiten: Kommunikation auf Fingerzeig | | | |
Manchmal hat man den Eindruck, es gibt so viele Methoden, mit Pferden umzugehen und Pferde auszubilden, wie es Reiter gibt. Nach all den Pferdeflüsterern und Experten der unterschiedlichsten Richtungen, die von ihren Kollegen wenig oder gar nichts halten, von sich selbst dafür desto mehr, möchte man sich oft abwenden und seinen eigenen Weg gehen. Vermutlich entwickelt sich auf diese Art und Weise dann wieder ein Experte, der der Welt mitteilen muß, wie es nun wirklich geht (nämlich man selbst).
Denn wir Menschen sind ja im Grunde alle gleich: Gottes Kinder, nein: Gott selbst, wie bekanntlich Jesus verkündet hat. Deshalb fühlt sich jeder (mit Recht) als der Größte. Außerdem nimmt jeder von uns die Welt von seinem Standpunkt aus wahr, kann nicht aus seiner Haut, kann eigentlich nicht ergründen, wie die Welt wirklich ist, wie sein Mitmensch die Welt wahrnimmt, wie er selbst ist. Um wieviel schwieriger ist es also noch, Lebewesen zu verstehen, die völlig anders sind, Pferde zum Beispiel?
So müssen wir notgedrungen unseren eigenen Weg in dieser Welt finden, unsere eigenen Erfahrungen machen, jeder für sich, und die sind naturgemäß hochspeziell und im Grunde gar nicht vergleichbar. Jeder von uns begegnet anderen Menschen, anderen Tieren, anderen Situationen, kommt aus einer anderen Welt und lebt im Grunde in einer anderen Welt. Wie ist unter solchen Umständen Kommunikation überhaupt möglich?
Und doch versuchen wir es immer wieder. Wir möchten uns nämlich auch mitteilen, wir brauchen Resonanz, wir wollen zeigen, wie gut wir sind. Schon auf dem Spielplatz ist es das dominierende Verhalten: "Mami, Mami, schau mal, was ich kann!" Und weil wir zugleich auch neugierig und mitfühlend sind, versuchen wir den Draht zu unserem Nächsten zu finden, uns einzufühlen, zu verstehen, was dieser meint und kann und will. Und wenn wir begeisterungsfähig sind, kann uns Neues auch mitreißen und beflügeln und uns Hoffnung geben, uns selbst weiterzuentwickeln und neue Erfahrungen zu machen, ein bißchen mehr Glück zu finden in dieser Welt, ein bißchen mehr Freude in einem schwierigen Leben.
Freilich sind wir auch oft enttäuscht worden; wir haben anderen Kredit gegeben, uns eingelassen und mußten später feststellen, daß wir betrogen wurden. Also entwickeln wir Mißtrauen, werden vorsichtig, halten uns zurück. Die Dinge und Verhältnisse sind oftmals viel schwieriger, als wir uns das vorstellen konnten, und was bei anderen so leicht aussah, funktionierte bei uns überhaupt nicht. Dann sind wir vielleicht enttäuscht und verletzt, oder wir erkennen die Fähigkeiten des anderen neidlos an, trauen uns selbst aber nichts zu. Das macht uns traurig.
Desto mehr freuen wir uns über eigene Erfolge und möchten anderen davon abgeben. So wird dann immer wieder aus einem kleinen, hilflosen Baby unversehens ein Experte, den wir mangels einer besseren Vokabel hier Pferdeflüsterer nennen wollen. Die Welt ist voll von Pferdeflüsterern, von Leuten, die wissen, wie es geht, und manche von ihnen wollen dieses Wissen weitervermitteln und daraus eventuell sogar einen Beruf machen, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten also gegen Honorar auf dem Markt anbieten. Dieser Markt ist inzwischen ziemlich übersättigt. Der Pferdefreund hat die große Auswahl und weiß kaum, für wen er sich entscheiden soll.
Die soeben angeführten Überlegungen treffen natürlich auch auf den Autor dieses Artikels zu. Ich kann ebenfalls nur auf dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen denken, fühlen und beurteilen. Sie als Leser können von mir folglich nur bekommen, was ich selber erlebt habe, was mir mehr oder weniger zufällig im Laufe meines Lebens zugestoßen ist, was aus mir geworden ist. Dazu gehören auch meine Pferde und die Erfahrungen, die ich mit ihnen und mit Pferden allgemein machen durfte, Erfahrungen mit Pferdeflüsterern und sonstigen Experten sowie meine ganz allgemeine Lebenserfahrung, die unvermeidlich ständig zunimmt bis an mein Ende. Nicht mehr und nicht weniger. Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen von » Hans-Jürgen Neuhauser erzählen, dessen DVD ich Ihnen schon in der Rezension › HJN-Reiten der Ausgabe 540 vorgestellt habe.
Meine eigene Erfahrung mit Pferden hat mich bis jetzt nicht dahin gebracht, selber ein Pferdeflüsterer zu werden; aber vielleicht hätte ich einer werden können. Vielleicht kann jeder ein Pferdeflüsterer werden - jedenfalls behaupten das Pferdeflüsterer meistens, und das müssen sie auch, wenn sie damit Geld verdienen wollen, denn sonst könnte man sein Wissen und seine Fähigkeiten ja nicht vermitteln. Aber von manchen weiß man, daß das nicht stimmt; sie können zwar was, zweifellos, aber sie können es nicht weitergeben. Das ist enttäuschend. Wenn einer etwas kann, das aber gewissermaßen sein persönliches Eigentum ist, nur ihm verfügbar und zugänglich, flaut unser Interesse wieder ab. Das ist ja toll, daß der das kann, aber was habe ich davon? Ich möchte das schließlich auch können, und wenn man dafür eine Spezialbegabung braucht, einen siebten Sinn, den ich nicht habe und auch nicht entwickeln kann, dann bin ich ja von vornherein ausgeschlossen. Dann kann ich nur noch neidisch sein.
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