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Karl May als Pferdeflüsterer Superman-Phantasien im Sattel von › Werner Popken
Zum Thema Kulturgeschichte |
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Konnte » Karl May überhaupt reiten, fragte ich am Ende der Ausgabe 441, oder sind seine Ausführungen zu diesem Thema ebenso der Phantasie entsprungen wie der Rest seines Werkes? Die Reitkünste seiner Helden müssen ja mindestens so gut, nein: besser, viel besser! gewesen sein wie die von Fred Rai, der den Bösewicht in seinen Karl-May-Festspielen darstellt. Am bekanntesten sind seine Superhelden » Old Shatterhand und » Kara Ben Nemsi, von denen er ja zumindest zeitweise behauptet hatte, daß sie lediglich Decknamen seiner selbst seien, alle geschilderten Abenteuer entsprächen der Wahrheit und seien selbst erlebt.
Gerade in Bezug auf die Reitkünste ließe sich doch leicht überprüfen, ob es sich hier um die Wahrheit oder um Phantastereien handelt. Hatte dennoch niemand entsprechende Untersuchungen angestellt? Meine diesbezügliche Anfrage an die » Karl-May-Gesellschaft e.V. erbrachte immerhin einen Hinweis. Im » Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 2003 war der Auszug einer Magisterarbeit veröffentlicht worden, deren Titel "Pferde, Reiten und die Reitkunst im Werk von Karl May" Aufklärung erhoffen ließ.
Ich konnte die Autorin Barbara Siebert ausfindig machen, aber sie war leider nicht bereit, ihre Originalarbeit zur Verfügung zu stellen; am liebsten hätte sie sie umgearbeitet, fand dazu aber keine Zeit. Deshalb beziehe ich mich in diesem Artikel auf den im Jahrbuch veröffentlichten Auszug, der in Bezug auf unsere Fragestellung allerdings schon die vollständige Aufklärung leistet. Vorab eines der zur Beweisführung angeführten Originalzitate aus Karl Mays Werken (alle May-Zitate zitiert nach » Pferde, Reiten und die Reitkunst im Werk von Karl May):
| Ich aber drängte den Klepper an die Mauer und kam glücklich in den Sattel. Wieder stieg er empor; ich ließ ihm einige Augenblicke lang den Willen, dann aber nahm ich ihn kurz und faßte ihn zwischen die Schenkel. Er wollte steigen - es ging nicht mehr; er brachte es bloß zu einem krampfhaften Spielen der Hufe, und endlich ging ihm der Atem aus, der Schweiß stand ihm auf allen Poren, und von seinem Maul tropfte der Schaum in großen Flocken - er stand, trotzdem ich ihm die Schenkel wieder nahm.
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. III: Von Bagdad nach Stambul. Freiburg 1892, S. 78; Reprint Bamberg 1982 | | |
So also bezwingt der Erzähler ein unwilliges Pferd: Mit List und vor allem körperlicher Gewalt. Was sagt Fred Rai dazu? Keine Ahnung - aber vermutlich wäre es marketingtechnisch abträglich. Diese Pferdebändiger-Szene ist kein Einzelfall; ich erinnere mich dunkel an einige derartige Schilderungen. So macht man sich als begnadeter Reiter ein Pferd gefügig, lernte ich als Jugendlicher von Karl May: Der Reiter hat so viel Kraft zwischen den Schenkeln, daß dem Pferd die Luft ausgeht. Eine phantastische Gelegenheit für den Helden, sich vor unbekannten Zeitgenossen so recht in Szene zu setzen und sogleich seinen Rang deutlich zu etablieren.
Ist das denn die Möglichkeit? Kann man sich das überhaupt vorstellen? Machen Sie das mit ungefügigen Pferden auch so? Entspricht das den allgemeinen Regeln der Reitkunst? Arbeiten alle Pferdeflüsterer so? Wir dürfen ja nicht vergessen, daß Karl Mays Helden ihre Pferde lieben und diese umgekehrt ihre Reiter, sie verstehen sich ohne Worte und verschmelzen gleichsam zu einem Wesen. Und das aus gutem Grund:
| Wißt ihr, Gentlemen, was ein gutes, schnelles und ausdauerndes Pferd für den Prairiemann zu bedeuten hat? Nehmt dem Luftschiffer seinen Ballon und dem Seemann sein Schiff, und beide haben aufgehört, zu existieren. Ebenso ist auch ein Savannenjäger ohne Pferd rein undenkbar. Und welch' ein Unterschied ebensowohl unter den Schiffen als auch unter den Pferden!
Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. XV: Old Surehand II. Freiburg 1895, S. 51; Reprint Bamberg 1983 | | |
Und unter den Seeleuten und den Reitern, möchte man hinzufügen. Wer in der Lage ist, Unterschiede zu erkennen, wird immer zur besseren Qualität greifen. Freilich kann nicht jeder Qualität erkennen. Karl May ist einer von diesen. Er kann nicht nur gute von schlechten Pferden unterscheiden, gute von schlechten Reitern, sondern er ist selber ein exzellenter Reiter und Pferdekenner dazu, Experte und Fachmann auch auf diesem Gebiet.
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