Zugpferde einmal anders Zweispänner-Turnier der Spitzenklasse in Greven-Bockholt von Werner Popken |
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Die Geschichte von Menschen und Pferden ist mehrere tausend Jahre alt. Die Anfänge liegen im Dunkeln. Man vermutet, daß Pferde zunächst als Fleischlieferanten, dann als Lasttiere und schließlich als Zugtiere genutzt wurden, bevor sie als Reittiere in Dienst genommen wurden.
In allen diesen Rollen werden die Pferde auch heute noch eingesetzt. Die Nutzung des Pferdes als Zugtier hat indes vermutlich am stärksten abgenommen. Noch vor 100 Jahren wurden die Pferde in Europa überwiegend als Zugtiere gebraucht - wenn es nicht gerade um das Kriegführen ging - vor dem Pflug, vor dem Transportwagen und vor der Personenkutsche.
Kutschefahren konnten sich allerdings nur die Begüterten leisten; anfänglich die Könige und Fürsten, später allgemein der Adel, und dann im 19. Jahrhundert das wohlhabende Bürgertum. Im letzten Jahrhundert hatten dann auch die Bauern ihre Kutsche, die aber fast immer in der Scheune stand. Andres Furger hat in seinen beiden Bänden der "Geschichte des Kutschenbaus des 19. und 20. Jahrhunderts" diese Epoche wiederauferstehen lassen ( Band 1: Equipagen-Handbuch, Band 2: Wagen-Atlas).
Manch ein Bürger hatte ein Dutzend Kutschen für jeden Zweck in seiner Garage stehen. Der moderne Hochleistungssportler hingegen braucht mindestens zwei davon: zum einen eine leichte historische Kutsche oder einen modernen Nachbau eines historischen Modells, zum anderen eine Marathonkutsche, die im Gegensatz zu den antiken Kutschen, die überwiegend aus Holz bestehen, vollständig aus Metall gefertigt ist. Meistens setzt er auch noch eine Trainingskutsche für die tägliche Arbeit ein.
Marathonkutschen sind erst in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts aufgrund der extremen Anforderungen im modernen Fahrsport entwickelt worden. Dieser moderne Fahrsport ist selbst eine neue Entwicklung, die erst einsetzte, als Pferde in der Wirtschaft und zur Personenbeförderung nicht mehr gebraucht wurden.
Nachdem vor 40 Jahren deshalb befürchtet werden mußte, daß die Pferde zum Aussterben verurteilt sind, hatte sich doch zunächst der Reitsport seit den 70er Jahren sehr schnell und stark entwickelt. Dabei konnte man auf die Reitsporttradition und die Reitvereine zurückgreifen, die nach dem Ersten Weltkrieg überall gegründet worden waren. Die bäuerliche Jugend sollte damals an den Pferdesport herangeführt werden.
Dabei mußte man natürlich vorhandenen Pferde einsetzen, und das waren überwiegend Pferde, die vor allem landwirtschaftliche Geräte zogen. Noch Fritz Thiedemann soll in den fünfziger Jahren mit seinen Springpferden geackert haben. Die damaligen Sportpferde waren also auch Arbeitspferde, also Zugpferde. Insofern ist es verwunderlich, daß der Fahrsport erst spät populär geworden ist.
Auch jetzt noch ist der Fahrsport keine olympische Disziplin und wird es auch wohl nicht werden. Allein der Transportaufwand für zwei Kutschen, das Team und die Pferde ist doch ganz erheblich. Vielleicht hängt der Sonderstatus des Fahrsports auch mit den im Vergleich zum Reitsport wesentlich höheren Kosten zusammen. Manche Teilnehmer am Donau-Alpen-Pokal nominierten fünf Pferde, haben mithin also fünf turnierreife Pferde im Training!
Der » Reit- und Fahrverein St. Martin Greven - Bockholt e.V. ist im Gegensatz zu fast allen anderen Reitvereinen erst 1970 gegründet worden. Nicht etwa, weil es keinen der üblichen Reitvereine gegeben hätte, sondern weil den Gründern der vorhandene Reitverein problematisch erschien und man deshalb besser einen eigenen Verein gründete. Typischerweise ist er als Reitverein konzipiert worden - der Fahrsport kam erst viel später hinzu, und diese Erweiterung in der sportlichen Ausrichtung führte dann vor elf Jahren auch zur Namenserweiterung.
Vom 16. bis 19. September 2004 hat der Reit- und Fahrverein St. Martin zwei große Turniere ausgerichtet: die 4. Deutsche Meisterschaften der Einspännerfahrer mit Behinderung und den Donau-Alpen-Pokal als internationales Fahrturnier der Klasse S für Zweispänner. Dabei konnte die herrliche Anlage ihre Stärken so richtig ausspielen: dieses große internationale Turnier und die deutsche Meisterschaft wurden mit Leichtigkeit bewältigt. Ich hatte den Eindruck, die Anlage sei auf Veranstaltungen dieser Art hin konzipiert worden.
Bei einem solchen Turnier wird überdeutlich, daß die Tradition im Fahrsport eine große Rolle spielt. Die Benutzung antiker oder antikisierender Kutschen ist nur ein Teil eines Gesamtgefüges, das die gesamte Kultur des vornehmen Fahrens wieder aufleben lassen möchte. Der Einsatz entsprechender Geschirre und Kostüme für die Dressurprüfung und das Hindernisfahren gehört dazu, wobei auch hier strenge Regeln gelten, die aber bei diesen Prüfungen nicht in die Bewertung einfließen.
Beim Donau-Alpen-Pokal wird dafür zusätzlich eine sogenannte Präsentation abgehalten, bei der es auf genau diese stilistischen Regeln ankommt. Die Illustrationen für diesen Abschnitt sind der vorzüglichen Seite » Donau-Alpen-Pokal 2004 entnommen (die ebenfalls vom RuFV St. Martin produziert worden ist) und sind wunderbare Beispiele für den aristokratischen Hintergrund dieser hohen Kultur. Der Fahrsport bietet reichlich Gelegenheiten, Geschmack und Wohlstand zu demonstrieren.
Gerne hätte ich diese wunderbaren Szenen selbst fotografiert. Den Bildern kann man entnehmen, daß den Fahrern neben der spektakulären Aktion beim Marathon die klassische Fahrkunst am Herzen liegt. Fahrsport ist in diesen Disziplinen ganz deutlich eine Rückbindung an die Vergangenheit, an die hochentwickelte Tradition der Zeit vor den Motorfahrzeugen, und zugleich durch die Entwicklung des Marathon ein Schritt in die nüchterne Zukunft, wo Stil und Haltung keine Rolle spielen, wo ohne Rücksicht auf Materialverluste um den Sieg gekämpft wird. Im Marathon müssen die Kutschen dementsprechend robust sein, die Kleidung zweckmäßig, der Stil dieser neuen Disziplin angepaßt.
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