Nächtliche Aktion im Pferdestall Dramatische Kaltblut-Zwillingsgeburt von Anja Fagerer |
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Der Fernsehschlaf auf dem Sofa ist einwandfrei der schönste. Da kann Mel Gibson ein noch so charmantes Lächeln aufsetzen, wenn man eine Woche lang jede Nacht alle zwei Stunden vom Wecker aus dem Bett gerissen wird und benommen nach einer gut ausgeschlafenen Stute schaut, dann zieht es einem irgendwann einfach die Beine weg.
Nur wenn man plötzlich an der Schulter gepackt, geschüttelt wird und hört: "Mama, wach auf!", aber niemand da steht, ist man sofort hellwach. Vor allem, wenn in der vier auf acht Meter großen Abfohlbox mit Freilauf eine Kaltblutstute auf ihr erstes Fohlen wartet und der errechnete Geburtstermin bereits fünf Tage überschritten ist.
Wie von der Tarantel gestochen hebe ich vom Sofa ab und renne aus dem Wohnzimmer, schnell die bereitgelegte Jacke überstreifen und in die Gummistiefel reinschlüpfen. Es regnet von der Seite, als ich den Übergang zwischen Bauernhaus und Stall verlasse. Gerade habe ich den Auslauf überquert und schaue in die offene Box, da höre ich es schon platschen.
Sofort wird mir klar, daß die Geburt bereits im vollen Gange ist und die Wasserblase gerade den Geburtskanal verlassen hat. Vorsichtig rede ich die Stute an und bin gespannt, ob sich "Josefa" von meiner Anwesenheit stören läßt. An einer windgeschützten Stelle kauere ich mich auf den dick mit Stroh eingestreuten Holzboden und beobachte das liegende Pferd im schwachen Schein der Aussenlaterne vom Übergang zwischen Bauernhaus und Stall.
Zum Glück akzeptiert mich Josefa in ihrer Box oder aber sie nimmt mich gar nicht wahr, da bin ich mir nicht ganz sicher. Auf jeden Fall kann ich sehr gut nachvollziehen, was im Moment in ihr vor geht, da ich selber schon fünf Kinder geboren habe.
Deshalb verhalte mich äußerst ruhig, obwohl ich ihr gern irgendwie helfen möchte. Aber das ist ja das Schöne bei einer Geburt, man muß es selber machen und ganz nebenbei bemerkt, kann das kein noch so mächtiges, männliches Wesen auf der ganzen Welt einer Frau nachmachen.
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