Wir Menschen sind ja alle sehr verschieden, und selbstverständlich sind wir unsicher und ungeschickt, wenn wir uns einer Angelegenheit zum ersten Mal nähern. Niemand ist als Reitmeister auf die Welt gekommen. Die Tatsache, dass jemand einen Kurs von Hans-Jürgen Neuhauser oder wem auch immer besucht, zeigt ja ganz deutlich, dass er sich seiner Sache noch nicht gewiss ist und etwas lernen möchte. Gelingt dies?
Man darf die Schwierigkeiten nicht unterschätzen. Einmal kennen wir uns selbst nicht besonders gut, wie oben schon angedeutet, und können unsere eigenen Kommunikationsfähigkeiten und Signale nicht richtig einschätzen. Zum anderen handelt es sich bei der Kommunikation um einen ununterbrochen fließenden Prozess, der sich permanent selbst verstärkt. Zur Illustration eine Anekdote; ein bekannter Psychologe verriet einmal das Geheimnis einer glücklichen Ehe: Wenn jeder Partner ständig etwas nachgibt, entwickele sich die Beziehung ständig positiv, im umgekehrten Fall eben negativ. Das leuchtet ein. Seine eigene Ehe scheiterte später allerdings ebenfalls, woraus jeder seine eigenen Schlüsse ziehen mag.
In der › DVD HJN-Reiten wird der Fall einer Frau geschildert, die mit ihrem Pferd in so einer Negativspirale war und durch Hans-Jürgen Neuhauser diesen sich selbst verstärkenden Mechanismus brechen konnte, um dann in einer Positivspirale ihr Verhältnis zu ihrem Pferd ständig verbessern zu können. Davon wollen wir uns alle etwas abschauen. Die Missverständnisse und das daraus resultierende Fehlverhalten, die sich fast zwangsläufig aus mangelhafter Kommunikation ergeben, sind natürlich vielfältig und zahlreich - das kennen wir nicht nur von unserer Kommunikation mit Pferden, sondern auch von der zwischenmenschlichen Kommunikation. Ich bringe später noch ein ganz konkretes, anschauliches Beispiel.
Hier kommt es mir darauf an, dass man nicht unbedingt in jedem Fall einen Lehrer in Anspruch nehmen muss, wenn man seine Schwierigkeiten erfolgreich bearbeiten möchte. Wir sind ja alle selber begabt und klug, neugierig und experimentierfreudig, lernfähig und aufrichtig. Wir möchten wirklich echte Fortschritte machen und haben kein Interesse daran, uns selbst etwas vorzumachen. Hans-Jürgen Neuhauser ist jedenfalls ein Lehrer, der sich auf niemanden beruft außer auf sein eigenes Pferd, und dieses Pferd, dem der Film gewidmet ist, hatte seine eigene Geschichte, genauso wie Neuhauser selbst. Beide sind ebenso einzigartig wie Sie und ich, Ihr Pferd und mein Pferd, und was die können, sollten wir doch auch zuwege bringen.
Wir sind also alle keine Engel, sondern gezeichnet vom Leben, haben jede Menge gute und schlechte Erfahrungen gemacht und daraus unsere Schlüsse und Konsequenzen gezogen; das Leben hat uns geformt und ausgehend von unserer ererbten Persönlichkeit zu dem gemacht, was wir sind. Daneben haben wir aber unsere Visionen und Sehnsüchte, unsere Wünsche und Fantasien, und wir lassen uns auch von den schlechtesten Erfahrungen nicht davon abbringen, diese realisieren zu wollen. Wenn unsere Vorstellungen mit denen harmonieren, die Hans-Jürgen Neuhauser selber verwirklicht hat, werden wir aufmerksam und hoffen, hier entscheidende Hinweise und Hilfen zu bekommen, die uns auf unserem Weg weiterbringen.
Wer hingegen ganz andere Vorstellungen hat, wird sich mit ihm und seinen Ideen gar nicht erst auseinandersetzen wollen. Es sei denn, er stößt auf seinem Weg auf unüberwindliche Widerstände, die er mit seinen Mitteln nicht überwinden kann, wie die Experten des arabischen Spitzengestüts mit ihren beiden gefährlichen Hengsten, denen Hans-Jürgen Neuhauser helfen konnte, wovon man sich auf seiner DVD überzeugen kann. Auch das möchte ich später genau beleuchten. Selbstverständlich haben die arabischen Fachleute nicht daran gedacht, sich von einem deutschen "Amateur" erklären zu lassen, wie man mit schwierigen Pferden umgeht - schließlich haben die Araber gewissermaßen das Pferd erfunden und sind selber Meister ihres Faches.
Sie haben Hans-Jürgen Neuhauser auch nicht sofort gerufen, sondern sich, nachdem sie schließlich mit ihrem Latein am Ende waren, erst an die Leute gewandt, die sie kannten und denen sie vertrauten. Und so wie man bei einer schwierigen Krankheit von einem Arzt zum anderen läuft und alles probiert, wenn nichts helfen will, so haben die sich schließlich an Neuhauser gewandt. Umso größer ihre Überraschung und ihr Staunen, als sie erleben durften, dass dieser Mann aus Bayern mit seiner Art und Methode tatsächlich in kürzester Zeit Erfolg hatte, wo alle anderen weltberühmten Problemlöser versagten und teilweise sogar im Krankenhaus landeten.
Für ihn war dieses Abenteuer natürlich Herausforderung und Test und selbstverständlich auch Triumph; für uns bleibt die Frage, ob wir von solchen extremen Bedingungen etwas lernen können. Ich hoffe, diese Frage im Laufe meiner Untersuchung beantworten zu können. Im Film ist immer wieder die Rede davon, dass er eine Methode für jedermann entwickelt hat, die weitergegeben werden kann, aber vielleicht trifft das die Sache gar nicht genau. Vielleicht ist es gar nicht so sehr die Methode als vielmehr die Einstellung. Wenn ich mit jemandem tanzen möchte, um die Metapher der letzten Ausgabe wieder aufzugreifen, muss ich ihn respektieren und achten. Wenn das Pferd für mich ein Gaul ist, den ich nach Belieben benutzen kann, der geknechtet werden darf und muss, wenn er funktionieren soll, werde ich mit dieser Methode wenig anfangen können.
Methode und Haltung sind nämlich nicht einfach so zu trennen. Man kann auch sagen: So wie ich der Welt gegenübertrete, so antwortet sie mir. Die Welt ist auch in diesem Sinne ein Spiegel. Kennen wir nicht alle genügend Geschichten von Menschen, die gemeint haben, mit Dingen und Personen beliebig verfahren zu können, deren Hochmut schier unendlich zu sein schien, bevor sie zu Fall kamen?
Drückt nicht sogar das Sprichwort "Hochmut kommt vor dem Fall" die Gewissheit aus, dass dieser Weg notwendig zum Misserfolg führen muss? Könnte es sein, dass herkömmliche Maßstäbe und Weltmodelle sogar grundsätzlich falsch sind?
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