| | Neuhauser geht rückwärts und lockt | | | |
| | | | Er lockt immer noch, das Pferd kommt näher | | | |
| | | Er hebt den Finger, das Pferd merkt auf | | | |
| | | Er hebt den Finger weiter, das Pferd stoppt | | | |
| | | Wendung zum Publikum, das Pferd wartet | | | |
| | | Das Pferd beginnt sich zu langweilen | | | |
| | | Neuhauser beachtet das Pferd nicht | | | |
| Die beiden Geschlechter sind ja, wie wir inzwischen wissen, nur oberflächlich betrachtet so gut wie identisch, in Wirklichkeit aber sehr verschieden und können sich im Grunde genommen gar nicht verstehen, schon vom Verhalten her. So wie Hund und Katze ständig Signale aussenden, die vom anderen Partner missverstanden werden müssen, so dass beide nur dann zusammen leben können, wenn sie Zeit genug hatten, diese Missverständnisse auszuräumen und die ungewöhnlichen Signale korrekt zu interpretieren, müssen die beiden Geschlechter sich auch in der Natur regelmäßig zusammenraufen. Dem dient die geschlechtliche Werbung, die ganz allmählich die normalerweise nötige Distanz überwindet und eine Situation vorbereitet, die dann schließlich vor allem gefühlsmäßig zum gewünschten Erfolg führen kann. Der Überwindung der Distanz und der Entwicklung dieser Gefühle dient auch der Tanz beim Menschen, wie jeder vermutlich aus eigener Erfahrung weiß. Und auch hier handelt es sich um eine Werbung, eine Einladung des männlichen Parts, der der weibliche Part nach Belieben folgt oder auch nicht. Das kann durch den Tanz immer wieder ausgetestet werden, weil dieser aus ständigen solchen Folgen besteht. Wenn die Einladungen immer besser erwidert werden, ergibt sich eine immer engere Verbindung. So lädt der Tänzer zum Beispiel die Tänzerin mit einer Geste ein, eine Pirouette zu drehen, und sie folgt seiner Einladung. So ungefähr kommt es mir vor, wenn Hans-Jürgen Neuhauser ein Pferd einlädt, eine Wendung zu machen oder zu stoppen oder wieder anzutreten. Es ist wie ein freundlicher Tanz, der um seiner selbst willen ausgeführt wird, weil er so schön ist und man sich so gut dabei fühlt. Es ist sogar sehr angenehm anzusehen. Selbstverständlich beziehen sich beide Tänzer während ihres Tuns aufeinander, sie richten ihre Aufmerksamkeit auf den jeweils anderen, schon allein um dessen Signale mitzubekommen und auf ihn reagieren zu können, aber auch weil genau diese Kommunikation eben der Sinn der ganze Angelegenheit ist. Genauso bezieht sich Neuhauser ständig auf das Pferd, mit dem er kommuniziert. In der nebenstehenden Sequenz kann man das sehr gut sehen: Zunächst bezieht er sich ausschließlich auf das Pferd, und stellt dieses dann gewissermaßen ab, um sich dem Publikum zuzuwenden. Besonders interessant wird es in dem Moment, wo das Pferd sich zu langweilen beginnt und ihm zu entgleiten droht. Bekommt er das mit? Und wenn ja, was macht er dann?
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