Stell Dir einen Nähfaden vor, nimm ihn in beide Hände und ziehe jetzt beiderseits langsam: der Faden hat ein gewisses Maß an Elastizität, durch die Du ihn mehr oder weniger stark dehnen, also verlängern kannst, bis zum Zerreißen des Fadens. Wenn Du aber beiderseits ruckartig einwirkst, dann wird er sofort zerreißen, das heißt, er wird sich zuvor nicht dehnen und verlängern, jedenfalls nicht sicht- und spürbar für Dich oder den Betrachter. Also nicht abrupt vom Arbeits- zum Mitteltrab treiben, (denn dann 'reißen' alle verbindenden Hilfen) sondern schmiegsam von kürzeren zu verlängerten Tritten oder zum Mitteltrab kommen und ebenso schmiegsam zum Arbeitstrab zurückkommen, um die feinen Verbindungen nicht zu stören. Was Tempowechsel, das Verstärken und Verkürzen des Tempos im Galopp angeht, so gilt für diesen das Gleiche wie für den Trab. Auch für die Galoppverstärkungen gilt neben der Bezeichnung 'schmiegsam' die Bezeichnung 'kraftvoll'. Verlängerte Sprünge wie Mittelgalopp lassen sich auch durch abgeflachte Ecken, also auf der ganzen Bahn, aber auch auf dem Zirkel reiten. Ein wechselndes Verstärken und Verkürzen des Galopps ist gerade auf dem Zirkel eine gute Übung. Bei der Verkürzung der Tritte im Trab und der Sprünge im Galopp ist es angebracht, mal wieder an das 'Kreuz des Reiters' zu denken. Es bedeutet: Aufrichten des Oberkörpers und elastisches Strecken der Beine, so dass Dein Fuß etwas deutlicher den Bügel austritt. Die Gesäßmuskeln und Oberschenkelmuskeln bleiben locker, damit bleibt auch Dein Gewicht im Sattel und Du sitzt 'im Pferd'. Durch Deine Kreuzeinwirkung wird wiederum die Anlehnung an die Hand leichter, (das Pferd stößt sich von Deiner Hand, von Deinem gegenhaltendem Kreuz ab), aber die Gelenke der Hinterhand beugen sich vermehrt und daraus ergibt sich die natürliche Aufrichtung. Ein Denkfehler ist es, wenn Du glaubst, für die halben Paraden zur Versammlung des Pferdes und zum Verkürzen des Tempos mit dem Treiben nachlassen zu sollen und mit der Hand Tritt- oder Sprunglänge zu regulieren. Im Gegenteil: das Treiben muss nur vibrierender, lebhafter werden, um die Hinterbeine ebenso zu lebhaftem, von der Erde sich leicht lösendem, kaum hörbaren Treten anzuregen. Deine Hand, Deine Schenkel und Dein Kreuz müssen aus dem Gefühl heraus so abwägend, gegenseitig ausgleichend wirken (koordinieren), dass das lebhafte Treten nicht wieder zum Tritte verlängern führt, sondern durch eine kleine Kette von rasch aufeinander folgenden, aber leichten halben Paraden, zum gewünschten reduzierten Tempo mit verkürzten Tritten, entsprechend dem Tempo und dem Versammlungsgrad, den Du wolltest. Ein vermehrtes Schließen der Faust und wieder leicht werden sollte bei diesen harmonischen halben Paraden genügen. GEDULD SPART BEI DER AUSBILDUNG VON PFERDEN ZEIT Auch hier wieder die gleichen Ratschläge, die für alle Lektionen gelten: Das Üben von Tempowechseln und Verstärkungen nicht übertreiben, sondern ab und zu in die Arbeit passend einbauen. Bei spürbarem Widerstand Dein Pferd nicht zwingen durch Strafüben, sondern später oder an einem anderen Tag die Lektion wieder versuchen und jedes Bemühen des Pferdes durch Stimme und anschließendes 'Zügel aus der Hand kauen' belohnen. Dein Pferd darf keinen Widerwillen gegen Übungen entwickeln. Denke immer daran, dass es Tage oder Stunden geben kann, an denen Dein Pferd nicht in der körperlichen Verfassung ist, Deine Wünsche zu erfüllen und beobachte es daraufhin. Dieser Rat bringt mich gleichzeitig zu einem wichtigen Thema, das ich eigentlich früher schon hätte anschneiden sollen: Die heutzutage häufig zu beobachtende Unausgewogenheit zwischen Arbeit und Ruhe.
|