| | MINZI (Mienenspieler xx) mit Champion Fritz Drechsler (Stall Röttgen), Siegerfoto Frhr.-Clemens-v.Romberg-Rennen 1600m Dortmund | | | |
| | Bei meinem Vollblüter MINZI (für Vollblutkenner: Mienenspieler v. Bürgermeister-Mimose) stellte sich beim Freilaufen eine Ausnahmebegabung für Selbstdarstellung durch Zirkuskunststückchen heraus. Er war eitel. Das brachte mir manchmal auch Schwierigkeiten bei einer Prüfung, zum Beispiel Piaffieren bei der Schlussaufstellung. Das kam durch meinen Denkfehler: ich habe ihn ja fast immer �in freier Wildbahn' also im freien Gelände ohne Bande oder ähnliches geritten und ihm da auch einige Piaffetritte aus dem Halten beigebracht, fast immer am Ende der Stunde. Sobald er sich einige saubere Tritte abringen ließ, stieg ich - als Belohnung - sofort ab. Er folgerte daraus bei jedem Halten: �ich habe den Quatsch gemacht, den Du unbedingt willst, also jetzt bitte: runter von mir!' Beim Freilaufen lief er unter anderem auf zwei Beinen und beschäftigte sich mit Wurfübungen. Er konnte eine gebündelte Longe aus den Zähnen wegschleudern, wenn er sie zunächst durch kreisende Kopfbewegungen in Drehung versetzte. Dann begann er sich nach Westernart - oder besser: wie ein Hammerwerfer, immer schneller auf der Stelle um seine Hinterhand zu drehen. Wenn die Fliehkraft groß genug war, ließ er das Bündel los und es flog dann in hohem Bogen weit weg in irgendeine Richtung und er galoppierte hinterher. Wenn er das Bündel wieder geschnappt hatte, hüpfte er damit aus lauter Spielfreude zuerst herum wie ein Ziegenbock, dann begann das Spiel von neuem. Man musste nur vorsichtig sein, dass er in seiner Begeisterung nicht übers Ziel hinaus schoss und, ohne es zu wollen, gefährlich wurde. Ohne Longierpeitsche war ich bei solchen Spielen nie dabei. Zum Beispiel beim Fangen Spielen um die Bäume im Park herum, ich vor einem Baum, er hinter dem Baum. Er machte jede meiner Bewegungen mit: deutete ich an, zum nächsten Baum rechts von mir zu rennen, bewegte er sich auch dorthin, stoppte aber sofort, wenn ich stoppte. So schaukelten wir beide vor und hinter dem Baum mal nach rechts, mal nach links, bis ich meinte, dass ich jetzt schnell genug in den Schutz des nächsten Baumstamms kommen könnte. Wäre mir das nicht immer geglückt, dann hätte er mich in seiner Begeisterung umgerannt, vielleicht sogar gepackt. Aber der gelernte �Meiler' MINZI (ein Meiler ist ein Galopp-Rennpferd, dessen Spezialdistanz die Meile ist, also 1.600 m) wurde auch noch, als ich ihn achtjährig und ohne anderes Können als möglichst schnell zu rennen (�laufen' sagt man beim Rennsport) übernahm, ein gutes Dressurpferd, mit einer ganz besonderen Ausstrahlung. Wir beide schafften es bis zu Lektionen der mittleren Klasse. Eine schwere Infektion, die er von einem Turnier mitbrachte, mit anschließend zu spät erkannter chronischer Luftsackvereiterung setzte unserer Dressur-Karriere dann ein Ende und er spielte nur noch mit mir und vertrieb sich ansonsten im Park die Zeit mit Herrn Häberle, seinem Ziegenbock. Ich habe noch heute seine Stalltafel im Flur an der Wand hängen, auf der steht: MINZI Graf von der Kennenburg - Zeitfrister; und darunter steht: Hans Häberle - Assistent. (Kennenburg ist ein Ortsteil von Esslingen) So lebten die beiden ungeniert neun Jahre zufrieden und ungestört als Privatiers, bis sie - Minzi alt und Häberle uralt - beide zusammen im Pferdehimmel als sicher unterhaltsamer Zugang verbucht werden konnten. Ich schreibe das jetzt so dahin, aber es war sehr traurig. - Zu Deiner Motivation: ich hatte damals, als ich mit MINZI gelegentlich ein Turnier ritt, mangels finanziellem Spielraum durch Flucht und verlorene Habe nach Kriegsende auch keine Halle, keinen Trainer! Ich übte auf einem einige Kilometer entfernten ehemaligen Exerzierplatz, zu dem ich steile, gepflasterte Weinbergwege bergauf und später wieder bergab reiten musste, was aber Training war für eine kräftige Hinterhand und Trittsicherheit auf glattem Pflaster. Dort oben fand ich immer eine grüne und trockene Stelle, die ich mit großen Steinen als �Dressurviereck' kennzeichnete. Meine Generation der Kriegs- und Nachkriegszeit war damals zwangsläufig bescheiden, kreativ und zupackend. Einen Sozialstaat gab es Gott sei Dank nicht in dem Ausmaß wie heute, dafür gab es mehr �natürliche Auslese'! Von MINZI wird - nein: m u ß ! später noch die Rede sein, er war und bleibt ein Ausnahmepferd und mein Lieblingspferd.
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