Nach all diesen Jahren unternahm ich mit meiner Familie den ersten Ausflug, um wilde Pferden im Westen der USA zu beobachten. Meine Arbeit ist durch die Studien an diesen Pferden und deren Hufen ungeheuer beeinflußt und angeregt worden. Der Grund, warum ich so lange gezögert habe, hinzufahren und mich selbst zu überzeugen, war die Ansicht, daß ich durch der Studium der Arbeit anderer ohnehin schon das meiste gelernt hatte, was ich brauche.
Zuerst und am meisten bin ich durch die Arbeit von » Jaime Jackson beeinflußt worden. Er ebnete für die überwiegende Mehrzahl von uns den Weg, wie man steinzertrümmernde Barhufe formen und die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Hauspferden dramatisch steigern kann. Im Gefolge dessen ergab sich die Möglichkeit, die Geheimnisse der Hufrehe, der Hufrollenentzündung, der Krankheit der weiße Linie und der Hufwandrisse zu lüften. Später studierte ich die Ergebnisse der Wildpferdebeobachtung von Gene Ovnicek und Dr. Robert Bowker. Von denen lernte ich Neues und die Bestätigung dessen, was ich schon von Jaime gelernt hatte.
Also fuhr ich mit einer Touristenhaltung in das Wildpferdeland und wollte nur das bestätigen, was ich schon wußte. Ich hätte nicht blinder sein können. Ich hätte nicht mehr danebenliegen können. Es gab dort viel, viel mehr zu erleben als ich mir jemals hätte vorstellen können. Was ich hier schreibe, klingt wahrscheinlich ganz ähnlich wie das, was meine Vorgänger geschrieben haben. Ich weiß nicht, ob irgend jemand das vermitteln kann, worum es geht, aber ich muß es versuchen. Ich dachte, ich sei auf der Höhe der Zeit, aber was ich sah, blies mich buchstäblich vom Fleck. Ich habe Tausende von Pferden bearbeitet, auf der ganzen Welt. Ich saß sechs Jahre meines Lebens vom Sonnenaufgang bis zur Dunkelheit im Sattel. Ich hatte das seltene Vergnügen, einige der vorzüglichsten Pferde der ausgesuchtesten Pferdemenschen der Welt zu behandeln. Sie müssen begreifen, daß ich nach zwei Minuten mit den Wildpferden begriff, daß ich noch nie ein wahres Pferd gesehen hatte. Ich hatte keine Ahnung von ihren Möglichkeiten.
Das Land bestand aus Felsbrocken; die meisten in der Größe eines Baseball, poröses, vulkanisches Gestein, das man direkt als Raspel hätte benutzen können, wenn man einen Pferdehuf hätte bearbeiten wollen. Alle 30 Zentimeter oder so war ein Brocken von Basketballgröße dazwischengeworfen. Pferdespuren konnte man so gut wie gar nicht sehen, weil einfach nicht genug Erde zwischen den Steinen lag. Es gab ein paar schlammige Flecken von der letzten Schneeschmelze, aber die waren auf genau die gleiche Weise mit Felsbrocken durchsetzt. Die Pferde machten auch gar keinen Versuch, diese etwas weicheren Stellen zu finden, um diesen Weg zunehmen. Sie waren den ganzen Winter über überwiegend auf Schnee gelaufen, wenn also ihre Hufe jemals weich, empfindlich und schlecht geformt sein sollten, dann würde es jetzt sein. Ich glaube, daß dies die kritischte Zeit war, um die Pferde zu sehen.
Ivy und ich beobachteten, filmten und fotografierten mindestens 60 Pferde. Alle, von den Fohlen bis zu den alten Pferden, bewegten sich ohne Mühe und effizient über dieses unglaublich rauhe Gelände. Sie trabten auf eine Weise versammelt und ausgreifend über dieses Hindernisgelände, die die besten Vorführungen jedes Dressurpferdes in den Schatten stellen würde, den Schweif hoch getragen und die Köpfe über die Schulter zu uns gedreht! Ich wußte gar nicht, daß ein Pferd sich in dieser Gegend überhaupt bewegen würde. Wir Menschen mußten buchstäblich bei jedem unserer Schritte aufpassen. Am dritten Tag bekamen wir einen Zentimeter Schnee (als ob wir nicht ohnehin schon Probleme genug gehabt hätten). Wir konnten uns kaum noch bewegen. Es war exakt so als wollte man in einem glitschigen, steinigen Gebirgsbach gehen. Die Bewegung der Pferde war aber durch den rutschigen Überzug der Steine überhaupt nicht beeinträchtigt. Tatsächlich bewegten sie sich viel besser als die Maultierhirsche und die Gabelhornantilopen. Das einzige Tier, das der makellosen Flüssigkeit ihrer Bewegungen gleichkam, war ein einsamer Kojote. Die ganze Zeit über sahen wir nicht ein einziges Lahmen, nicht einmal ein Zögern wegen irgend eines Felsbrockens, nicht ein lahmes Pferd und nicht ein Splitter oder Riß in irgend einem ihrer Hufe. Es war ein unglaublicher Anblick.
Die Gegend hatte noch ein paar Wochen vor unserer Ankunft unter einer starken Schneedecke gelegen. Die Pferde fraßen winzige grüne Grassprößlinge, die zwischen den Steinen herauskamen. Sie fanden vielleicht einen alle zwei Schritte. Nach unseren Berechnungen bewegten sie sich tatsächlich zwanzig Meilen am Tag in dieser unwirtlichen Gegend. Interessanterweise gab es ein paar bewaldete Stellen mit ordentlichem Grasbewuchs und weicher, feuchter Oberfläche, aber man konnte nur sehr selten beobachten, daß sich ein Pferd dort bewegt hatte. Sie bevorzugten den freien Raum und hohe, steinige Bergrücken, wo sie alles um sich herum überblicken konnten. Die Stuten warfen ihre Fohlen, während wir sie beobachteten, und sowohl die Stuten als auch die Fohlen waren extrem gesund. Was um Himmels Willen fraßen die den ganzen Winter? Das Gras war doch mit Schnee bedeckt, wenn es überhaupt welches gab. Ich versichere Ihnen, daß ich es im nächsten Winter herausfinden werde!
Diese Pferde waren allesamt Bilder von Gesundheit, aber kurz nach der Schneeschmelze sollten sie doch am schlimmsten aussehen, würde ich denken. Ich kann es kaum erwarten, diese Pferde im Sommer zu sehen. Dann fahre ich auch hin.
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