Aber daran kann ja keiner interessiert sein. Pferde sind nach wie vor Mittel zum Zweck. Wenn von 120 Millionen Pferden auf dieser Erde 100 Millionen für den Lebensunterhalt ihrer Besitzer arbeiten müssen, sind damit die Pferde der Dritten Welt gemeint, nicht etwa die der Schockemöhles und sonstigen Pferdefreunde, die mit Pferden in unserem Lande Geld verdienen. Aber im Grunde sind die Verhältnisse doch dieselben.
"Pferde sind die letzten Sklaven" sagte jemand, der es wissen müßte. Da wir Menschen dazu verdammt sind, für unseren Lebensunterhalt zu arbeiten, dürfen wir von unseren Pferden durchaus verlangen, daß sie für ihren eigenen Lebensunterhalt arbeiten. Sofern sie dabei ihre Würde bewahren können, wäre dagegen nichts einzuwenden. Es wäre also zu klären, was Pferde wirklich brauchen, damit sie sich als Pferde wohlfühlen. Umgekehrt würden wir natürlich auch gerne wissen, was Menschen brauchen, damit sie sich als Menschen wohlfühlen. Die Menschen können wir fragen, und die Pferde im Prinzip auch, denn sie sagen uns ohnehin ständig, wie es ihnen geht. Wir müßten nur zuhören und ihre Sprache verstehen.
So haben wir also einige Organisationen entdeckt, deren Arbeit durchaus seriös zu sein scheint. Aber im Grunde muß jeder doch vor seiner eigenen Haustür kehren, und dazu bedarf es keiner Organisationen. Tierschutz, speziell Pferdeschutz, verstehe ich dahingehend, daß jeder Reiter und jeder Pferdebesitzer genau wissen sollte, was sein Pferd braucht, wer sein Pferd ist, und wie es ihm geht. So gesehen müßten wir uns den Pferden gegenüber wie ein Patriarch verhalten, der sich für die von ihm abhängigen Familienmitglieder verantwortlich fühlt. Oder wie ein Firmenchef, der sich für die von ihm abhängigen Mitarbeiter verantwortlich fühlt. Wo gibt es das?
Zum 1. Juni hat die Firma Bertelsmann mehrere Milliarden Kredit aufgenommen, um nicht an die Börse gehen zu müssen. Denn dann wäre es aus mit der bisherigen Firmenkultur, nach der sich die Firma um die Mitarbeiter zu kümmern hat. Das wollten die Gründer und Hauptstimmberechtigten auf jeden Fall vermeiden. Hat die Öffentlichkeit das wahrgenommen und gewürdigt?
Wenn wir wollen, daß die Menschen mit den Pferden anders umgehen, verantwortlich nämlich, müssen wir dann nicht auch wollen, daß die Menschen mit den Menschen anders umgehen? Vielleicht, nein, ganz sicher beeinflußt sich beides. Wie ein Pferd hat, kann an dieser Stelle üben, wer eine Firma oder Familie hat, kann es dort tun, und wer beides hat, kann beide Prozesse aufeinander wirken lassen. Ich bin mir sicher: Wenn sich für die Pferde etwas ändert, dann ändert sich auch etwas für die Menschen. Es kann gar nicht anders sein. Tierschutz, Pferdeschutz, muß also unser aller Anliegen sein. Er beschränkt sich nicht auf grauenhafte Auswüchse und kann nicht auf Institutionen abgewälzt werden.
Quellen / Verweise
- » Proequo Organization for the Protection of Horses
- » Deutsche Vereinigung zum Schutz des Pferdes eV
- » Helmut Kaplan
- » "Arche 2000" Welt-Tierhilfe eV
- Tierschutz oder Tierrecht?
- » Deutscher Tierschutzbund erfreut über hartes Urteil gegen "Arche 2000 Welttierhilfe"
- » Erste Hilfe für Vierbeiner
- » Tierschutz
- Auch wir haben Gefühle
- » tiertransporte 2003
- » Wenn Jäger sterben
- » Kennen Sie Kaplan?
- » "Ich habe keine Sehnsucht nach einfachen Lösungen. Aber ich sehe viele Dinge einfacher."
- » Animal welfare
- » Albert Knapp
- » Deutscher Tierschutzbund
- » Rachel Carson
- » A Tribute to Ruth Harrison
- » Universal Declaration of the Animal Rights
- » The Meaning and the Spirit of the Universal Declaration of Animal Rights
- » Italy to face legal action for cruelty against animals?
- » A True Fable
- » Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e. V.
- » verbesserte Rahmenbedingungen in der Pferdehaltung
- » Gutachten über Rodeoveranstaltungen
- » Neurektomie und Tierschutz
- » Clippen von Pferden
- » Isolationshaft
- Willkommen in Absurdistan, Über Zeitenwechsel und Wissenschaft
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Übersetzungen aus dem Englischen durch den Autor
Fotos
© Gerd Hebrang
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