Aber, was war mit Opal los? Sielke Hardes kleines Welsh-Pony lahmte deutlich. Beim Veterinär-Check war doch noch alles in Ordnung - hatte er sich vertreten oder einen Fremdkörper in den Huf getreten? Nichts!
Es half nichts, der Turnier-Hufschmied musste kommen. Zum Glück war mittlerweile Julia eingetroffen, Sielkes Cousine, die seit Jahren in London lebt und Sielke bei diesem Turnier als Dolmetscherin und Helferin zur Seite stehen wollte.
So konnte Julia übersetzen, denn von dem, was der charmante alte Hufschmied in seinem typisch schottischen Dialekt von sich gab, konnte man nicht wirklich viel verstehen.
Nach einer eingehenden Untersuchung entschied er, das Eisen abzunehmen - eigentlich das, was keiner wirklich wollte, denn mit einem frisch beschlagenen Pferd bei einer WM zu starten hatte noch keiner gewagt.
Aber, es blieb nichts anderes - also, das Eisen runter, und - zum Vorschein kam ein abgebrochener Hufnagel, die Spitze irgendwo im Huf verschwunden. Nun schien es endgültig klar zu sein, diese WM war für Sielke und ihr Pony gelaufen.
Aber so schnell aufgeben wollte keiner, weder der Hufschmied noch Sielke, und Opal schon gar nicht! Vorsichtig suchte der Hufschmied nach der Nagelspitze, geduldig ließ sich Opal die ganze Prozedur gefallen, und nach etlichen Versuchen war es geschafft, die Spitze war draußen! Jetzt hieß es nur noch, eine Entzündung zu verhindern. Den Nachmittag und die ganze Nacht hindurch sollten im 2-Stunden-Rhythmus kalte Umschläge gemacht werden - ob es reichen würde?
Für Ulli Hengemühl stand nun ein Kandidat weniger zur Debatte; auf Opals Genesung zu hoffen und Sielke für die Mannschaft zu nominieren wäre ein Lotteriespiel gewesen.
Nach dem Training und ein paar ruhigen Minuten zum Nachdenken gab Ulli Hengemühl dann die Mannschaftsaufstellung bekannt: Karl-Bernd Käsgen und Heiner Lehrter (beide Grad I) sollten mit ihrer Erfahrung für die guten Grad I-Ergebnisse sorgen.
Bernhard Bücker (Grad II), der mit seinem dressurstarken Pony Kurbaums Flop erst vor wenigen Wochen bei der Kreismeisterschaft eine sagenhafte Wertnote von 8,4 erhielt, sollte der Mannschaft mit einem starken Dressurergebnis von Anfang an den nötigen Vorsprung verschaffen.
Klar, dass alle Fahrer ihr Bestes geben würden, schließlich wollte man den Titel des Mannschaftsweltmeisters erneut verteidigen! Aber auch für die Einzelwertung hatten sich alle viel vorgenommen: Karl-Bernd Käsgen wollte wieder Einzelweltmeister in Grad I werden, Heiner Lehrter wollte diesmal mehr als die Bronzemedaille in Grad I und Bernhard Bücker und Werner Borgmann wollten die Medaillenränge in Grad II in Angriff nehmen. Nur Sielke Hardes Wünsche blieben bescheiden: Hauptsache Opal geht wieder klar!
Im Laufe des Morgens war auch Albert Sahle eingetroffen. Er hatte sich freundlicherweise bereit erklärt, das Amt des Chef d'Equipe zu übernehmen und die Mannschaft bei offiziellen Terminen und Entscheidungen zu vertreten. Jürgen Matthies, der diese Aufgabe bei den drei vorhergehenden Weltmeisterschaften übernommen hatte, war wegen einer Familienfeier leider verhindert und konnte das Team nicht begleiten.
Nach einem wieder mal ausgezeichneten Essen aus Elisabeths Feldküche, ein wenig Fachsimpelei und ein, zwei Bierchen als Einschlafhilfe ging es an diesem Abend wieder früh in die Federn, pardon, Schlafsäcke. Für den nächsten Tag stand die Dressurprüfung an und die hatte es in sich!
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