Wie sind die Sißmanns denn überhaupt aufs Pferd gekommen? Wurde es ihnen an der Wiege gesungen? Natürlich nicht. Werner Sißmann ist erst über seine Frau zum Pferdemensch geworden. Barbara Sißmann war, wie fast jedes Mädchen, schon als Kind von Pferden fasziniert, hatte Reitstunden und träumte von einem eigenen Pferd.
Das ließ sich aber nicht realisieren. Während des Studiums lernte sie Werner Südholt kennen. Die beiden heirateten, legten ihre Diplomprüfungen ab und traten ihre ersten Stellen an, Barbara Sißmann in der Verwaltung, Werner Sißmann in einem Architekturbüro.
Die besondere Faszination der Araber äußerte sich lange nur durch die Lektüre des Araber Journal. Und dann fing die ganze Geschichte an. Barbara Sißmann besuchte eine Vorführung beim Vollblutarabergestüt Ismer. Und dort zeigte der berühmte Westerntrainer Peter Kreinberg, daß Araber vorzüglich western geritten werden können.
Barbara Sißmann war natürlich englisch ausgebildet. Von ihrem ersten Gehalt leistete sie sich einen Kurs bei Peter Kreinberg; ihr erster Urlaub. Werner Sißmann fand das gar nicht lustig. Frisch verheiratet, verschwand seine Frau zu den Cowboys! Er blieb Zuhause. Er war entsetzt. Er hatte Angst vor Pferden.
Bei Kreinberg lernte Barbara Sißmann Farisha kennen. Die war dort zur Ausbildung. Kurz: es war um Barbara Sißmann geschehen. Sie mußte Farisha kaufen. Die zog daraufhin zum Wohnort der Sißmanns, nach Haltern im nördlichen Ruhrgebiet, wo der bewaldete Höhenrücken Haardt mit 200 Kilometern Reitwegen lockt. Werner Sißmann: "Der Spaniel war 200 Meter voraus, ich mit der schweren Nikon 200 Meter zurück! Das war kein Zustand!"
Auf dem Rückweg durfte Werner Sißmann Farisha trockenreiten. War doch gar nicht so schlimm! Seine Frau half ihm weiter: "Nimm dir mal 'ne Bürste, einen Hufkratzer!" Und so ergab sich eine Lerngelegenheit für Werner Sißmann. Die Stute stellte sich auf seinen Fuß. Er fluchte. Und dann dämmerte ihm etwas.
"Ich hatte die falsche Einstellung. Sie sagte mir sowas wie: 'Du bist ein Arsch. Du bist es nicht wert, daß du in meine Nähe kommst.' Das hat mir zu denken gegeben." Folgerichtig kam es zu einer Sinneswandlung, zu einer neuen Einstellung, zur nächsten Konsequenz. Wie wäre es denn mit einem zweiten Reitpferd? So kamen die Sißmanns zu Thörners. Werner Sißmann verliebte sich auf einer Auktion in eine Jungstute: Chetalia.
Das war eigentlich nicht das Reitpferd, das sie suchten. Wieder stiefelte Werner Sißmann hinterher, diesmal mit einem Pferd an der Hand. In einem zweiten Anlauf erwarben die Sißmanns Mantilla, die letzte ägyptische Stute der Thörners, bevor diese sich auf polnische Linien festlegten. Die Verbindung zu den Thörners wurde fester.
Gleichzeitig lockerte sich die Verwurzelung im heimischen Reitstall. Der wurde betrieben von Angloaraber-Leuten, die ganz andere Vorstellungen hatten. Man verstand die Sißmanns gar nicht. Diese faßten den nächsten Schritt ins Auge und suchten nach einer eigenen Bleibe. Sie suchten sehr lange. Auf einer Reise nach Polen zum Gestüt Janow Podlaski wurde die Weiche gestellt.
Den Sißmanns steht die Situation noch heute vor Augen: "Direkt hinter dem Uhrenhaus machte Mutter Thörner einen überraschenden Vorschlag: sie bot uns den Funkenhof an." Aber nicht nur das; mit dem Funkenhof, der ja zur Hengstaufzucht von Ostenfelde diente, und der Übernahme der Spitzenvererber Euben und Camerton haben die Sißmanns eigentlich das Erbe von Ostenfelde angetreten. Thörners lösten ihr Gestüt nämlich aus Altersgründen mangels Nachfolge auf.
Wieder ein Umzug, diesmal aber ein endgültiger. Der Lebenstraum der Sißmanns wurde Realität. Barbara Sißmann wechselte in die Bauabteilung der Stadt Bielefeld, Werner Sißmann nahm eine Stelle in einem Architekturbüro in Melle an und konnte sich nach einigen Jahren selbständig machen. Und wenn sie nicht gestorben sind...
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