08.03.01 Liebe Sylvia, ich lese nun schon seit längerem Ihre Artikel in der Pferdezeitung und schätze insbesondere Ihre sehr differenzierte Sichtweise. Gerade eben habe ich mir aus aktuellem Anlass Ihren Artikel zu Monty Roberts durchgelesen und möchte Ihnen dazu gerne das schildern, was ich am Montag den 5.3.01 auf der Equitana gesehen habe, weil ich befürchte, dass sich die bei Ihnen schon angedeutete negative Entwicklung leider noch zu steigern scheint. Ich reite seit über 20 Jahren, habe ein eigenes Pferd und bin immer wieder offen und neugierig auf die Methoden erfolgreicher Pferdemenschen. Von Monty Roberts hatte ich zwei Dokumentationen gesehen und ein Buch gelesen und ging offenen Herzens zu der Veranstaltung. Es handelte sich dort auch um eine Show-Vorführung von Monty Roberts und zwar in der Halle 6, also vor großen Publikum. Was ich gesehen habe, war u.a. folgendes: Ein hoch nervöses und ängstliches Pferd (Arabermix) wurde nach einem kurzen Join-up mit einem sogenannten "Buckelstopper" versehen � eine Plastikseilkonstruktion (wie Monty Roberts selbst sagte "Wäscheleine"), die unter die Oberlippe des Pferde gelegt wird, über den Kopf und Hals dann am Sattel befestigt wird, so dass das Pferd den Kopf nicht mehr senken kann. Die Konstruktion war so verschnallt, dass es dem Pferd nicht einmal mehr möglich war, den Kopf in eine normale Position zu bringen, sondern es musst den Kopf unnatürlich hoch tragen. Dieses Pferd wurde dann mit Sattel angetrieben � und buckelte. Dann wurde eine Puppe auf des Pferd geschnallt, es wurde wieder angetrieben � und buckelte. Zu guter letzt kam noch ein Reiter auf das Pferd, wieder wurde es angetrieben, noch dazu mit irrwitzigen reiterlichen Verrenkungen, bei denen die Beine vorne auf die Schultern und hinten an die Flanken gelegt wurden � und buckelte. Das Buckeln war bei diesem Pferd ein bewusst provoziertes, weil abzusehendes Verhalten. Die Prozedur dauerte ca. 20 Minuten, das Pferde wieherte Richtung Ausgang, was Monty Roberts mit dem Satz "Look he ist crying for help!" quittierte. Punkte meiner Kritik: - 1. ) Es wurde nicht ein einziges Mal abgefragt, ob es körperliche Ursachen für das Buckeln des Tieres gab.
- 2. ) Es handelte sich um eine extrem beängstigende Situation für das Pferd, das unter hohem Stress und großer Angst stand. Jedem, der etwas über den Prozess des Lernens versteht, wird wissen, dass unter solchem Stress das Lernen unmöglich ist.
- 3. ) Unter dem Motto "Pain can never be the way" wurden einem Tier gezielt und bewusst über die Dauer von ca. 20 Minuten Schmerzen zugefügt, um ein Pferd zu Showzecken gefügig zu machen.
- 4. ) Was dort mit dem Pferd gemacht wurde, fällt schlicht unter Tierquälerei.
- 5. ) Der sogenannte "Buckelstopper" wurde, so wie ich das gesehen habe, offenbar nach der Veranstaltung fei auf der Messe verkauft, so dass nun vom Profi bis zum blutigen Anfänger den Buckelstopper bei ihrem Pferd zu Hause ausprobieren können.
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Für Fragen oder einen Austausch stehe ich gerne zur Verfügung. Herzliche Grüße, Tania Konnerth 08.03.01 Liebe Sylvia, ganz herzlichen Dank für Ihre Antwort. Es tut mir gut, mich mit anderen darüber auszutauschen, denn auf der Veranstaltung selbst hatte ich den Eindruck, ziemlich allein dazustehen. Offenbar glauben die Leute doch eher, was sie hören, als das, was sie sehen. Oder die Worte lassen das, was zu sehen ist, anders wirken. Ihr Brief hat mich sehr angerührt und unendlich traurig gemacht. Auf Anhieb kommt mir das Wort "Show" in den Sinn und die Uhr, die ich am Round Pen in Ankum prangen sah. Ja, es war tatsächlich eine Show - und eine ziemlich schlimme. Das Publikum hat viel gelacht und Roberts hat seine Späßchen gemacht. Nichts zu lachen hatten die Pferde. Die Zuschauer wollen anscheinend Sensationen sehen. Es wäre doch keine Sensation, wenn der Vorführende verkünden würde, daß dieses Pferd zunächst auf körperliche Probleme untersucht werden sollte und man dann in wochen- vielleicht monatelanger Arbeit an das Problem des Buckelns herangehen könnte. Ja, so ist das wohl. Und das war auch das, was für mich so unfassbar war. Ich war zum ersten Mal auf der Equitana und hatte den Eindruck, dass das Publikum dort sehr gemischt und breit war, also alles in allem relativ wenig "Pferdemenschen". Aber dennoch hätte ich gedacht, dass bei solchen Aktionen wie die Sache mit dem Buckelstopper den Leuten die Lust auf Show vergeht. "Roberts hat ja gesagt, dass das dem Pferd nicht weh tut" - das war das was mir später gesagt wurde. Für mich zieht sich das im Moment in ganz verschiedenen Bereichen durch, dass offenbar Erfolg und Geld die Menschen sehr verändern und sie sich von ihrem eigentlichen Anliegen entfernen. Um so wichtiger ist meiner Ansicht nach die Aufklärung und das Schreiben auch kritischer Artikel. Wir sollten das Feld nicht denen überlassen, die im Moment "in" sind und Massenshows abziehen. Es ist immer leichter, der Menge hinterherzurennen, als sich hinzustellen und das Ganze mal zu hinterfragen. Und das Verrückte ist ja, dass es hier nicht einmal um das berühmte Haar in der Suppe geht, sondern um so offensichtlichen Mist, der nichts als Quälerei ist... Hui, ich merke, wie es da wieder aufkocht in mir. Auch ich bemühe mich sehr um Differenziertheit, aber ich spüre, dass ich hier sehr polemisch werden könnte. Deshalb bewundere ich auch Ihre Art, mit der Sie über all das schreiben. Ich bin selbst auch Autorin(allerdings zu anderen Themen), aber ich befürchte, ich könnte über diese Dinge nicht so professionell, differenziert und gut schreiben. Ganz herzliche Grüße, Tania
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