Ritt des alten Cowboys Über Gefühle, Erfahrungen und Kommunikation von › Werner Popken
Zu den Themen Kommunikation, Tierschutz |
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Eines der größten Rätsel der Welt ist der Zusammenhang zwischen der Materie und dem Rest, dem Nichtmateriellen, für das es eine ganze Reihe von Begriffen gibt, etwa Geist, Seele, Gemüt, Gefühl, Empfindung, Glaube, Intuition, Kreativität, Eingebung, Idee, Vorstellungsvermögen usw. - eben alles das, was man nicht messen, anfassen und in seine Bestandteile zerlegen oder schlicht zerstören kann.
Die modernen Computer haben dafür eine handliche Analogie geliefert, die allenthalben fleißig angewandt wird: Hard- und Software. Software ist in diesem Sinne materialisierter Geist, ebenso wie ein Buch oder die Mitschrift einer Rede materialisierter Geist sind. Die Software als solche besteht nur aus Zeichen, die für sich selbst gar nichts bewirken können, wie auch das Buch nur aus Zeichen besteht, die nur derjenige zu lesen versteht, der diese Schrift, die entsprechende Sprache und vor allen Dingen die zugrundeliegenden Ideen, die ja in ein umfassendes Weltbild eingebettet sind, versteht. Andernfalls muß das Buch unverständlich bleiben, wie auch Software auf der unpassenden Hardware oder dem falschen Betriebssystem nicht laufen kann.
Die moderne Wissenschaft ist sich sehr wohl dessen bewußt, daß am Anfang immer eine Theorie steht, die mittels Hypothesen auf Gültigkeit getestet werden muß. Niemand, der eine Theorie entwickelt, nimmt heute an, daß damit die Wirklichkeit vollständig und erschöpfend beschrieben werden könnte. Solange die Tests die Theorie aber zu bestätigen scheinen, ist diese brauchbar. Sobald das nicht mehr der Fall ist, muß sie verbessert oder im schlimmsten Fall durch eine andere ersetzt werden.
Die Theorie ist also immer etwas fundamental anderes als die Wirklichkeit selbst, die vermutlich gar nicht erkannt werden kann, wie » Raymond Smullyan in seinem vergnüglichen Dialog » Is God a Taoist? ganz nebenbei behauptet und möglicherweise sogar logisch nachgewiesen hat - ich bin nicht Logiker genug, um das beurteilen zu können. Trotzdem gilt es im allgemeinen Verständnis als zulässig, das Modell für die Wirklichkeit selbst zu nehmen - das Denken und Sprechen darüber wird dadurch nämlich enorm erleichtert.
So haben wir uns alle daran gewöhnt, daß die Wissenschaftler unseren Körper und insbesondere auch unser Gehirn als eine Maschine auffassen, ungeheuer kompliziert zwar, aber doch nur eine Maschine, verständlich mit Regeln der Wissenschaft und der Technik, so daß man auch umgekehrt mit diesen Mitteln ähnliche Ergebnisse erzielen kann. Roboter simulieren etwa die mechanischen Eigenschaften eines Körpers inklusive Beinen, die die Fortbewegung ermöglichen, und Armen, die die Manipulation der Umwelt gestatten. Das Gehirn hingegen wird vorzugsweise mit einem Computer verglichen, der Daten speichert und logisch miteinander verknüpft, auf Eingaben mit Ausgaben reagiert und zudem noch lernfähig ist.
Aber trotz allem sind wir uns doch einig, daß Computer mit Sicherheit weder Intelligenz noch Emotionen haben, daß deren Software also grundlegend anders zu verstehen ist als das Analogon bei lebenden Wesen. Was ist das also? Die Wissenschaft läßt sich bekanntlich von unlösbar scheinenden Fragestellungen nicht abschrecken. In den letzten beiden Ausgaben haben wir uns mit dem Problem der Rührung beschäftigt; italienische Wissenschaftler haben sich ebenfalls Gedanken darüber gemacht und versucht, diese Phänomene auf naturwissenschaftlichem Wege zu ergründen. Sie meinen, daß sie etwas Grundlegendes darüber herausgefunden haben.
| Der Mensch ist ein Wunder. Wie gelingt es ihm, unmittelbar zu erfassen, was die Handlungen anderer zu bedeuten haben? Philosophen und Seelenärzte haben jahrhundertelang nach der Antwort gesucht. Den vielversprechendsten Weg bietet seit gut zehn Jahren die Neurophysiologie. Sie hat im Gehirn des Menschen (und anderer Primaten) spezielle Nervenzellen (Spiegelneurone) entdeckt, die eine überraschende Eigenschaft besitzen: Sie aktivieren sich, wenn wir eine bestimmte Handlung ausführen, aber auch dann, wenn wir andere bei dieser Handlung beobachten.
» Wie wir die Emotionen unser Mitmenschen verstehen | | |
Prima, Gefühl läßt sich also in Materie übersetzen - aber offenbar nur, wenn vorher schon das entsprechende Gefühl da gewesen war. Ich interpretiere diese Ergebnisse so, daß wir im Grunde nur das mit- und nachempfinden können, was wir selbst bereits erlebt haben. Das scheint einleuchtend, denn dies Phänomen gilt nicht nur für Gefühle und Stimmungen, sondern auch für ganz handfeste Sinnesempfindungen.
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