| | Asilaraber Mathreb, Original | | | |
| | | Fälschung: So sieht man erst die Schönheit | | | |
| Der Fohlenwiese gegenüber steht der asil gezogene Vollblutaraberhengst Mathreb, Beweis für die Offenheit des Züchterehepaars Sißmann. Zwar bevorzugen sie generell die polnischen Linien, aber das hindert sie nicht daran, an Mathreb Gefallen zu finden.
Es ist Vatertag, Radfahrer kommen des Wegs, und Mathreb reagiert sofort, stellt sich in Positur, und der Fotograf ergreift seine Chance. Leider ist der Standpunkt ungünstig, der Zaun ist dazwischen. Dem Retuscheur ist nichts zu schwer, schon gar nicht, wenn digital bearbeitet wird. Meine Frau lästert natürlich wieder, wie immer, wenn ich "schummele", und das ist für sie schon dann der Fall, wenn ich ein Teleobjektiv einsetze.
Ich gebe ja zu, daß eine Brennweite von 420 Millimetern die Perspektive eines Fernglases verleiht und nicht so recht dem Augeneindruck entspricht, aber auch ein Weitwinkel zeigt etwas, das das Auge so nicht wahrnimmt. Wo fängt also die Lüge an? Das Auge ist in der Lage, zu abstrahieren. Wir nehmen die Schönheit des Pferdes insgesamt wahr und blenden die Existenz des Zaunes aus. Der Zaun verschwindet.
Insofern fühle ich mich gerechtfertigt. Das fertige Foto klebt den Zaun wieder vor das Pferd, das Auge ist nicht mehr in der Lage, jedenfalls nicht mehr so leicht, den Zaun auszufiltern. Also nehme ich den elektronischen Pinsel zu Hilfe. Nun kommt das Pferd in seiner ganzen Schönheit auch im Foto zur Geltung!
Ich hatte befürchtet, daß ich ein Problem bekommen würde, weil ja nun der Zaunpfosten hinter dem Pferd steht, wo er sich doch in Wirklichkeit vor dem Pferd befindet. Das Auge läßt sich aber täuschen, vermutlich durch den Löwenzahn. Beide Bilder sind gleichermaßen glaubhaft. Wer hätte das gedacht?
Für diejenigen unter Ihnen, die solches ebenfalls versuchen wollen: Mein Bildbearbeitungsprogramm, Paint Shop Pro, hat einen sogenannten Clone Brush. Damit kann man die Textur einer bestimmten Stelle auf eine andere übertragen. Man nimmt zum Beispiel leicht unterhalb des Elektrobandes eine Probe und wischt nach oben. Damit wird das Elektroband durch die Textur unterhalb des Bandes ersetzt.
Das Verfahren ist dort idiotensicher, wo die Textur sich kaum ändert oder so unregelmäßig und kleinteilig, daß der Ersatz nicht auffällt. Die Fellfärbung ändert sich natürlich ständig, weil dadurch der Körper und die Muskeln des Pferdes gezeichnet werden. Mit den Ersatz von anderer Stelle ist es also nicht getan. Man müßte das Fell unterhalb des Elektrobandes rekonstruieren, aber wie?
Es hilft nichts: Man muß doch schummeln. Der unpassende Fellersatz wird durch Überwischen angeglichen, wobei in diesem Fall der Pinsel sehr groß und grob eingestellt ist, d. h. Dichte (Density) und Deckung (Opacity) so um 60, 70%. Man könnte nun vermuten, daß der Unterschied nur in der Verkleinerung nicht sichtbar wird, aber das ist nicht der Fall. Auch in der Originalgröße müßte man schon sehr scharfsinnig sein, wenn man die Täuschung entdecken wollte.
Die ganze Operation hat etwa zehn Minuten gedauert. Das wichtigste war der Entschluß. Wenn ich jetzt konsequent wäre, würde ich den Pfosten auch noch entfernen und dann noch den Baum und sämtliche Elektrobänder. Dann hätten wir einen hochedlen Araber frei inmitten deutscher Kulturlandschaft - komplett gelogen, wer's glaubt, wird selig.
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