Leserbrief › 1967 zu Ausgabe › 439 01.09.07
Pulvermann
Sehr geehrter Herr Popken!
Ich bedanke mich herzlich für Ihre schnelle, ausführliche und sachkundige Rezension meines Buches. Erlauben Sie mir dazu einige Anmerkungen:
Die oft gestellte Frage nach dem Motiv für diese Arbeit kann ich auch Ihnen nicht schlüssig beantworten. Sie hat mir sehr viel Freude gemacht und micht mit vielen interes-santen und interessierten Menschen zusammengebracht. Ich habe sehr viel gelernt, auch über den Reitsport, der ja nicht mein Thema war. Sie haben Recht, es ist keine Auftragsarbeit und hat sich erst während der Recherche zum vorliegenden Buch entwickelt, zuletzt unter großem Zeitdruck, weil es zum Derby 2007 fertig sein sollte. Zur Gestaltung des Buches weise ich noch auf die besonders ausgesuchte Schrifttype hin. Der Typograph Eric Gill hat fast die gleichen Lebensdaten wie Pulvermann und war Engländer, Pulvermann war sehr anglophil.
Ganz wichtige Informationen wie eine Originaldurchschrift des von Pu. selbst getippten Briefes aus Oslo (Pu konnte nicht ahnen, daß Deutschland Norwegen besetzen wird) und seine handschriftlichen Bemerkungen "was ich von Markt und Co.weiß" , das Familienphoto und das Jagdphoto aus Schottland habe ich bekommen, als das auf 135 Seiten angelegte Buch druckferig war. Den umfangreichen Ein- und Umarbeitungen sind einige andere Passagen zum Opfer gefallen. Vergeblich suche ich bisher nach seinen ebenfalls handschriftlichen "Erinnerungen an Kindheit und Jugend", die von der Tochter etwa 1950 abgetippt wurden und verschollen sind. (ebenso die Kriegserinnerungen) Aus diesen Aufzeichnungen zitiert Kleffel (Seite 66 & Endnote 66) Pulvermanns Darstellung von der Namensgebung "Pulvermanns Grab". Das ist der wohl einzige authentische Bericht über die Entstehung. (Übrigens Travemünde, nicht Thüringen).
Dem Journalisten Nemitz habe ich telefonisch einige Fragen beantwortet, wenige Tage bevor sein Artikel in den Kieler Nachrichten erschienen ist und unvorbereitet. Er hat meine Angaben nicht wörtlich wiedergegeben. Er hat vor allem nicht die Auskunft über die 5 Mio RM für Westensee von mir, sondern wohl aus den alten Gutsakten (woher ich sie auch kannte). Ich habe absichtlich auf diese Angabe verzichtet, weil die Summe nicht mit 5 Millionen heute vergleichbar ist und ich die Umrechnungstabellen (Auskunft Deutsche Bank) nicht anführen wollte. Mißverständlich habe ich mich wohl bezüglich der überfahrenen Hühner ausgedrückt. Das sollte eher ein scherzhafter Hinweis darauf sein, daß auf der Straße frei laufende Hühner immer dann auf die andere Straßenseite müssen, wenn ein Auto kommt. Es können auch Pulvermanns eigene Hühner gewesen sein. Das Verhältnis zu seinen Gutsangestellten und -arbeitern soll sehr gut gewesen sein, nach allem was mir erzählt wurde.
Die Geschichte der Reitervereine, insbesondere der ländlichen, und ihre Umwandlung in SA-Reitervereine ist nicht mein Thema. Gleichwohl habe ich schon darüber nachgedacht, daß die im Heimtückeprozeß erwähnten Spenden an die SA sehr wohl dorthin geflossen sein können und eher auf persönlichen Bekanntschaften beruhten, als auf Untersützung einer Ideolgie - nur ich kann es nicht beweisen. Ähnlich mag es mit dem als Zeugen benannten Staatsrat Laahts gewesen sein, der sich in Zeiten hoher Arbeitslosigket als Vertreter (ich verwende den von Frank Bajohr -Endnote 80 -übernommenen Begriff Hausierer) durchgeschlagen hat, bevor seine Parteikarriere ihn zum Leiter der Gefängnisse machte. Als er als Zeuge befragt wurde, war er bereits auf den unbedeutenden Posten des Wasserwerksdirektors abgeschoben. Wie alle benannten Zeugen kein wirklich bedeutendes Amt mehr inne hatten. Ein Teil der Geschichte "Reitsport & NS" wird gerade geschrieben von einer jungen Hamburger Studentin, deren Magisterarbeit sich mit dem Deutschen Springderby unter Berücksichtigung des Nationalsozialismus beschäftigt.
Hier gleich eingeschoben zu "reitet für Deutschland". Der Film war schon ein NS Propagandafilm mit Willy Birgel, der gar nicht reiten konnte. Siehe hierzu "Vergraben im märkischen Sand" (Seite 83/84) von Alexander Graf zu Lynar-Redern (ISBN 3-7980-0566-4). Auf Gut Görlsdorf der Lynar-Redern bei Angermünde wurde der Film nach dem Buch von Clemens Laar gedreht. Das Buch von Clemens Laar mit seinen so unterschiedlichen Ausgaben von 1936 und 1952 ist alleine eine eigene Arbeit wert. Auch ist die Gedenktafel von 1934 für "Hanko" Carl Friedrich von Langen nicht mehr am Derbyplatz angebracht. Zum Stolperstein: Bei seiner Verlegung hatte ich noch keinen Kontakt zu den Pulvermann-Töchtern und war darüber nicht informiert. Herr Hess hat sich nur an den Angaben im Opferbuch im Hamburger Staatsarchiv orientiert und nicht weiter recherchiert.
Das Straßenschild am Eduard-F-Pulvermann-Weg hat nachträglich eine Hinweistafel bekommen (im Buch nicht abgebildet) u.a. mit der Aussage "jüd.(discher) Kaufmann ... Opfer des Nationalsozialismus". Auf meine Bitte hin, wurde das Schild jetzt ausgetauscht mit dem Hinweis "Hamburger Kaufmann ...". Aus Sicht der Familie wurde Pulvermann ermordet. Es wurde sogar angenommen, daß er im Krankehaus mit Medikamenten vergiftet wurde. Deswegen mein Hinweis zu den Begleitumständen seines Todes (Broncho-Pneumonie). Und in gewissem Sinn gehörte das als Haftkrankenhaus genutzte Krankenhaus Langenhorn zum KZ Neuengamme, wie der Eintrag auf der Karteikarte "Geheime Staatspolizei Abt. IID" (S. 88 & 119) zeigt. Zum Internet: Wie oben erwähnt, habe ich viele interessante Menschen kennen gelernt.
Durch das Internet habe ich überwiegend Kontakte zu Archiven, Behörden, Bibliotheken hergestellt und Infomationen über die Schiffsreisen (viel mehr, als erwähnt) und die Wohnorte etc. in USA bekommen, über Ancestry.com. Ich habe im Internet keine Dialoge geführt oder "gechattet", wie das Neu-Deutsch heißt. Danke auch für Ihre Hinweise auf "BoD" u. a. Wir hatten das überlegt. Aber aus Zeitgrün- den und um die Gestaltung nicht aus der Hand u geben, haben wir Poesel-Press gegründet. Wenn die tausend gedruckten Bücher vergriffen sein sollten, werden wir darüber noch mal nachdenken bei einer zweiten verbesserten Auflage, allein aufgrund inzwischen eingegangener Hinweise und Informationen von Lesern.
Die Zusage eines Sponsors 250 Bücher als VIP Geschenk (wohl auch an die aktiven Reiter) beim Deutschen Springderby abzunehmen, wurde kurzfristig storniert. Im freien Verkauf (zu reduziertem Preis) wurden an den vier Derbytagen (55.000 Besucher) immerhin 90 Bücher abgesetzt.
Zum Springderby bzw. zum Parcours verweise ich (auch aus Platzgründen) auf den Artikel von Dr. Willer im Derby Magazin 2006 "Das deutsche Springderby im Wandel der Geschichte" (Endnote 66). Inzwischen hat sich, aus Sicht des Reiter-Laien, der Parcours von dem naturnahen Turnierplatz (nach Ludger Beerbaum: Kartoffelacker) in einen mit der Wasserwaage ausgerichteten, weich federnden High-Tec-Parcours gewandelt, dessen Hindernisse hinter Reklameschildern versteckt sind und der vier Tage lang von einer kaum erträglichen Musik bedudelt wird. Immerhin wurde an den vier Tagen vom Parcours-Sprecher zweimal erwähnt, daß das Derby "In memoriam Eduard F. Pulvermann" ausgetragen wird, aber ohne Hinweis auf seinen 125. Geburtstag, während Kaffeebohne, Tiefkühlkost und C-Modell gebetsmühlenartig wiederholt werden.
Zu den Menzendorf-Bildern: Das Archiv war zZt meiner Recherche nach Auskunft von H.H. Isenbart und Dr. Willer gerade im Umzug von Berlin nach Verden. Ich werde dort versuchen das Bild mit dem steifen Hut zu bekommen.
Mit freundlichen Grüßen, Joachim Winkelmann
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